AERZTE Steiermark | November 2020

WIRTSCHAFT & ERFOLG eines Lebensmenschen oder den Wechsel von Ausbildung in die Arbeitswelt etc. Der- artige Einsamkeit äußert sich als Gefühl, das Leiden ver- ursacht. In der Einsamkeits- forschung unterscheidet man drei Phasen: Unter einer vorü- bergehenden Einsamkeit lei- den wir alle immer wieder im Leben. Sie kann auch positiv wirken: Man rafft sich auf und ordnet sein Leben neu. Bei der zweiten Phase, dem lang- samem Rückzug, verkleinert sich der Selbstwert spürbar, der Umgang mit anderen wird für den Betroffenen selbst und auch für seine Umgebung zur Herausforderung. Bei chro- nischer Einsamkeit schließ- lich geht die Fähigkeit verlo- ren, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten, sich in andere hineinzudenken oder sich auch nur zu unterhalten. Verzweiflung und Depression sind häufige Folgen – bis hin zu Suizid/-Versuchen. Arztbesuche doppelt wichtig Der Besuch bei einer Ärztin/ einem Arzt ist in der Zeit des Zustand des Alleinseins. Wenn nun verordnet wird, wegen der Pandemie noch we- niger Menschen zu treffen, so hat er/sie gleichsam ein Rüst- zeug. Viel schwieriger ist die Situation aber für jemanden, der nicht freiwillig allein ist, den Umstände schon vorher an den Rand seiner sozialen Eingebundenheit oder auch über diesen hinaus gestoßen haben. Das kann durch einen Umzug in eine fremde Stadt sein, durch den Umstieg von einem arbeitsreichen Leben in den Ruhestand, den Tod Je länger Social Distancing gilt, je besser die Telemedizin sich einspielt, desto mehr gerät die innere, psychische Nähe zwischen Arzt und Patient ins Wanken. Umso wichtiger ist es, die noch möglichen Kontakte fürsorglich zu nutzen. Durch die Isolation begleiten Illu: Shutterstock; Montage: Conclusio Was offenbart er? SELBSTAUSSAGE SACHASPEKT APPELL Worüber spricht er? Was will er? Wie steht er zu mir? BEZIEHUNGS- AUSSAGE WALTER HOCH Was Wunder, wenn behand- lungsbedürftige Menschen ir- ritiert sind: Das Aufschieben eingeplanter Arztbesuche we- gen befürchteter Ansteckung wird bemängelt bis kritisiert, das Aufschieben nicht drin- gender Eingriffe aber wird als praktische Lösung präsentiert – wobei die Einschätzung der Dringlichkeit zwischen Betroffenen und Behandler­ Innen durchaus differieren kann. Eigentlich rücken Men- schen als soziale Wesen in Krisen zusammen und leisten einander Beistand. Aber just in der größten Bedrohung (hierzulande) nahezu seit Jahrzehnten sind Abstand und Kontaktlosigkeit Bürger- pflicht. „Social“ Distancing kann PatientInnen, die schon vor der Krise alleine gelebt haben, noch mehr in die Iso- lation rücken. Objektiv allein, subjektiv einsam Jemand, der von sich aus gerne allein ist, sich da- bei auch nicht einsam fühlt, befindet sich für die Psychologie in dem objektiven 34 ÆRZTE Steiermark  || 11|2020

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