AERZTE Steiermark | September 2021

ÆRZTE Steiermark || 09|2021 27 TRANSPLANTATIONSMEDIZIN plantation oft ebenso hohe Einsparungen gegenüber. Eine Nierentransplantation beispielsweise amort isiert sich rein monetär gesehen bereits im Laufe weniger Jah- re – durch Wegfall der Dia- lyse. „Noch viel wesentlicher ist aber der Zugewinn an Lebensqualität. Und der Zu- gewinn an Lebenszeit. Man darf nicht vergessen, dass die Überlebensrate unter Dialyse vergleichbar ist mit jener bei Bauchspeicheldrüsenkrebs“, betont Schemmer. „Die Di- alyse ist ein Killer, aber in der Überbrückung bis zur Transplantation sowie für Patientinnen und Patienten, die keiner Operation zuge- führt werden können, alter- nativlos.“ Hoffnungsträger Maschinenperfusion Der derzeit größte Kosten- treiber im Transplantations- wesen, die Maschinenper- fusion, ist gleichzeitig der größte Innovationspool und Hoffnungsträger für zukünf- tige Anwendungen. Maschi- nen, in denen bereits ex- plantierte Organe bei unter- schiedlichen Temperaturen mit Blut, blutähnlichen oder zellfreien Lösungen durch- spült werden (im Gegensatz zur kalten Ischämie, „Leber auf Eis“), erhöhen nicht nur die Haltbarkeitsdauer der entnommenen Organe. Sie ermöglichen auch längere Transportwege und ein Mo- nitoring der Organfunktion während der Perfusion in der Maschine. Hieraus ergibt sich die potentielle Eignung zur Transplantation mit erhöhter Patient*innensicherheit. Explantierte Lungen werden beatmet und durchspült, aber auch durch Schleimabsau- gen und Austrocknen von Flüssigkeitseinlagerungen qualitativ verbessert. In der Zukunft werde, so Schem- mer, auch eine extrakorporale Therapie eines perfundierten Organs möglich sein, wo- durch sich die Anzahl poten- tiell transplantabler Organe erhöhen wird. „Im Bereich der Maschinenperfusion läuft derzeit eine Vielzahl an For- schungsprojekten – auch in Graz –, deren Fokus weit über die reine Transplantation hi- nausreicht und die sich inten- siv mit möglichen Therapien geschädigter Organe ausein- andersetzen.“ So ist etwa eine extrakorporale Chemothe- rapie und/oder chirurgische Tumorentfernung angedacht, sobald Organe über Wochen perfundiert werden können. In 20 Jahren, schätzt Schem- mer, könnte eine derartige extrakorporale Krebstherapie durchaus bereits etabliert sein. Entwicklung in der Pandemie Die Zukunft des Transplan- tationswesens sieht Schem- mer in sogenannten „Organ Hubs“, in denen in einem Zentrum Organe über Wo- chen bis Monate „am Le- ben erhalten“ werden können, gleichzeitig wenn nötig the- rapiert, und zum passenden Zeitpunkt implantiert. Trotz ungelöster Finanzierungsfra- gen, betont er, komme es in Österreich nicht vor, dass eine medizinisch mögliche Or- gantransplantation aufgrund mangelnder finanzieller Res- sourcen nicht durchgeführt werde. Zu Rückgängen hat jedoch die Pandemie geführt: Einen Einbruch verzeichne- ten vor al lem die Nieren- transplantationen – wohl weil hier durch die Dialyse eine zeitliche Überbrückung mög- lich ist und die Pandemie zunächst als eher kurzfristige Unterbrechung angesehen wurde. Die Lebertransplan- tationen liefen in Graz wei- ter (Herztransplantationen werden ja vor der definitiven Neubesetzung des Lehrstuhls für Herzchirurgie derzeit kei- ne durchgeführt), wobei sich die vier hyperbar zu betrei- benden Zimmer mit Schleu- sensystem auch in puncto Infektionsschutz bewährt ha- ben. Aus Vorsicht wurden die Patient*innen jedoch rascher entlassen und via virtueller Sprechstunde nachbetreut. Routinekontrol len wurden wohnortnah von den Nie- dergelassenen durchgeführt; eine Vorgehensweise, die sich durchaus bewährt hat. „Wir sind durch den Notstand in unserer Entwicklung voran- gekommen“, betont Schem- mer. „Never let go a good crisis to waste!“, zitiert er Winston Churchill. Auch der heurige Austro- transplant-Kongress vom 20. bis 22. Oktober wird in der Steiermark stattf inden: in Spielberg. Assoziationen mit der Formel 1 sind durchaus erwünscht. Columbus und die Transplantationsmedizin „Wenn Christoph Columbus die Kosten und Risiken seiner Entdeckungsfahrten hätte exakt kalkulieren müs- sen, wäre Amerika wohl niemals entdeckt worden.“ Mit diesem Zitat des einstigen deutschen Radrennfahrers Willy Meurer leitete Birgit Priebe, stellvertretende Abtei- lungsleiterin der ÖBIG-Transplant, ihr Referat am Trans- plantationssymposium ein. Neben den Hard Facts, dem Punktesystem für die Vergütung von Organtransplanta- tionen, erklärte sie, was aus ihrer Sicht Transplantations- medizin kosten müsse: Den Willen jedes Einzelnen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, den Pioniergeist, Neues zu wagen sowie die Bereitschaft, das Thema voran- zubringen und zu verbreiten. Für die Steigerung der Awareness gibt es in Österreich sowohl in der Ärzteschaft als auch in der Pflege speziell ausgebildete Referent*innen. Diese müssten nicht nur, so Priebe, einen Organspender erkennen. Gefragt sei zudem deren Bereitschaft zu Gesprächen mit Angehörigen, zur aktiven Teilhabe an Explantationen und zur Lösung auf- tretender Konflikte (wie in einem so sensiblen Bereich zu erwarten) sowie das Einverständnis, jederzeit erreichbar zu sein. Nicht zuletzt brauche es aber den politischen Willen, den Bereich Transplantationsmedizin zu unter- stützen und zu fördern. In Österreich wird die Be- treuung von Organspen­ der*innen in der Kranken- hausfinan- zierung nicht gesondert abgegolten. Stattdessen gibt es Förderungen der GÖG- Tochter ÖBIG- Transplant.

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