AERZTE Steiermark | Juli/August 2021
Foto: DIE KRAFT DER NIEDERGELASSENEN ÄRZTINNEN UND ÄRZTE 32 ÆRZTE Steiermark || 07/08|2021 Was ist die besondere Quali- tät der niedergelassenen Ärz- tinnen und Ärzte? Die Nähe zu den Pat ien- tinnen und Patienten und damit verbunden die ge- naue Kenntnis deren Le- bens ist der Hauptgrund für die Wertschätzung, die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte genießen. Zentren und Ambulanzen sind für die okay, denen Anonymi- tät keine Probleme bereitet. Noch eines: Die Patientin, den Patienten zu kennen, heißt in der Regel, auch ohne zeitaufwendige Dokumenta- tion zu wissen, was sie oder er braucht. Das macht die medizinische Versorgung persönlicher, wirkungsvoller und kostengünstiger. Warum ist das Interesse von Ärztinnen und Ärzten an Kassenstellen in den letzten Jahren offenbar gesunken? Zumindest in manchen Be- reichen ziehen viele Patien- tinnen und Patienten Wahl- ärztinnen und Wahlärzte vor. Die teils berechtigte, teils unberecht igte Skepsis ge- genüber der Kassenmedizin geht ja vielfach von den Pa- tientinnen und Patienten aus. Mehr Zeit, keine Einschrän- kungen bei den Leistungen sind da wohl die wichtigsten Motive. Auf diese Wünsche reagieren die Ärztinnen und Ärzte natürlich. ten. Hier wäre mehr Flexibi- lität wichtig, um den Wün- schen der Ärztinnen und Ärzte rasch gerecht werden zu können. Das betrifft auch die Zusammenarbeit zwischen Allgemeinmedizin und Fach- ärztinnen und Fachärzten. Aber natürlich hat auch die klassische Einzelpraxis weiter ihre Berechtigung. Und eines darf nie vergessen werden: Die so genannten Primärver- sorgungseinheiten sind keine Ergänzung zu Kassenpraxen. Nur wenn Einzelplanstellen aufgegeben werden, sind Kas- sen-Gruppenpraxen möglich. Wie war das Corona-Jahr 2020 für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte? Durchwachsen. Aber – und das muss betont werden – die Ärztinnen und Ärzte waren immer da, auch wenn ein Teil der Patientinnen und Pati- enten ausgeblieben ist. Das wurde auch zu wenig gewür- digt. Das war ein Versäumnis der Gesundheitsverwaltung und der Gesundheitspolitik. Was muss geschehen, um das Interesse wieder zu heben? Es ist nicht bei allen Fächern gleich. Aber zumindest bei einigen sind die Honorare sehr gering, was naturgemäß zu Ablehnung führt. Reagiert wird leider viel zu oft erst, wenn der Hut brennt. Also, die Honorare zeitgerecht er- höhen, den Leistungskatalog up to date halten und die Bürokratie auf das Notwen- digste reduzieren, sind die wichtigsten Maßnahmen. Den Ärztinnen und Ärzten wird immer wieder vorge- worfen, sie seien Gegner von Primärversorgungeinheiten. Stimmt das? Nein, das stimmt nicht. Alle Zusammenarbeitsformen, die von den Ärztinnen und Ärzte gewollt werden, sind okay. Nur dürfen sie nicht von oben angeordnet werden, das funk- tioniert nicht. Es gibt vielfäl- tige Bedürfnisse, von der klas- sischen Gruppenpraxis bis zur Anstellung. Dazwischen liegen noch zahlreiche Facet- Ich kenne wenige, die klar gesagt haben, wie großartig die Leistungen der nieder- gelassenen Ärztinnen und Ärzte auch in dieser Zeit wa- ren. Dass das nicht öfter und lauter gesagt wurde, war ein schwerer Fehler. Wie frei ist der freie Beruf Ärztin/Arzt noch? Das frage ich mich auch oft. Die Bürokratie ist einschnü- rend. Ein System, das glaubt, immer stärker in die Bezie- hung zwischen Ärztin, Arzt und Patientin, Patient ein- greifen zu müssen, schränkt die Freiheit über Gebühr ein. Vor allem, wenn diese Ein- griffe von Leuten kommen, die von dieser persönlichen Beziehung wenig Ahnung haben. Politikerinnen und Politiker reden oft nicht allzu freund- lich über niedergelassene Ärz- tinnen und Ärzte. Zurecht? Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind nicht bequem und schlecht steuerbar. Sie stehen an der Seite ihrer Pa- tientinnen und Patienten. Sie ergreifen für sie das Wort, wenn diese das schlecht kön- nen. Das macht sie unbere- chenbar. Politikerinnen und Politiker – aber auch Personen aus der Verwaltung – wollen eher willfährige Partner, die zu allem Ja und Amen sagen, auch wenn sie wissen, dass es „Das können wir nicht, das wollen wir nicht, das dürfen wir nicht“ Was macht die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aus? Ihr Obmann, Ärztekammer-Vizepräsident Christoph Schweighofer, im Gespräch. „Die Ärztinnen und Ärzte waren immer da, auch wenn ein Teil der Patientinnen und Patienten ausgeblieben ist.“ Christoph Schweighofer
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