AERZTE Steiermark | Mai 2021

Bereich Ærzte Steiermark || 05|2021 7 Es ist nur ein Beispiel, aber ein wichtiges: Plötzlich war Long Co- vid nicht nur ein Thema für Fachleute sowie einige der Betrof- fenen. Es war in aller Munde. Daher muss etwas geschehen. Nur: Statt gemeinsam mit den Fachleuten zügig ein nachhal- tiges Angebot zu entwickeln, wurde eine leider nur naheliegend wirkende Scheinlösung produziert: Notfallambulanzen als An- laufstellen für Menschen, die langfristig medizinische Zuwen- dung und Hilfe brauchen. Der wenig überraschende Effekt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Ambulanzen wehren sich verständlicherweise gegen die zusätzlichen Belastungen, die Be- troffenen stürmen die angeblich richtigen Anlaufstellen und sind natürlich enttäuscht, wenn sie dort nicht mit offenen Armen emp- fangen werden. So bitte, geht Versorgungspolitik daneben. Dabei wäre es ganz ein- fach, es für alle Beteiligten gut und richtig zu machen: Dass von Long Covid Betroffene chronisch Kranke sind, sagt schon der Name „Long“ Covid. Also sind Notfallambulanzen, die in kurzer Zeit schwere Akutfälle zu behandeln haben, nicht die richtige Anlaufstelle. Es braucht nachhaltig wirkende Strukturen, die es in anderen Bereichen ja bereits gibt: für Diabetiker, für die von Bluthoch- druck betroffenen etwa; für die bestehen Disease-Management- Programme, die eine dauerhafte Betreuung sicherstellen. Da müssen alle, die inhaltlich, strukturell und finanziell Beiträge leisten können und sollen, einbezogen sein. Aber: Das Rad muss keineswegs neu erfunden werden. So macht man vielleicht nicht die Schlagzeile von heute oder morgen, aber man macht Nägel mit Köpfen, vermeidet Irritati- onen und Enttäuschungen. Zügigkeit ist notwendig, aber zu hohe Geschwindigkeit tötet – jedenfalls die Vernunft, manchmal aber sogar Menschen. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. In „Sonntagsreden“, die auch unter der Woche statt- finden können, wird gerne die „Attraktivierung der Kassenmedizin“ beschworen, um den Kassenärzte­ mangel zu beheben und die ärztliche Versorgung der Bevölkerung, vor allem am so genannten Land, zu wahren. In der Realität ist es anders: Im Bezirk Murau droht einer ärztlichen Hausapotheke das un- mittelbare Aus, einer weiteren mittelfristig. Eine Arztstelle könnte wegfallen. Ärztliche Hausa- potheken dürfen seit Anfang April kostenfreie Antigentests für Asymptomatische anbieten. Öffentliche Apotheken aber schon seit Februar. Und Ärztinnen und Ärzte ohne Hausapotheke überhaupt nicht. Obwohl die Testkapazitäten am Limit sind und der Bedarf mit dem Ende dieses Lockdowns weiter steigen wird. In Wirklichkeit wird also die ärztliche Versor- gung überhaupt nicht attraktiviert. Zumindest dann nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Es wird nur über Attraktivierung geplaudertt, während an vielen Stellen das Gegenteil passiert. Beim Impfen wird in der Steiermark zwar weit mehr auf die Ärztinnen und Ärzte zugegangen als in anderen Bundesländern und Staaten. Dafür müssen sie aber ein bisschen brav sein und sollen ja nicht aufmucken … Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben in der Corona-Krise bewiesen, was sie können. Obwohl es ihnen nicht leicht gemacht wurde und immer noch nicht leicht gemacht wird. Sie be- weisen tagtäglich ihre Geduld und sorgen dafür, dass die Compliance der Bevölkerung so stabil wie möglich bleibt. Es wird Zeit, dass ihnen nicht nur die Bevölke- rung, sondern auch die Politik vertraut. Selbst dann, wenn sie nicht so brav sind wie erwünscht und wenn sie mit Recht aufmucken. Und zwar nicht erst dann, wenn der Hut brennt. Vizepräsident Dr. Christoph Schweighofer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. extra Christoph Schweighofer Über Attraktivierung nicht nur reden Standortbestimmung Herwig Lindner Nägel mit Köpfen machen – Nur Nachhaltigkeit hilft d batte Fotos: Johanna Wanda, Oliver Wolf, Elke Meister, Schiffer, Grafik: Konrad Lindner

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