AERZTE Steiermark | Juni 2021

12 Ærzte Steiermark || 06|2021 Foto: beigestellt Cover Erkrankung noch heute als psychisch ab, sie wird von vielen in ihrer Schwere nicht ansatzweise anerkannt.“ Wyk auf Föhr: Rehabilitation mit Nachsorge Als am 16. März 2020 die Nordseei nse l Föhr f ür N i c h t b e w o h n e r * i n n e n komplett geschlossen wur- de, stand die Nordseeklinik Westfalen, spezialisiert auf Rehabilitation bei Lungener- krankungen, vor einem Pro- blem: Es durfte zwar gearbei- tet werden, aber kein Kurgast mehr anreisen. In regem Aus- tausch mit der onkologisch orientierten Schwesternklinik auf der Insel sowie internatio- nalen Expert*innen wie dem damaligen Leiter einer eu- ropäisch-US-amerikanischen COVID-19-Task-Force, dem niederländischen Rehabilita- tionsexperten Martijn Spruit, begann man sofort, das bis- herige Lungen-orient ierte Reha-Konzept an die zu er- wartenden Patient*innen an- zupassen, erzählt Klinikleiter Ralf Jochheim. Mit dem Verlauf der Pan- demie lernte das Team der Rehaklinik dazu und erar- beitete neben dem Fokus auf die Lunge vor allem auch psy- chologische Unterstützung wie Resilienztraining und ein Übungsprogramm für den ol- faktorisch-gustatorischen Be- reich. „Mitte April hatten wir ein erstes Konzept mit Fokus auf Ernährung, Atemwegs- therapie und Physiotherapie, das wir unserem Hauptbe- leger vorgeschlagen haben“, erzählt Jochheim. Noch bevor es das Wort „Long COVID“ gab, kamen die ersten Be- troffenen ins Haus, rund 70 Prozent mit Riech- und Schmeckstörungen. Deshalb wurde das Programm, das heute unter der Marke CO- RONACH® praktiziert wird, entsprechend erweitert. Unerwartete Vollbremsung In einem Punkt unterschei- den sich die Long-COVID- Patient*innen von Asthma- und COPD-Patient*innen: „Wer mit Asthma oder COPD zu uns kommt, hat sich meist jahrelang mit seiner Erkran- kung beschäftigt und lebt mit seinen Einschränkungen. Die Menschen mit Long COVID hingegen haben mitten im Leben eine Vollbremsung er- fahren. Die überfordern sich gerne selbst. In der ersten Woche müssen wir ihnen Ent- spannungstechniken ebenso beibringen wie die Fähigkeit, kleine Erfolge zu feiern.“ Auf sehr positive Resonanz, so Jochheim, stößt der Erfah- rungsaustausch in der Gruppe. Gemeinsam mit der Universi- tätsklinik Lübeck beobachtet seine Klinik auch die Nach- haltigkeit von CORONACH®. Jede/r einzelne Patient*in wird noch sechs Wochen nach Abschluss der Reha weiterbetreut, führt ihr/sein Erfolgstagebuch und kann sich in Krisensituationen an die Klinik wenden. Eine Sor- tierung nach Symptomatik in pneumologische, neurolo- gische und psychosomatische Rehabilitation hält Jochheim für wichtig und betont, dass sein Programm sich speziell an Menschen mit Lungen- problemen richtet. Trotz die- ser Spezialisierung könnte er derzeit sein 120-Betten-Haus locker vier- bis fünfmal bele- gen, so groß ist die Nachfrage. 5 Millionen für Forschung Last but not least bleibt zu erwähnen, dass die deutsche Bundesforschungsministe- rin Anja Karliczek Ende Mai bekanntgegeben hat, For- schungsvorhaben zumThema COVID-19-Spätsymptome mit rund fünf Millionen Euro zu fördern. Das Geld soll dabei helfen, die Ursachen wie Therapiemöglichkeiten für Long COVID zu erfor- schen und den weiteren For- schungsbedarf auszuloten. Geschwächt und doch aktiv: Was Betroffene einbringen Der Dialog ist das Um und Auf in der Betreuung von Men- schen mit Long COVID: Be- troffene wissen am besten über ihr Erleben Bescheid, Ärz- tinnen und Ärzte sind die Expert*innen für die einzelnen Symptome. Im Austausch ge- winnen sie neue Erkenntnisse. Der Gesprächstermin beim damaligen Gesundheitsmi- nister Rudolf Anschober war für Maarte Preller, Gründerin der Selbsthilfegruppe Long COVID Austria, ein Mei- lenstein. Endlich konnte sie einem Entscheidungsträger nahebringen, was Long CO- VID für Betroffene bedeutet und welche medizinischen Versorgungsstrukturen sie benötigen. Was sich die We- nigsten vorstellen können: Nach dem Termin in Wien kam Preller mehrere Tage kaum vom Sofa hoch, so er- schöpft war sie. „Für uns ist es wichtig, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Long Covid eine Fülle von Erscheinungsformen zeigt.“ Maarte Preller, Gründerin der Selbsthilfegruppe Long- COVID-Austria

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