AERZTE Steiermark | November 2020

COVER 10 ÆRZTE Steiermark  || 11|2020 Notlage, nachdem wir meine Beschwerden durchgegangen sind. „Wohnen Sie in einem Mehrparteienhaus?“ – „Ja.“ – „Dann ist es [den ande- ren Parteien] nicht zumutbar, dass Sie zur Müllinsel gehen.“ Aha. Eigentlich logisch, aber halt auch falsch. Bis ich den behördlichen Bescheid habe, ist nämlich gar nix mit „dür- fen Sie nicht“. Das weiß ich aber zu dem Zeitpunkt noch nicht und mein sklavisches Vertrauen in die Stimmen am Telefon hilft mir nicht gerade. Also bringe ich mein soziales Umfeld in Gang und lasse mir für den nächsten Tag Hilfe kommen. Die ärztliche Hil- fe für die mutmaßliche Sei- tenstrangangina andererseits beschränkt sich auf das tele- fonbedingte Minimum: „Ja, was haben Sie denn daheim?“ und „Brauchen Sie noch et- was?“ Es tut mir leid. Wenn ich genau wüsste, was nötig ist, um eine spezifische Infek- tion zu diagnostizieren und medikamentös zu therapieren, wäre ich Arzt. Bin ich aber nicht. Darum kann ich auch nicht sagen, was ich brauche. Aber sei´s drum. Der Dienstag geht mit spürbar schlechterer Stimme und Halsweh samt 38 °C Fieber zu Ende. Verwaltung Mittwoch ist wieder Tele- fontag. Als Erstes flattert der Absonderungsbescheid via E- Mail ins Haus. Dann folgt ein Anruf der ÖGK. Dabei ist eine Checkliste abzuar- beiten und wieder folgt eine umfangreiche Aufklärung. Ja, Aufklärung ist wichtig. Aber, dass die Verwaltung in Form der Versicherung auch noch Hinweise gibt, ist grenzwertig. Vor allem, weil ich nicht das Gefühl habe, dass es um mei- ne Infektion geht, sondern nur darum, welche Zumu- tung ich für die Bürokratie bin. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich meine Stimme am Telefon bereits im Ausmaß eines AHS-Redewettbewerbs strapaziert. Daher wird sie immer leiser. Mein Kehlkopf ist beleidigt und brütet als Rache eine bakterielle Super- infektion aus (das sollte dann ab Freitag klar werden). Spä- ter werde ich von Freunden mit dem Nötigsten versorgt und von den Fruchtfliegen- umsurrten Zwetschken be- freit. Ich hatte bisher noch keine Zeit mich zu kurieren, Von der ÖGK kam trotz ausdrückli- cher Einladung keine Stellungnahme zu den sie betreffenden Vorwürfen des Patienten. Mittwoch ist wieder Telefontag. Als Erstes flattert der Absonderungsbescheid via E-Mail ins Haus. Dann folgt ein Anruf der ÖGK. und das wird auch noch eini- ge Zeit so bleiben. Polizei Am Donnerstag ist dann die Polizei da. Ja. Die Polizei. Ich bin ja für die mobile Testung angemeldet. Die irgendwann – aber spätestens nach drei Ta- gen – kommen kann. Darum verbringe ich die kranken Tage, wie ein Pfitschipfeil gespannt, wartend auf das – endlich – erlösende Läuten. Ich springe wie vom Bogen abgeschossen aus dem Bett und betätige die Haustüröff- nung. Vor der geschlossenen Wohnungstür: zwei Polizisten. Ob der eine aus dem 3. Stock da sei. „Nein, was weiß ich“, durch die Tür gemurmelt. Die Beamten grummeln herum und verschwinden. Irgendwie bin ich schon paranoid und es kommt mir vor, als ob die nur da waren, um zu sehen, ob ich in Quarantäne daheim bin. Das Fieber hält an und Kopfschmerzen setzen zu- sätzlich zur Schwellung der Nasenschleimhäute ein. Testung Am Freitag ist es dann soweit: Die mobile Testung ist da. Ein Kerl im Ganzkörperkondom steht vor der Türe. Auch wenn man Tage geistiger Vorberei- tung hatte, ist man doch nicht vorbereitet. „Tag. Bitte …“ – mein Gruß wird mit unver- ständlichem Murmeln hinter der Schutzummantelung be- antwortet. Nachdem wir uns länger als angenehm durch die Türe zu verständigen ver- suchen und der Hellblaue bo- ckig draußen verharrt, kann ich endlich verstehen, dass ich eine Schutzmaske aufset- zen soll. Nun bewegt sich das blaue Papierwunder in meine Wohnung. Ich werde mit einer Broschüre – dem Krankenta- gebuch inklusive nützlicher (?) Informationen – beglückt und bestimmt dazu aufge- fordert, mich in eine Ecke zu stellen und zu husten. Dann zurück zu ihm und Maske runter. Mit einem Stäbchen an meinem Zäpfchen im Hals herumkratzen. (Was passiert eigentlich, wenn man sich auf den Herrn übergibt?) Danach weitere Aufklärung: schnel- lerer Testverlauf bei negativ, tendenziell langsamerer bei positiv – tschüss. Ok. Also weiter warten. Nun beginne ich, gefärbten Schleim zu spu- cken. Vermutlich vom Kehl- kopf. Ergebnis Samstag ist dann der erste Tag, den ich relativ ruhig im Bett verbringen kann. Das Krankheitsbild ist gleich wie

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