AERZTE Steiermark | Februar 2021

versorgung Fä l le von Me n s c h e n in psychiat- rischer Be- h a nd l u n g , über deren Gefahrenpo- tential man nichts wis- sen kann, weil sie sich dazu nicht äußern. I n a nde - ren Fällen i s t ma n über z eug t , irgendwann wird etwas p a s s i e r e n . Aber Zwangsbehandlungen sind nur in der Akutphase ei- ner psychischen Erkrankung möglich, sobald der Patient stabilisiert ist, muss er, wenn er oder sie es wünscht, ent- lassen werden. Im Falle von hohem Gefährdungspotential informieren wir Angehörige, aber in Extremfällen auch die Polizei und Einrichtungen zur Nachsorge, bei welchen Anzeichen sofort und wie reagiert werden muss. Und schließlich gibt es Delikte, die ganz unvorhersehbar und ohne Hinweis geschehen.“ Teamarbeit entlastet Auf der Abteilung für Fo- rensik wird äußerst umsich- tig entschieden. Zu Beginn wird die sogenannte Delikt­ hypothese erstellt, warum der Patient gerade zu diesem Zeitpunkt gerade diese Tat begangen hat. „Das Delikt ist ja Symptom einer Erkran- kung – und wenn man mit der Erkrankung besser um- gehen lernt, lassen sich mög- licherweise weitere Straftaten verhindern.“ Der gesellschaft- liche Auftrag unterscheidet fo- rensische von anderen psychi- atrischen Behandlungen: „Die Gesellschaft sitzt sozusagen als Dritter im Behandlungs- zimmer dabei.“ Die Motivati- on zur Veränderung ist häufig zunächst nur extrinsisch und es ist Aufgabe des Teams, dem Betroffenen die Sinnhaftig- keit einer Veränderung nahe zu bringen. Dabei arbeiten Ärztinnen und Ärzte, Psycho- loginnen und Psychologen, das Pflegepersonal, aber auch Sozialarbeiter*innen und -pädagog*innen sowie diverse Therapeut*innen zusammen. Eine für Kada äußerst wich- tige Arbeitsweise, denn ge- rade eine schnelle Entschei- dung eines Einzelnen aus dem Bauch heraus hält sie für den Kardinalfehler im Umgang mit Forensik-Patienten. Den Patientinnen und Pa- tienten wird auch kommu- niziert, dass alle relevanten Informationen im Team wei- tergegeben werden. Nicht sämtliche Details aus der Einzeltherapie, aber das, was die anderen für ihre Arbeit wissen müssen. „Eine Locke- rung basiert immer auf einer Teamentscheidung und nur, wenn sich alle einig sind, er- folgt sie auch“, betont Kada. Auch an Nachsorgeeinrich- tungen werden mit Wissen und Einverständnis der Pati- enten die relevanten Informa- tionen weitergegeben. Reflexion muss man mögen Ein spezieller Typ Mensch, so Kada, müsse man nicht sein, um in der forensischen Psy- chiatrie erfolgreich zu arbei- ten. Wichtig sei die Erkennt- nis, dass man auch selbst jederzeit eine psychische Erk rankung bekommen kann und unter besonde- ren Umständen dann auch zu einer Straftat fähig ist. Zudem gehöre es zu dieser Form ärztlicher Arbeit un- abdingbar dazu, immer zwei Standpunkte einnehmen zu können: den ressourcenorien- tierten therapeutischen, aber auch den entgegengesetzten, destruktiven, um in der Pro- gnostik realistisch zu bleiben. Das Ausbalancieren dieser beiden Pole erfordere die Ge- samtsicht im Team. „Man muss für diesen Job teamfä- hig sein und kritikfähig. Und man muss es wirklich mögen, seinen Standpunkt ständig neu zu reflektieren.“ Ærzte Steiermark  || 02|2021 33 Auslöser Brunnenmarkt Die Einstellung der Gesell- schaft zur Unterbringung ge- fährlicher psychisch Kranker habe sich, so Kada, vor allem nach dem Mord am Wie- ner Brunnenmarkt im Mai 2016 verändert. Nun fordert die Bevölkerung eine stärkere Nutzung des Maßnahmen- vollzugs für mehr Sicherheit vor psychisch Kranken. Eine nie hundertprozentig zu erreichende Sicherheit, wie die Psychiaterin betont. Trotz bewährter Diagnostik und ausgefeilter Prognostik seien Straftaten manchmal nicht zu verhindern. „Da gibt es Forensik-Primaria Eva Kada: Der Bedarf ist stark gestiegen.

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