AERZTE Steiermark | Jänner 2021

Foto: AdobeStock COVER Euthanasie bevorzugen. Und zwar aus zwei Gründen: Der erste ist ein emotionaler. Man kann sich einreden, dass man den Patienten nicht umge- bracht habe, sondern es die Krankheit war, die zu seinem Tod geführt hat. Und zwei- tens: Man landet nicht vor ei- ner der fünf niederländischen Prüfungskommissionen. Sich vor drei Menschen rechtfer- tigen zu müssen, die sich das komplette medizinische Dos- sier angeschaut haben und dann sagen, hier oder da ist es nicht rechtmäßig zugegangen, ist auch ein Einbruch in die Intimität des Arzt-Patienten- Verhältnisses. Und der ist vielen Ärzten unlieb. Sie selbst waren neun Jahre lang Mitglied einer solchen Prüfungskommission. Warum sind Sie ausgeschieden? Der wichtigste Grund war, dass meine Zeit bald abgelau- fen gewesen wäre. Außerdem bekam ich eine Professur an- geboten und die Arbeit in den Kommissionen ist sehr zeit- aufwendig. Aber es gab auch zunehmend Fälle, bei denen ich die Entscheidungen nicht mehr mittragen konnte. Können Sie das erläutern? Es gibt Fälle, bei denen ich gesagt habe, diese sind zu 100 Prozent vom niederlän- dischen Euthanasiegesetz ge- deckt. Dann gab es Fälle, bei denen ich Zweifel hatte. Ich habe das dann jeweils mit meinen beiden Kollegen aus- führlich diskutieren können. Und auch wenn wir am Ende übereinkamen, dass wir nicht übereinstimmen, so war dies doch ein guter Prozess. Aber dann gab es auch Fälle, bei denen ich sicher war, die fallen einfach nicht unter das Eutha- nasiegesetz. Und da ist es mir mehrmals passiert, dass ich die Entscheidung der anderen nicht mehr mittragen konnte. allen anderen europäischen Ländern. Denn laut Euro­ pean Association for Palliative Care hat Österreich bezo- gen auf die Bevölkerung die meisten palliativen Betreu- ungseinrichtungen Europas. Deutschland liegt nur auf Platz 15, die Schweiz auf dem 18. Platz und die Niederlande noch dahinter (Rang 24). Nur Belgien liegt ebenfalls im „Spitzenfeld“ der Palliativver- sorgung – auf dem 5. Platz. Da hat der steirische Ärz- tekammerpräsident Herwig Lindner wohl recht, wenn er sagt, „die Debatte kommt aus Ländern, in denen es um die Palliativmedizin und Hos- pizbetreuung weit schlechter Beleg dafür sei, dass die Be- troffenen „von der Gesellschaft aufgegeben wurden“ (siehe Interview mit dem niederländi­ schen Theologen Theo Boer). Die Sorge ist groß, dass die Möglichkeit der Tötungshilfe den Druck erhöht, diese auch in Anspruch zu nehmen. So bestellt ist als in Österreich“. Der Druck steigt Während Befürworter der Tö- tungshilfe argumentieren, dass damit eine gewaltsame, ein- same Selbsttötung vermieden werden könne, befürchten Kri- tiker, dass das Angebot der professionellen Tötung ein sieht es etwa der US-ameri- kanische „National Council on Disability“. Dessen Vor- sitzender, Neil Romano, der unter dem republikanischen US-Präsidenten George Bush „Assistant Secretary of Labor for Disability Employment Policy“ war, schrieb 2019 in einem Brief an Präsident Trump sinngemäß, dass Men- schen mit Behinderung nicht gedrängt werden dürften, ihr Leben wegen fehlender Unter- stützung und medizinischer Angebote zu beenden. „Die Stärkung des Selbstbe- stimmungsrechts durch das VfGH-Erkenntnis kann in seine Schwächung umschla- „Dann gab es Fälle, bei denen ich Zweifel hatte.“ „Die Sorge ist groß, dass die Möglichkeit der Tötungshilfe den Druck erhöht, diese auch in Anspruch zu nehmen.“ 12 ÆRZTE Steiermark  || 01|2021

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