AERZTE Steiermark | Dezember 2020

14 ÆRZTE Steiermark  || 12|2020 URSULA SCHOLZ Durch seine Adern zieht Waldluft. Bildlich gesprochen. Mit 15 Jahren begann Johann Kainz im Holzschlägerunter- nehmen seines Vaters in St. Stefan im Lavanttal mitzu- arbeiten, parallel zur Schule. Bäume kennzeichnen, Tras- sen in den Wald messen, mit zu den Bauern fahren zum Holzpreis-Verhandeln – all das gehörte zu seinem Alltag ebenso wie zu dem seiner vier Geschwister. „Im Be- trieb mitzuarbeiten war bei uns selbstverständlich – im- merhin zählte dieser damals mehr als hundert Mitarbeiter an Einsatzorten verteilt über ganz Österreich und es war immer etwas zu tun“, erzählt Kainz. „Dafür konnte ich mir mit dem selbst verdienten Geld großteils mein Studium finanzieren.“ Nach der Matura hatte er er- wogen, an der Universität für Bodenkultur zu inskribieren, doch sein Vater und der ältere Bruder, der diesen Weg davor gegangen war, rieten ihm da- von ab. Wien wurde trotzdem sein Studienort, nur dass er stattdessen die Humanmedi- zin wählte. „Seit meinem 17. Lebensjahr bin ich im Ret- tungsdienst mitgefahren, also war die Medizin meine zweite mögliche Berufswahl. Spra- chen hätten mich aber auch noch interessiert …“, erklärt er rückblickend. Den Sommer und viele unterjährige Wo- chenenden verbrachte er nach wie vor im Wald. Für alle fünf Sinne „Das Schönste am Wald ist die Ruhe. Dann kommt das Erleben mit allen Sinnen: vom Vogelgezwitscher über den unvergleichlichen Ge- ruch, die Haptik der Baum- rinde, das Gustatorische von Schwammerln und Beeren bis hin zur Augenweide des gefärbten Herbstlaubs.“ Auch in stressigen Zeiten wie der Corona-Pandemie achtet er darauf, „jedes Wochenende eine Portion Natur in mein Leben zu bringen“. Sein der- zeitiger Berufsalltag als Dop- pelprimar der Anästhesie und Intensivmedizin der Häuser in Bruck und Leoben sowie als Mitglied des regionalen Krisenstabs am LKH Hoch- steiermark fordert ihn ge- rade jetzt besonders. „Beide Standorte sind gut ausgelastet. COVID-19 ist der zusätzliche Schöpfer Suppe, der eigent- lich nicht mehr in den Teller passt.“ „Jeder Mensch muss eine Linde haben“ Die ersten beruflichen Meriten verdiente sich Johann Kainz, Anästhesie-Primar am LKH Hochsteiermark, als Assistent im Holzschläger-Unternehmen seines Vaters. Seinen Christbaum fällt er heuer trotzdem nicht selbst, dafür pflanzt er eine Linde. Seinen eigenen Suppenteller stellt er am liebsten auf einen Holztisch, am besten einen, dessen Maserung deutlich sichtbar ist. Denn auch noch als Möbelstück verarbeitet beruhigt ihn Holz. Sein zu- künftiges Refugium, ein Haus im Murtal, soll soweit wie möglich aus Holz bestehen. Ganz abgesehen davon, dass es am Waldrand steht. „Wenn ich von dort eine Viertelstun- de bergauf gehe, bin ich schon im Hochalmgebiet.“ Neue Herausforderung Seinen Christbaum wird er heuer trotz fortbestehender Wald-Affinität und trotz ein- schlägiger Kenntnisse nicht selbst fällen – weil ihm schlichtweg der eigene Wald dazu fehlt. Zuchtwälder für Christbäume hingegen sind für ihn wie Fleisch aus Mas- sentierhaltung: nicht natür- lich gewachsen und nicht mit Besonnenheit genutzt – ihnen fehlt das Ursprüngliche, We- sensimmanente. „In meiner Kindheit sind wir immer ge- meinsam mit dem Vater in den Wald gegangen, um den Christbaum auszuwählen, zu schlagen und nach Hause zu bringen. Aufgeputzt hat ihn dann unser Vater.“ Direkt vor Weihnachten, wenn die aufwendigen Schlägerarbeiten des Dezembers beendet wa- ren, denn da endet für die Holzbetriebe die Hochsaison. Auch Johann Kainz war in seiner Jugend im Advent stark im Einsatz: mit einem Freund gemeinsam als Christbaum- verkäufer in Klagenfurt und Wolfsberg. „Daran erinnere ich mich gerne. Es war uns eine Ehre, die Christbäume zu verkaufen, das ist schon etwas Besonderes. Außerdem haben wir uns auch ganz gerne am Glühwein gewärmt …“ Dass die Weihnachtsbäume heute weniger gut riechen würden als damals, glaubt der knapp 50-Jährige aber nicht. „Den Geruchsunterschied zwischen einem Baum aus echtemWald und einem aus der Zucht- wald-Monokultur gab es da- mals auch schon.“ Mittler- weile kauft er den eigenen Christbaum wie damals seine Kunden – und die neue He- rausforderung besteht darin, einen zu finden, der allen drei Kindern gefällt. Tricks sind erlaubt. Sobald sich die beiden Brüder einig sind, bekommt die kleine Schwester einen zusätzlichen Mini-Baum und alle sind zufrieden. Baum der guten Geister Könnte Johann Kainz sich in ARZT IM BESONDEREN DIENST „Das Schönste am Wald ist die Ruhe.“ Johann Kainz

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