AERZTE Steiermark | Februar 2021
42 Ærzte Steiermark || 02|2021 angestellte Ärztinnen und ärzte ÄrztInnen in Ausbildung GEM/ EINSAM geben Einblick in ihren Alltag Illu: Adobe Stock Versäumnisse der Vergangen- heit lassen sich nicht mehr gutmachen, ganz klar: „Das heißt aber nicht, dass man nichts tun kann und alles weiter stur in die falsche Rich- tung laufen muss“, so Meister. Seine Forderungen: Sofort die Priorisierung ändern. Die Ärztinnen und Ärzte sowie ihre nichtärztlichen Kolle- ginnen und Kollegen müssten vor allen anderen geimpft werden. Dabei gehe es um deren Schutz genauso wie um den Schutz der Patientinnen und Patienten. Meister sagte aber auch: „Grundsätzlich müssen wir froh sein, dass es Impfstoffe gibt. Dass die Wirksamkeit unter Mutationen leidet, ist ein grundlegendes Problem. Das vermutlich auch dazu führen wird, dass das Virus nicht in den Griff zu bekom- men sein wird.“ Was aber nicht vom Tisch zu wischen sei, wäre das stümperhafte Vorgehen der Impfplanung. Wer das bis jetzt noch immer nicht verstanden habe, sollte sich auf eine Studienreise nach Israel oder Serbien be- geben. anderen Impfstoff bereitstel- len, als den, der ihm zur Verfügung stehe, und das sei eben in erster Linie der Vector-Impfstoff. Dieser Schaden ist nicht mehr wirklich gut zu machen. Na- türlich darf man Versäum- nisse der Vergangenheit trotzdem nicht unter den Tisch kehren: nämlich dass Europa europäisch (britisch- schwedisch) dachte und As- traZeneca forcierte. Dass in diese Entscheidung auch ös- terreichische Repräsentanten richtungsweisend einbezo- gen waren. Seitens der Bun- desregierung wurde nämlich der selbsternannte „Normen- geber“ Clemens Martin Auer ins höchste europäische Be- schaffungsgremium entsandt. Mit dem Ergebnis, dass auch die Bundesregierung mit Kanzler Kurz und Minister Anschober stark auf Astra- Zeneca setzten – und sich vertippt haben. Dass Wien es angeblich anders – und rich- tig – gesehen hat (dort wurde der mRNA-Impfstoff bevor- zugt), ist ein Faktum. Dass Länder wie die Steiermark brav auf der falschen Bundes- linie blieben, leider auch. Sexismus 2021 Der Sexismus ist vielen jungen Ärztinnen nur allzu gut be- kannt: Fragen nach Familienplanung beim Bewerbungsge- spräch (trotz Verbots), offizielle Ablehnungen („Das Problem ist, dass Sie eine Frau sind, und wir haben schon so viele Frauen in unserer Abteilung“) oder einfach plumpe Anmache („Für einen Blowjob zeige ich Ihnen diese OP“) Von mangeln- den Angeboten für weibliche Führungskräfte ganz zu schwei- gen. Beschwert man sich als Frau (im Jahr 2021!), ist man eine „Emanze“ oder man wird mit Aussagen wie „Heutzutage darf man ja auch gar nichts mehr!“ abgefertigt. Sexismus wird aber nicht durch die Intention bestimmt, sondern durch das Resul- tat, denn Ignoranz und Unverständnis sind sehr viel häufiger Gründe für Sexismus als echte Böswilligkeit. Frauen scheinen ein Ablaufdatum zu haben. Mit Anfang bis Mitte 30 stellt sich die Frage, wofür die Buchstaben „FA“ stehen – Facharzt oder Familie? Beides zusammen scheint in vielen Abteilungen immer noch undenkbar. Zumindest für Assis tenzärztinnen. Kinder kriegen aber weibliche wie männliche Ärzte gleich häufig. Nur ist ein Mann, der in Karenz geht, ein „cooler Papa“, eine Frau entscheidet sich gegen die Karriere. Vor allem in der Chirurgie lässt man das junge Frauen spüren, denn nach der Karenzzeit ist die Wahrscheinlichkeit höher, selbst einen Ileus zu erleiden, als ihn operieren zu dürfen. Zu allem Überdruss gibt es dann noch versteckten Sexismus, der oft besonders gemein sein kann, da er ganz unterschwellig passiert. Dass der Chef bei seinen Vorträgen nur männliche Kollegen darum bittet, den Beamer einzuschalten oder die Po- werpointpräsentation zu starten. Dass man als junge Ärztin immer wieder als „Schwester“ angesprochen und betitelt wird, sogar wenn man sich als Ärztin vorgestellt hat, löst bei vielen eine unterschwellige Wut aus. Statistisch gesehen wird die Medizin zunehmend weiblich. Das ist ein Faktum, dem sich auch die honorigen alten Herren in den derzeitigen Führungsetagen bald nicht mehr entziehen werden können. Noch müssen Frauen doppelt so hart arbei- ten, um in den männlich geprägten Hierarchien aufsteigen zu können. Ich bin fest davon überzeugt, dass jede Genera- tion Frauen in der Medizin diesen Prozess um einen kleinen Schritt erleichern wird, bis wir es endlich zu einer längst überfälligen Gleichberechtigung geschafft haben. Hoffentlich werden wir dieses Ziel vor dem Jahr 2050 erreichen. GEM/EINSAM – schreiben steirische Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung über ihren Alltag im Beruf, im Leben und ihren Weg von „wilden Jungen“ zu „alten Profis“. „Grundsätzlich müssen wir froh sein, dass es Impfstoffe gibt. Dass die Wirksamkeit unter Mutationen leidet, ist ein grundlegendes Problem.“ Eiko Meister
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