AERZTE Steiermark | September 2021
38 ÆRZTE Steiermark || 09|2021 ANGESTELLTE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE ÄrztInnen in Ausbildung GEM/ EINSAM geben Einblick in ihren Alltag Illu: Adobe Stock, Foto: Schiffer migungsverfahren damit zur „Beschäftigungstherapie“ für die Abteilungen und Häuser wird, dass Ausbi ldungska- pazitäten (Stichwort: Aus- bi ldungsoberärztInnen) so leichter knapp gehalten wer- den können und dass die Belastung der ärztlichen Mit- arbeiterinnen auf diese Weise extrem hoch ist, sind Kol- lateralschäden, die offenbar hingenommen werden. Jetzt noch of fensicht l ich, wenn die Länder die volle Kontrolle über die Ausbil- dungsstät tengenehmigung bekommen, aber ohne öffent- liche Kontrolle. sieht er auch einen Grund dafür, dass die Bundesländer, die Zuständigkeit für die Aus- bildungsstättengenehmigung an sich ziehen wollen. „Kein Bundesland will sich verglei- chen müssen – wenn es keine österreichweit vergleichbaren Zahlen gibt, dann haben die Länder, die Intransparenz, die sie sich wünschen“, sagt Meister. Nichtbesetzung spart Geld Nur einen oft sehr kleinen Teil der genehmigten Stellen tatsächlich zu besetzen, spart natürlich Gehälter. Dass die Durchführung der Geneh- Zweieinhalb Klassen Sommerzeit heißt heuer für mich Krankheitszeit. Während an- dere in den Süden fahren, verbringe ich meine Zeit damit, durch die Ambulanzen des Landeskrankenhauses zu gondeln. Der Versuch, mit konservativen Therapieoptionen bzw. auch mit hartnäckigem Zuwarten eine Operation abzuwenden, beschert mir die Möglichkeit, einmal die andere Seite der Medizin ken- nenzulernen. Als brennende Gegnerin der Zweiklassenmedizin bitte ich die Sekretärin bei der Anmeldung meinen Titel weg- zulassen. Ich möchte die Erfahrung quasi „pur“ erleben – ohne meine Zusatzversicherung oder den Kollegenbonus zu nützen. Nach ungefähr drei Stunden stelle ich fest, dass es drei Gruppen von Wartenden gibt: die Akutpatienten, die klassischen Ambu- lanzsitzer und mich. Die routinierten Ambulanzpatienten sind im Gegensatz zu mir deutlich besser ausgestattet: Es gibt große Wasserflaschen und Snacks. Nahezu alle spielen mit dem Han- dy und manchen ist es völlig gleichgültig, ob sie die ohnehin schon genervte Atmosphäre mit ihrem Handygebimmel noch zusätzlich belasten. Und dann gibt es noch mich: Ich habe mich leider auf das Literaturangebot der Ambulanz verlassen und muss feststellen, dass die wenigen Zeitungen von einer Dame zu einem improvisierten Kopfpolster zusammengetürmt wur- den. Mangels Spieleapps bleibt mir zum Zeitvertreib nur, mei- nen schleichenden Verfall mittels Kamera zu dokumentieren und das ohne Blitz, weil dafür der Akku nicht mehr reicht. Der erste Termin hat geschlagene sechs Stunden in Anspruch ge- nommen. Dank engmaschiger Kontrollen bin ich alle drei Tage wiederbestellt. Nach dem zweiten Termin oute ich mich als Kollegin und ich habe den Eindruck, dass sich die Kollegen red- lich bemühen, mich möglichst schnell abzuwickeln. Allerdings brauche ich jedes Mal eine Laborkontrolle und wir alle wissen, das Labor ist der limitierende Faktor, auf den niemand einen Einfluss hat. Also warte ich weiter ... Während des 4. Termins kristallisieren sich für mich zwei Möglichkeiten heraus: entwe- der ich schlage mit der Campingausrüstung meine Zelte in der Ambulanz auf, bis die Sache ausgestanden ist, oder ich wähle die operative Sanierung. Zermürbt und gut dokumentiert ver- fallen, gebe ich das Projekt „Ambulanz pur“ auf und entscheide mich für die operative Sanierung in einer Privatklinik. Beim Termin für das Vorgespräch kommt es am Anmeldeschalter erneut zur Frage: „Titel?“ und ich antwortete geschlagen „Dr. med. univ.“ in der Hoffnung, dass die inoffizielle „halbe Klasse“ mir einen kleinen Bonus bringt. GEM/EINSAM – schreiben steirische Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung über ihren Alltag im Beruf, im Leben und ihren Weg von „wilden Jungen“ zu „alten Profis“. „Kein Bundesland will sich vergleichen müssen – wenn es keine österreichweit vergleichbaren Zahlen gibt, dann haben die Länder, die Intransparenz, die sie sich wünschen.“ Eiko Meister Wenn die Länder die Genehmigung der Ausbildungsstätten und -stellen in die Hände bekommen, haben jun- ge Ärztinnen und Ärzte nichts mehr zu lachen … >
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