AERZTE Steiermark | Dezember 2020

ÆRZTE Steiermark  || 12|2020 31 FORSCHUNG Gleich in den ersten Wochen der Pandemie hat sich ge- zeigt, dass Diabetikerinnen und Diabetiker unter den hos- pitalisierten Patientinnen und Patienten ein erhöhtes Risiko für den Bedarf an Intensivbe- treuung haben. Und nicht nur das – von den in den ersten Monaten der Pandemie in eine Klinik aufgenommenen Dia- betikerInnen starb ein Viertel. Die Österreichische Diabe- tesgesellschaft (ÖDG) startete daher ein Projekt, an dem sich zehn österreichische Zentren in sechs Bundesländern betei- ligen: in Wien das AKH sowie die Krankenhäuser Ottakring, Favoriten und Hietzing; in den Ländern Krankenanstalten in Krems, Salzburg, Inns- bruck, Zams, Linz und das Grazer Universitätsklinikum, wo Harald Sourij, stellvertre- tender Leiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie sowie Erster Sekretär der ÖDG, das Regis­ ter betreut. Die Einschrän- kung auf diese überschaubare Anzahl von Kooperations- partnern erklärt Sourij mit dem hohen Aufwand der Be- teiligung: So müsse jeweils ein Antrag an die Ethikkom- mission gestellt werden, weil das – kontinuierlich weiter- laufende – Diabetesregister als klinische Studie geführt werde. Prädiktoren identifizieren Im Rahmen der Studie wur- den 238 Diabetikerinnen und Diabetiker anonym erfasst, die bis Juni 2020 wegen CO- VID-19 in eine Klinik aufge- nommen worden waren. „Zu beachten ist, dass sich unsere Studienergebnisse ausschließ- lich auf hospitalisierte Patien- tinnen und Patienten beziehen und dass sich daraus keine Aussagen über mit SARS- CoV-2 infizierte Menschen mit Diabetes ableiten lassen, die daheim betreut werden konn- ten“, betont Sourij. Auch lässt sich kein generelles COVID- 19-Erkrankungsrisiko für Di- abetikerinnen und Diabetiker ablesen; man weiß nur von anderen Krankheiten, dass Di- abetiker prinzipiell anfälliger für diverse Infektionen sind. Ziel der Studie ist es, bei den bereits Hospitalisierten jene Prädiktoren zu identifi- zieren, die eine notwendige Intensivbetreuung vorhersa- gen können. Derzeit steht noch keine spezielle Therapie für Menschen mit COVID-19 und Diabetes zur Verfügung; es kann lediglich die Über- wachung dieser besonders gefährdeten Personen ver- dichtet werden. Daher sollten Ärztinnen und Ärzte, die Personen mit Diabetes behan- deln, diesen ganz eindringlich die einzigen drei präventiven Handlungsmöglichkeiten ans Herz legen: Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen und sorgfältig Hände wa- schen. Alter ist entscheidend Mehr als 50 Parameter wur- den zunächst erfasst, um da- raus im statistischen Modell die signifikanten Prädiktoren für einen schweren Verlauf zu destillieren. Einige Para- meter erwiesen sich als nicht relevant, beispielsweise das Geschlecht, die Art der blut- zuckersenkenden Medikation oder der Typ des Diabetes. Entscheidend ist vielmehr das Lebensalter in Kombination mit bestimmten Komorbi- ditäten. „Wir haben gesehen, dass sich aus dem Alter, dem Vorhandensein von arteri- ellen Verschlusskrankheiten, dem CRP, dem Leberpara- meter AST und der Nieren- funktion in Form des eGFR ein Score errechnen lässt, der sehr gut das Risiko für die Sterblichkeit im Kranken- haus angibt“, berichtet Sourij. Die in der Studie erfassten Verstorbenen hatten signifi- kant häufiger vier oder mehr Begleiterkrankungen zusätz- lich zu ihrem Diabetes. „Die ersten Annahmen haben Diabetes als Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe überschätzt, wobei der Bias wohl im Bereich des Alters lag. Aber selbst wenn man das Alter herausrechnet, bleibt der COVID-19-Diabetes-Register: Risiko für schweren Verlauf Wer als Diabetiker mit COVID-19 hospitalisiert wird, hat ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Vor allem in Kombination mit hohem Lebensalter und Komorbiditäten, wie das kürzlich präsentierte COVID-19-Diabetes-Register belegt. Diabetes ein eigenständiger Risikofaktor“, erklärt Sourij. Schließlich beeinflusse der Blutzucker das Immunsystem, insbesondere die zelluläre Immunantwort. Risikofaktor Prädiabetes Eine wesentliche Erkenntnis des Datenscreenings im Rah- men des COVID-19-Diabetes- Registers war die Identifizie- rung des Prädiabetes als Risi- kofaktor. Unter den Personen, die wegen COVID-19 stati- onär aufgenommen worden waren, lag die Sterblichkeit bei jenen mit einem Prädiabe- tes gleich hoch wie bei jenen mit Diabetes Typ II. Schon seit Jahren plädiert die Ös- terreichische Diabetesgesell- schaft dafür, den HbA1c-Wert in die Vorsorgeuntersuchung aufzunehmen – in Zeiten der Corona-Pandemie wäre das folglich umso wichtiger. Auch eine routinemäßige Er- fassung des HbA1c-Wertes bei allen stationär aufgenom- menen COVID-19-Patienten wäre hilfreich. Nicht zuletzt, um den bevorstehenden Be- darf an Intensivbetten ge- nauer abschätzen und recht- zeitig für die benötigten Ka- pazitäten sorgen zu können. „dass sich aus dem Alter, (...) arteriellen Verschlusskrankheiten, CRP, dem Leberparameter AST und der Nierenfunktion (...) ein Score errechnen lässt, der sehr gut das Risiko für die Sterblichkeit im Krankenhaus angibt.“ Harald Sourij

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