AERZTE Steiermark | November 2020

BEREICH ÆRZTE Steiermark  || 11|2020 7 Über medizinisch nutzlosen politischen Aktionismus wurde schon viel gesprochen. Dennoch lebt er weiter. Jüngstes Beispiel: die Massentestungen. Natürlich wird versichert, man würde die medizinischen Bedenken ernst nehmen. Also nicht nur einmal testen, nicht medizinischen Laien, dazu gehören beim Testen auch die Apotheken, die nach einer Instant-Ausbildung darauf „spezialisiert“ werden sollen, das Testen überlassen. Nicht eine „Weder-Fisch-noch-Fleisch“-Strategie verfolgen, die ein seltsames Konglomerat aus Freiwilligkeit und Verpflichtung, aus klaren Konsequenzen und hanebüchenen Ausnahmen bildet. So entsteht genau die Verwirrung, die sich dann auch in „Anti- Corona“-Demos, Mas- kenverweigerung und Ähnlichem entlädt. Ja, ich bin dafür (und wer wäre das nicht?), dass wir uns ein klares Bild machen, dass wir die richtigen Maßnah- men kommunizieren und setzen. Aber ziel- los Panik zu schüren, gleichzeitig zu beruhigen, hin und her zu schwanken zwischen Muskelspiel und Populismus ist keine ziel- führende Gesundheitspolitik. Eigenverantwortung zu predigen und gleichzeitig zu sagen, dass die Bevölkerung dazu nicht fähig ist, macht diese nur irre. Mit diesen Widersprüchen ist CO- VID-19 nicht in den Griff zu bekommen. Diejenigen, die still und tapfer in den Ordinationen, in den Am- bulanzen und auf den Stationen weit mehr machen, als es ihre Pflicht ist, werden als selbstverständlich betrachtet. Wenn sie angesichts besonderer Absurditäten aufmucken, werden sie zum Schweigen gebracht. Jetzt ist nicht die Zeit politischer Kontroversen. Es ist aber auch nicht die Zeit, um im Windschatten der Corona-Maßnahmen politisches Kleingeld zu machen. Die „Planungs-Expertinnen und Experten“ würden das auch nicht tun, wenn sie die Verant- wortung für ihre falschen Entscheidungen selbst tragen müssten. Aber das tun sie nie. Schuld an Fehlentwicklungen haben ja immer nur unvorhersehbare Entwicklungen. Niemals falsche Entscheidungen, die vorhersehbare Folgen haben. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Schiffer, Grafik: Konrad Lindner Lange, sehr lange, zu lange hat es gedauert, bis Ge- sundheitsminister Rudolf Anschober sich auch bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten für ihr unermüdliches Bemühen und ihr unentwegtes Da- sein bedankt hat. Zuvor wurde nur groß über einige wenige Ausnahmen berichtet – ältere, nicht mehr ganz gesunde Kolleginnen und Kollegen, die sich zurecht um ihre eigene Gesundheit gesorgt haben. Erst als die ÖGK auf Grundlage ihrer Daten klargestellt hat, dass die allermeisten niedergelas- senen Ärztinnen und Ärzte immer da waren und ihre Praxen geöffnet hatten, wurde es ruhig. Ist es selbstverständlich, dass die Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten auch unter widrigen Umständen bestmöglich betreuen? Ja, wir betrachten es als unsere selbstverständliche Aufgabe. Deshalb sind wir Ärztinnen und Ärzte geworden. Aber auch die Pflege, die Apotheken, die Poli- zistinnen und Polizisten (© Innenminister Karl Nehammer) und andere üben ihren Beruf mit der gleichen Selbstverständlichkeit aus. Dennoch werden sie bei den regelmäßig stattfindenden po- litischen Pressekonferenzen mit Dank überhäuft. Brauchen wir das? Nun, es wäre zwar nett, wenn sich unsere Gesundheitspolitikerinnen und Ge- sundheitspolitiker auch öfter bei uns Niedergelas- senen bedanken würden. Grund genug gibt es ja dafür. Es würde aber schon reichen, wenn sie klar da- rauf hinweisen würden, dass auch im Lockdown die Patientinnen und Patienten nicht nur das Recht auf ärztliche Hilfe haben, sondern sie auch verlässlich bekommen. Und auch sicher, weil Arztpraxen funktionierende Hygiene- und Schutzkonzepte haben. Vielleicht würde dann die Bevölkerung auch ihre Angst ablegen. Vizepräsident Dr. Christoph Schweighofer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Christoph Schweighofer Sagt den Menschen, dass ihre Ärzte da sind STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Medizinische Klarheit statt politischem Chaos bitte D BATTE

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