AERZTE Steiermark | Dezember 2020
6 ÆRZTE Steiermark || 12|2020 BEREICH Eiko Meister Die Ärzteausbildung darf nicht leiden Alfred Gutschelhofer Verständlichkeit ist die Höflichkeit der Experten Die Coronakrise beansprucht einen Großteil der medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit. In ihrem Windschatten droht aber eine Gefahr, der mit keiner Impfung beizukommen sein wird – dennoch geht es dabei auch um die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher, und zwar langfristig. Die Zuständigkeit für die Ärzteausbildung, die derzeit – kontrolliert vom Gesundheitsministe- rium – die Österreichische Ärztekammer bun- desweit verantwortet und damit sicherstellt, dass die Standards von Eisenstadt bis Bregenz gleich sind, könnte den Bundesländern zufallen. Was de facto bedeuten würde, dass wenig damit vertraute Bezirksbehörden sie wahrnehmen müssten. Da- mit würde die vielbeklagte Fragmentierung des österreichischen Gesundheitssystems in einem besonders sensiblen Bereich – es geht um die Qualität der ärztlichen Ausbildung und damit die Qualität der medizinischen Versorgung – auf die Spitze getrieben. Das sollte niemand wollen. Aber es geht auch um föderale Macht und die Möglichkeit, durch be- sonders niedrige Ausbildungsstandards den Nach- barn die eine oder andere junge Ärztin, den einen oder anderen jungen Arzt abspenstig zu machen. Nur: Die wollen – nach allem was wir wissen – keine „billige“, sondern eine gute Ausbildung. Sie gehen ja auch nicht nach Deutschland, weil dort die Ausbildung weniger anspruchsvoll ist. Ich bin optimistisch, dass sich auch die österrei- chischen Bundesländer dessen bewusst sind und die Qualität der medizinischen Versorgung höher einstufen als einen kurzfristigen politischen Ter- raingewinn. Weniger als den Goldstandard der medizinischen Versorgung haben die Österreicherinnen und Österreicher nicht verdient – egal, in welchem Bundesland und in welchem Bezirk Österreichs sie leben und ärztlich betreut werden. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. INTRA KONT A Durch COVID-19 ist die Meinung der ExpertInnen, die sich mit den tiefergehenden Fragen der Pandemie befassen, in der Öffentlichkeit von zentraler Bedeutung. Leider hat sich in dieser sehr dynamischen Zeit eine Flut an ExpertInnen- Meinungen verbreitet, die von den Menschen nur mehr schwer interpretiert werden können. Begonnen hat das Verwirrspiel der ExpertInnen mit unter- schiedlichsten Aussagen zumMund-Nasen-Schutz. Gerade dieses Beispiel hat uns gezeigt, dass die Masken neben dem Schutz für Andere auch eine ständige Erinnerung für die Prä- senz der Pandemie sind. War beim ersten Lockdown die Akzeptanz in der Bevölkerung noch imWesentlichen vorhanden, so hat der Sommer eine Bühne für die verantwortungslose Inszenierung parteipoli- tischer Egoismen der Regierung, der Opposition, der Länder und Interessensvertretungen geboten. Befeuert wurde dieses unsägliche Schauspiel durch die Medien. COVID-19 wurde zum politisch-medialen Wettbewerbsthema. Es gibt unzählige ExpertInnen-Meinungen, die in wissen- schaftlicher Tradition oft kontroversiell vorgetragen werden. Nicht wenige dieser oft flapsig formulierten Fachmeinungen wurden im Laufe der letzten Monate als unrichtig entlarvt. Weite Teile der Bevölkerung sind gegenüber den von Politik und Fachwelt vorgebrachten Änderungen, Verboten und schlecht erhobenen Statistiken skeptisch. Gelingt es nicht, die Menschen durch verständliche und stim- mige Argumente zu gewinnen, werden wir mit den Teststrate- gien und insbesondere der allesentscheidenden Akzeptanz der Impfung unliebsame Überraschungen erleben. Alle Fachleute sind angehalten dem Grundsatz zu folgen, dass eine Pandemie nur im System – es beinhaltet die ganze Argu- mentations- und Prozesskette – bekämpft werden kann und pointierte Einzelstatements kontraproduktiv sind. Scheitern wir in den nächsten Monaten zu überzeugen, wer- den wir deutlich mehr verlieren als nur einige Monate im Kampf gegen die Pandemie. Univ.-Prof. MMag. Dr. Alfred Gutschelhofer ist Vorstand des Instituts für Unternehmensführung und Entrepreneurship und leitet das Zentrum für Entrepreneurship und angewandte BWL der Karl-Franzens-Universität Graz. Von 2003 bis 2011 war er Rektor der Universität Graz. 2 D BATTE
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