AERZTE Steiermark | November 2020

COVER Foto: Adobe Stock ÆRZTE Steiermark  || 11|2020 9 ANONYMER AUTOR Dieses Jahr war – gesundheit- lich gesprochen – ein gutes für mich. Ich hielt mich von Krankheit fern und war nur Zaungast der globalen Pan- demie. Als verantwortungs- voller Mensch bemühe ich mich, alle nötigen Maßnah- men mitzutragen und aktiv mitzuwirken die Pandemie einzudämmen. Unter dieser Prämisse steht mein Bericht, den ich bewusst anonym halte. Alle Personen, die da- rin vorkommen, hatten gute Absichten. Ich auch – etwa am 25. September: Entzündung Der Arbeitstag ist vorbei und ein schönesWochenende steht bevor. Am Sonntag, dem 27., beginne ich, eine Entzündung der Seitenstränge zu spüren. Dieses Krankheitsbild ist mir seit Kindertagen wohlbe- kannt und wurde schon zig Male ärztlich diagnostiziert, darum maße ich mir hier auch diese Selbstdiagnose an. Also verziehe ich mich ins Bett und benachrichtige am Montag meinen Arbeitgeber. Im Verlauf des Tages nehmen die Hals-Beschwerden zu und um 21 Uhr habe ich 38° Fie- ber. Damit ist klar, dass der nächste Tag mit einer Kon- sultation meiner Hausärz- tin beginnen wird. Also rufe ich zum frühesten Zeitpunkt an, weil diese Ordination in jedem Fall um Voranmel- dung bittet. Nachdem mich die Ordinationsassistentin zu meinem Zustand befragt, Verdachtsfall. Nun beginnt der Spaß. Kein Auto „Haben Sie ein Auto?“, flötet es aus dem bereits mit dem Ohr verwachsenen Hörer. „Nein.“ „Oh, das ist aber scha- de. Dann schicken wir Ihnen eine mobile Testung vorbei. Wenn Sie ein Auto hätten, hätten Sie zum Test fahren können.“ (Anbei folgende Bemerkung: Die Dame bei 1450 war die Person, die am besten Bescheid wusste. Von allen.) Mir ist zu dem Zeit- punkt noch nicht klar, was der Unterschied zwischen „Ich- komme-zur-Testung“ und „Testung-kommt-zu-mir“ ist. Jedenfalls wird für mich ein werde ich angewiesen 1450 zu wählen, da man sich „nicht sicher“ sein kann. Also 1450 ins Telefon getippt. Danach folgten 51 Minuten Agonie in der Warteschleife. Ver- stehen Sie mich nicht falsch. Die Einspieler sind nicht so schlimm. Eigentlich ist 1450 sehr professionell aufgebaut. Es ist der Fakt, dass man krank ist. Ich habe Beschwer- den, liege – permanent ans Telefon gepresst – auf der Seite und starre von Warte- schleifentexten berieselt auf den Sekundenzeiger, der mir ein Memento Mori eintaktet. Dann endlich die Erlösung. Eine freundliche Stimme geht mit mir eine Checkliste durch und befindet mich für einen Besuch der mobilen Testung vorgemerkt und ich werde mit dem Hinweis auf „selbst gewählte Absonderung“ in die nächsten anstehenden Te- lefonate entlassen. Danach folgt der nötige Rück- ruf bei der Hausärztin. Also Corona-Verdachtsfall. „Sie sind in Quarantäne“, legt sich die Ordinationsassistenz fest: „Die Frau Doktor wird Sie im Lauf des Tages zurückru- fen.“ Gut, gut … eigentlich nicht gut. Ich sitze nämlich mit einer Schale faulender Zwetschken fest, von denen ich mich so schnell wie mög- lich trennen will. Die Ärztin ruft gegen Mittag zurück und ich erkläre die zusätzliche Der Gesundheitsfonds Steier- mark wollte keinen Kommentar zum konkreten Vorwurf der lan- gen Wartezeit beim Telefon 1450 abgeben, versicherte aber, dass man an Verbesserungen arbeite. Es geht nicht um Schuld … Wie ist für Betroffene, wenn es so ist, wie es ist …? Das „System“ sind Ärz- tinnen und Ärzte sowie Gesundheitsinstitutionen aus Sicht der Patientinnen und Patienten. Das „Sys- tem“ – eigentlich eher: die „Systeme“ – haben ihre spe- zifischen Erfordernisse, die den Betroffenen zugemutet werden (müssen). Im Wort- sinn wird Mut erforderlich. Und gerade Kranke und von Krankheit Bedrohte empfin- den Erfordernisse sehr rasch als Zumutung. Diesen Umstand den Sys­ templayern bewusst zu machen, ist der Sinn der Veröffentlichung dieses Bei- trags eines Betroffenen. Es geht nicht um Schuld, son- dern um Erkenntnis. Dieser Beitrag unterscheidet sich von anderen Äußerungen Betroffener durch große Reflektiertheit und die Be- reitschaft zu analytischem Denken. Dennoch ist er subjektiv, aus der persön- lichen Perspektive wahr- genommen. Nur: Das ist wohl immer so … red

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