AERZTE Steiermark | Juli/August 2021

STUDIE Die Angst der Jungen Anhand der Values in Crisis Studie (VIC) lässt sich nachvollziehen, wie sich die Ängste der Österreicher*innen vor einer COVID-19-Erkrankung und vor wirtschaftlichen Einbußen innerhalb eines Jahres verändert haben. Dringend eine Impfung mit Optimismus benötigen die Jungen. Jugend ohne Perspektive: Während zunächst der Schutz der älteren Bevölkerung in den Überlegungen zur Be- wältigung der Corona-Krise oberste Priorität hatte, hat parallel dazu die junge Gene- ration viel Hoffnung verloren. Große oder ziemlich große Angst, selbst schwer am neuen Virus zu erkranken oder im nahen Umfeld eine schwere Corona-Erkrankung zu erle- ben – davor haben sich in der ersten Erhebung der VIC-Stu- die im Mai 2020 13,9 Prozent der Unter-20-Jährigen gefürch- tet. In der zweiten Befragung imMärz 2021 war der Wert auf 30,6 Prozent gestiegen. Die ganz Jungen – be- fragt wurde ab einem Al- ter von 14 Jahren – sind es auch, die enorme Ängste davor entwickelt haben, in Zukunft die wirtschaftlichen Altlasten der Krise tragen zu müssen. Hatten zu Beginn der Pandemie nur 5,6 Prozent der Unter-20-Jährigen große oder ziemlich große Angst davor, in Zukunft einen wirtschaftli- chen Einbruch zu erleiden, wa- ren es heuer im März bereits 27,8 Prozent. Auch von den 30–39-Jährigen hegen über 37 Prozent diese Befürchtung. 3 Erhebungswellen Die VIC-Studie, die drei Er- hebungswellen annähernd im Jahresabstand umfasst bezie- am g e - r i n g s t e n von allen 17 Län- dern: Auf e i n e r S k a l a von 1 bis 5 (je hö- her, desto g r ö ß e r e A n g s t ) l a g d e r Angstfaktor hierzulan- de bei 2,50 (Gesundheit) und 2,80 (Wirtschaft) und so- mit an unterster Stelle. Der Durchschnitt lag bei 3,64 beziehungsweise 3,78; die Höchstwerte erreichten die Malediven mit 4,25 und 4,31. Schwache Solidarität Üblicherweise werden in der über Jahre laufenden VIC- Studie Grundwerte wie Kon- formität, Altruismus oder Hedonismus erhoben, der Corona-bezogene Fragenka- talog kam nur dazu. Erste Aussagen darüber, wie sich diese Grundwerte durch die Pandemie verändert ha- ben, sind bereits möglich. Da- hungsweise umfassen wird, läuft weltweit parallel in 17 Ländern (sieben davon in Europa). Nach Mög l ichkei t wer- den jewei l s dieselben P r ob a nd* i n ne n b e - fragt . Von den 2018 Österreicher*innen der ersten Befragung konnten 1222 auch beim zweiten Mal mit einbezogen werden, wei- tere 860 Proband*innen wur- den für die zweite Runde neu rekrutiert. Den österreichi- schen Part der VIC-Studie deckt das Team des Sozialen Survey Österreich ab, eine Ko- operation zwischen den Sozi- ologie-Abteilungen der Uni- versitäten Salzburg, Graz und Linz, wobei das Methoden- team der Uni Salzburg d e n Haup t t e i l üb e r - nimmt. Die Initiative für die internationale Wertestudie ging vom deutschen Politik- wissenschafter und Vizeprä- sidenten des World Value Survey Christian Welzel aus. Meister der Sorglosigkeit Im internationalen Vergleich (der vorerst nur für die erste Erhebungswelle möglich ist), f ielen die österreichischen Befragten noch durch ein Höchstmaß an Sorglosigkeit auf. Die Gefahrenwahrneh- mung sowohl im Bereich Ge- sundheit als auch im Bereich Wirtschaft war in Österreich bei zeigt sich, dass der schon seit der Finanzk r i se im Jahr 2008 zu spü- rende Trend zu konservativen Werten weiterhin andauert. Während Unabhängigkeit und Hedonismus an B e d e u t u n g v e r - l i e r e n , steht Konfor- mität als Basiswert auf festen Säulen. Die viel beschworene erhöhte Soli- darität in der Krise lässt sich anhand der VIC-Befragung nicht nachweisen: Haben im Mai 2020 noch gut 40 Prozent in der Begegnung mit ihren Mitmenschen vorwiegend Solidarität erlebt und nur 12,5 Prozent Feindseligkeit, veränderten sich die Werte innerhalb eines Jahres zu 18,3 Prozent Solidarität und 27,4 Feindseligkeit. Der dritte Teil der Umfrage, der 2022 stattfinden soll, war ursprünglich als abschlie- ßende Befragung nach Über- windung der tiefgreifenden ökonomischen Folgen der Krise konzipiert. Das Studiendesign stammt aus der Zeit vor der Delta- Mutation. Illu: Shutterstock 38 ÆRZTE Steiermark || 07/08|2021

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