AERZTE Steiermark | Mai 2021

42 Ærzte Steiermark || 05|2021 angestellte Ärztinnen und ärzte ÄrztInnen in Ausbildung GEM/ EINSAM geben Einblick in ihren Alltag Illu: Adobe Stock, Foto: Schiffer unzureichend, aber vielleicht auch praktisch gar nicht, aus- gebildet werden konnten. Die Politikerinnen und Po- litiker, die heute diese Ver- schlechterung der Ausbildung zu verantworten hätten, wä- ren dann aber gar nicht mehr in der Funktion und müssten daher die Suppe nicht mehr auslöffeln, die sie eingebrockt haben. Ähnlich sieht es auch bei der Führung der Ärzteliste aus: Hier wird derzeit pe- nibel geprüft, ob vor allem ausländische Ärztinnen und Ärzte die Bedingungen für eine Tätigkeit in Österreich erfüllen. Oft genug wird über Interventionen gemunkelt, diese Genehmigungen zu be- schleunigen. Aber: Die prü- fenden Stellen schauen derzeit bei ausländischen Univer- sitäten und Behörden nach, ob die in Frage kommenden Personen tatsächlich die Vo- raussetzungen erfüllen und den Qualitätsstandards ent- sprechen. Auch hier wäre eine Aufweichung zu befürchten. Die Sorge um eine Qualitäts- verschlechterung ist also groß, die politische Lust, diese in Kauf zu nehmen, könnte es auch sein … Einfluss auf die Ausbildung der jungen Kolleginnen und Kollegen bekommt. Eine rein theoret ische Auslagerung, also zum Beispiel eine ‚Aus- bildungsfirma‘ im Eigentum der öffentlichen Hand, reicht dafür sicher nicht aus.“ Denn „praktisch“ würde dann ein Anruf bei den operativ of- fiziell Zuständigen reichen, damit der politische Wunsch nach mehr, aber schlechten Ausbi ldungsstel len erfül lt wird.“ So funktioniere leider Österreich. „Eine schlechte Ausbildung ist weder den Ärztinnen und Ärzten noch den Patientinnen und Patienten zuzumuten“, warnt auch der steirische Ärz- tekammerpräsident Herwig Lindner. Erstere hätten sich eine Ausbildung in internati- onal vergleichbarer Qualität verdient, um zum Beispiel auch in Deutschland arbei- ten zu können, wenn sie das wollen. Zweitere hätten den Anspruch auf gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte. Das Fatale: Diese Ausbildungs- mängel würden vermutlich erst in einigen Jahren dramatisch sichtbar, wenn die heutigen Assistenzärztinnen und -ärzte Dinge verantwortlich tun müs- sen, für die sie zumindest nur Verlust an Menschlichkeit AmAnfang meiner Karriere bin ich als toleranter Mensch in meine Ausbildung gestartet. Aber: Im Krankenhaus wirke ich dadurch verweichlicht. Noch dazu bin ich mit einem „XX“-Chromosomen- paar ausgestattet, grundsätzlich Garant für geschlechtsübergreifen- de „Diskussionen“. Die meisten Frauen kennen das ja bereits aus der Kindheit, und ich muss leider sagen, dass sich das Niveau seit meiner Kindergartenzeit nicht wesentlich verbessert hat. Die „Frontschauplätze“ im Spital sind vielfältig: Während der Ausbildung kommt fast garantiert ein Disput innerhalb der As- sistentencharge auf die Ausbildungskandidaten zu. Die Zeit der Facharztausbildung ist zumindest geprägt von Ellbogentechnik bis hin zu gröbsten Denunzierungen. Am Anfang glaubt man, sich dem zu entziehen können. Im Lauf der Jahre habe ich aller- dings festgestellt, dass jeder von uns einen gewissen Punkt erlebt, wo der Frust sogar die Stärksten von uns nachhaltig verändert. Außerhalb der ureigenen Reihen gibt es natürlich den Kampf der Fachdisziplinen. Ganz viele Kolleginnen und Kollegen rollen au- tomatisch mit den Augen, wenn sie vom fachübergreifenden Kon- takt mit der Kollegenschaft erzählen. Da rücken die fachinternen Machtkämpfe sofort in den Hintergrund, weil die anderen Fächer sind ja noch schrecklicher. Psychiater etwa sind eher als medi- zinische Randdisziplin klassifiziert, weil „Reden“ ja per se kein richtiges Instrument ist. Mit Chirurgen kann man über Skalpelle und Schrauben reden, aber darüber hinaus sind Fachgespräche nicht empfehlenswert. Internisten sind „Tablettenschupfer“, die vor allem mit stundenlangen „Stehvisiten“ punkten wollen. Aber: Eigentlich ist jeder von uns froh, wenn die Kollegen sich erbarmen und Patienten mit akuten Frakturen oder psychotischen Zustän- de übernehmen. Richtig hart präsentiert sich der Konflikt der Spitals-​ärzte gegen die Kolleginnen und Kollegen in der Nieder- lassung. Egal welche hässlichen Konflikte im Krankenhaus toben - da wird dann doch zusammengehalten. Den Allgemeinmedi- zinern unterstellt man, Diagnosen so „auszuschmücken“, dass es dann doch für eine Klinikeinweisung reicht, weil sie sich sowieso nicht auskennen und nur den Rezeptblock gut bedienen können. Im Gegenzug schicken die Kliniker alle Patienten, die sich nicht wehren können und nicht offensichtlich „sterbensgrau“ sind, nach Hause mit der höflichen Bitte um Weiterbetreuung durch den Hausarzt. Das große Dilemma scheint einfach zu sein: Die Wenigsten von uns sind asoziale Menschen. ABER wenn wir tolerant sind, verlieren wir im System- zunächst in der Charge, dann in der Abteilung und letztendlich im System. Aber der größte Verlust ist sicher der, den wir persönlich erleiden: der Verlust an Menschlichkeit. GEM/EINSAM – schreiben steirische Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung über ihren Alltag im Beruf, im Leben und ihren Weg von „wilden Jungen“ zu „alten Profis“. „Eine schlechte Ausbildung ist weder den Ärztinnen und Ärzten, noch den Patientinnen und Patienten zuzumuten.“ Herwig Lindner

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