AERZTE Steiermark | Dezember 2020

16 ÆRZTE Steiermark  || 12|2020 ALTERSMEDIZIN Der Titel des zweiten Jahreskongresses des Netzwerks Altersmedi- zin – „COVID-19-Pandemie & Alter: Was wir jetzt lernen müssen“ – verweist schon auf die Dringlichkeit des Themas. Da der ältere Teil der Bevöl- kerung überproportional bei IntensivpatientInnen wie bei Corona-Toten vertreten ist, hat der Schutz dieser vul- nerablen Gruppe Priorität. Daneben stand das Thema Active-and-Assisted-Living im Fokus; insgesamt referierten mehr als 30 ExpertInnen. Live wurde der Kongress Mit- te November von rund 200 Teilnehmenden mitverfolgt – ein Nachhören im Web ist noch bis zum 15. Dezember möglich. Spät zu erkennen Robert Krause von der Med Uni Graz erklärte, welche Fak- toren dazu führen, dass der Outcome bei älteren Erkrank- ten um so viel schlechter ist als bei jungen Menschen: Die fehlenden körperlichen Re- serven für die ICU-Therapie – für die Beatmung ebenso wie für die Entwöhnung davon – seien nämlich nur einer. Schon bei der Diagnostik tauchen altersspezifische Hindernisse auf: So würden initiale Sym- ptome wie Kopfschmerz von Betroffenen oft nicht erwähnt. Der verminderte Geschmacks- und Geruchssinn trete bei Jungen ausgeprägter auf – und bei Älteren auch abseits von COVID-19-Erkrankungen. Damit erfolgt die klinische Präsentation der Erkrankung oft verzögert. Hinzu kämen vorbestehende Organdysfunk- tionen. Bei den gefürchteten Superinfektionen stellten die Mykosen die größte Heraus- forderung dar – hier liege die Todesrate um die 50 Prozent. Aus der Praxis gelernt Über die konkrete Lage in der Klinik berichtete Her- bert Wurzer, Primar am LKH Graz II, Standort West, das im Frühjahr noch als Schwer- punktkrankenhaus für CO- VID-19-Patienten definiert worden war. Zwar verfüge das Team über große Expertise im Umgang mit isolierpflichtigen Infektionskrankheiten; da- neben einen Normalbetrieb aufrechtzuerhalten, sei jedoch völlig illusorisch gewesen. Die Chirurgie musste ausgesiedelt, die interventionelle Kardiolo- gie geschlossen werden und trotzdem seien die Intensiv- kapazitäten an ihre Grenzen gelangt. Wurzer ortete für die erste Phase im extramuralen Be- reich noch zu wenige Vor- kenntnisse im Bereich der Schutzmaßnahmen, die zu Zuweisungen aus Verunsiche- rung geführt hätten. Dazu sei die unzureichende ärztliche Versorgung von Pflegepatien- tInnen im Heim gekommen. Im intramuralen Bereich bestanden die Herausforde- rungen in der räumlichen Umorganisation und dem umfassenden Mitarbeiter- schutz. Bei jedem Dienst- wechsel finde seitdem eine Besprechung statt, in der zwecks Planbarkeit auch ein möglicher Verlegungsbedarf auf die Intensivstation avisiert werde. Adipöse und Männer Als Erfahrungswert habe sich am LKH West gezeigt, dass die Risikofaktoren bei Hoch- altrigen vor allem im (männ- lichen) Geschlecht liegen, in Adipositas und Diabetes mel- litus. Aus noch ungeklär- ter Ursache häuften sich in der zweiten Welle männliche, vom Balkan stammende Pati- entInnen auf der Intensivsta- tion (auch jüngere). Ein Vergleich des Outcomes derselben Intensivstation zwi- schen März und Oktober 2019 sowie demselben Zeitraum heuer dokumentiert eine Ver- doppelung der Todesrate von 4,25 auf 8,55 Prozent. Dabei zeigt sich eine Altersverschie- bung: Entfielen im Vorjahr 63,8 Prozent der Todesfälle auf 18- bis 80-Jährige, sank der Anteil heuer auf 35,4 Prozent. Die therapeutische Vorge- hensweise habe sich, so Wur- zer, dahingehend verändert, dass vermehrt – und auch auf der Normalstation – Hoch- flusssauerstoff gegeben und Kortison unter AB-Schutz viel frühzeitiger verabreicht werde. Nicht bewährt hätten sich hingegen antivirale The- rapien. Abschließend mahnte Wurzer ein, die ärztliche Ver- sorgung in Pflegeheimen zu verbessern, aber auch, den Umgang mit Sterben(den) zu überdenken. Niemand solle wegen erhöhter Pflegebedürf- tigkeit ins Krankenhaus abge- schoben werden. Domäne der Allgemeinmedizin Susanne Rabady vom Kompe- tenzzentrum Allgemein- und Familienmedizin an der Karl- Landsteiner-Privatuniversität in Krems und selbst als Haus­ ärztin tätig, sprach über die extramurale Situation: „Die wichtigste Botschaft ist: Jeder Patient kann infektiös sein. Aber auch jeder Mitarbeiter.“ 30 bis 50 Prozent der Patien- tInnen kämen nun einmal mit Infektanzeichen – überdies seien die Prä- oder Asympto- matischen zu berücksichtigen. Zumeist fühlten sich CO- VID-19-positive Menschen unspezifisch krank – eine Herausforderung für die Dia­ gnostik. Nun sei daher nach Schützt die Alten – aber wie? Der Online-Jahreskongress des Netzwerks Altersmedizin Steiermark stand überwiegend im Zeichen von COVID-19. Berichte aus der intra- und extramuralen Praxis wurden durch den Vergleich internationaler Strategien ergänzt. Illu: AdobeStock

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