AERZTE Steiermark | September 2021
6 ÆRZTE Steiermark || 09|2021 BEREICH Eiko Meister Die Steiermark ist das Schlusslicht Die Genehmigung von Ausbildungsstellen ist das eine. Die tatsächliche Besetzung das andere. Für die Genehmigung ist – noch – die Österreichische Ärztekammer zuständig. Die Besetzung obliegt den Trägern der Krankenanstaltengesellschaften als unmittelbaren Dienstgebern. Nun ist es offenbar der feste Wille der Länder, die Genehmigung von Ausbildungsstellen an sich zu reißen. Ein Argument: Die gesetzeskonforme Ge- nehmigung gehe zu langsam, die genehmigende Ärztekammer sei zu streng in ihrer Beurteilung. Die tatsächlichen Zahlen sprechen eine andere Sprache: Die Steiermärkische Krankenanstalten- gesellschaft hat von zehn genehmigten Stellen nur vier besetzt. Würde sie doppelt so viele besetzen – von 100 Prozent wollen wir gar nicht sprechen –, wäre die immense Arbeit für die jungen Ärz- tinnen und Ärzte auf mehr Schultern verteilt und damit für die Einzelnen nicht ganz so belastend. Damit würde die Ausbildungsqualität steigen – und die Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten. Statt aber sich selbst an der Nase zu nehmen, be- harren die Länder darauf, die bundesweit geregel- te Ausbildungsstätten- und -stellengenehmigung heim in die Bundesländer zu holen. Damit ent- fiele auch die Möglichkeit, bundesweit zu verglei- chen, bei welchen Trägern es besonders schlecht funktioniert, bei welchen etwas besser und bei welchen wirklich gut. Denn: Dass die Steiermark dabei am schlechtes- ten abschneidet, heißt ja (leider) nicht, dass alle anderen exzellent wären. Die meisten anderen Bundesländer haben zwar nicht nur vier, aber auch nur rund fünf bis sechs von zehn möglichen Stellen besetzt. Niederösterreich ist mit gut sieben von zehn Stellen im Vergleich schon richtig gut. Und Vorarlberg mit mehr als acht Stellen nahezu vorbildlich. Das wissen wir aber nur, weil wir die Länder vergleichen können. Noch. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. INTRA KONT A 1907 war das Wiener Rathaus Schauplatz stürmischer Szenen. Zahllose Impfgegner erschienen, um gegen den „Impf-Terrorismus“ zu protestieren, der auf die Bevöl- kerung ausgeübt wurde. Wüste Schimpflaute und Pfiffe übertönten die Lieder der Studenten und Ärzte, die dem Rektor der Universität Tribut zollten, der sich für die Po- ckenimpfung einsetzte. Die aufgeheizte und gewalttätige Aktion – Stöcke flogen, die Demonstranten schlugen auf- einander ein – musste von der Polizei beendet werden. Doch die Impfskepsis war nicht neu und ist schon gar kei- ne Erfindung von Corona, sondern seit es Impfungen gibt, gibt es Gegner. Bereits die Kuhpockenimpfung im 18. Jahrhundert gab Anlass zu Horrormeldungen. Der Philo- soph Immanuel Kant behauptete 1797, dass den Menschen mit dem Kuhpockenserum tierische Brutalität eingeimpft werde. Karikaturen mit Geimpften, denen Kuhhörner und Euter wuchsen, grassierten. Der Vorsitzende des Niederösterreichischen Landessanitätsrats bezeichnete den Schutz durch eine Impfung als „illusorisch“. Wen wundert es da, dass sich Impfgegner formierten und so- gar Flugblätter gegen die Immunisierung verteilten. Die Argumente waren vielfältig: Es sei frevelhaft, eine absicht- liche Infektion mit Krankheitserregern herbeizuführen, trotz Impfung könne man schwer an Pocken erkranken, Nebenwirkungen träten auf, die Impfung sei zu schmerz- haft, der Impfstoff sei nicht standardisiert und die Imp- fung zähle nicht zu den anerkannten Maßnahmen. Vege- tarier wehrten sich gegen das Einbringen tierischer Stoffe in den menschlichen Körper, aus religiöser Sicht war die Impfung ein künstlicher Eingriff und nicht gottgewollt. Letztlich unterstellte man der jüdischen Bevölkerung, sich an der Impfung bereichern zu wollen. Auch Maria Theresia, die die Pocken als Erzfeind des Hauses Habs- burg betrachtete, und sich selbst und ihre Kinder impfen ließ, schwankte aufgrund von möglichenNebenwirkungen zwischen Impfskepsis und dem Unverständnis über das „thumme Volk“, das den Schutz verweigerte. Mag. Dr. Daniela Angetter-Pfeiffer ist Historikerin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichi- schen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätig. Zudem ist sie Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Geschichte der Medizin der Kommission für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften der ÖAW. 2 D BATTE Daniela Angetter-Pfeiffer Impfgegnerschaft – so alt wie die Impfung selbst
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