AERZTE Steiermark | Oktober 2021

ÆRZTE Steiermark || 10|2021 13 Fotos: beigestellt COVER letzte Wegstück war nur zu Fuß zurückzulegen.“ Im Halb- dunkel der Stube und ohne jede Assistenz trennte der herbeigeeilte Doktor die nicht mehr lebensfähigen Netzteile ab, unterband verletzte Blut- gefäße, verlagerte den her- vorgetretenen Dünndarm in die Bauchhöhle zurück und vernähte die Wunde schicht- weise. Dann zog Knoepfl im Stockdunkel der Nacht wieder heim ins Doktorhaus. Der ge- schilderte Fall ging übrigens glimpflich aus, nach vierzehn Tagen stellte sich der wieder- hergestellte Bauernsohn in Kloepfers Ordination zum Ziehen der Fäden ein. Beson- ders gefragt und als erfahren geschätzt war Kloepfer als Geburtshelfer weit draußen in der Einschicht, wo nicht selten eine „Geschworene“ bei der Kreißenden wartete und mit ihren Hebammenküns­ ten nicht mehr weiter wußte: „Oft braucht es einen stil- len inneren Kampf bis zum herzhaften Entschluß, zuerst allein zu narkotisieren, um gleich darauf unterm Schutz der Narkose eine schwere geburtshilfliche Operation zu einem glücklichen Ende zu bringen.“ Noch in seinen letzten Le- bensjahren untersuchte und behandelte Kloepfer uner- müdlich, so weit es dem alten Doktor eben möglich war. Auch als Schularzt war er immer noch gefragt, allein im Jänner 1944 hatte er 1.500 Diphtherie-Impfungen vor- zunehmen. Zwischenzeitlich hatte der Krieg die Szene- rie verdüstert – die jungen Ortskollegen waren zu den Waffen gerufen, aber trotz der Beschwerden des Alters und einer quälenden Gicht, die ihn seit Jugendjahren plagte, Zum Autor: Der Steirer Dr. med. Harald Salfellner, PhD., studierte Medizin in Graz und Geschichte der Medizin in Prag, wo er seit 1989 als Autor und Verleger lebt. Als Medizinhistoriker forscht Sal- fellner vor allem über Dich- terärzte sowie die Medizin in Österreich um 1900. In der umfangreichen Bildbiogra- phie „Aber Arzt bin ich ge- blieben“ (2017) hat Salfellner den Arztdichter Hans Kloe- pfer erstmals aus ärztlichem Blickwinkel portraitiert. Seine Monographie „Die Spanische Grippe“ (2018) wurde in meh- rere Sprachen übersetzt und mehrfach aufgelegt. Derzeit forscht Salfellner zu Ärzten und medizinischen Aspekten im Leben Franz Kafkas. Der zweite Teil zum Dichter Hans Kloepfer erscheint in der nächsten Ausgabe. hielt Kloepfer täglich Ordi- nation. Die Köflacher waren froh, dass der schon leicht skurril wirkende Alte immer noch werkelte, wenn Not am Mann war. Am 27. Juni 1944 kamen sie vergeblich in seine Praxis: ein Unwohlsein hatte den 77-Jährigen auf der Trep- pe zur Ordination befallen, gegen neun Uhr morgens setzte ein Herzschlag dem Leben des allseits verehrten Dichterarztes ein Ende. In der Erinnerung der Köflacher aber lebte der „Knöpfl-Dokta“ noch über viele Jahrzehnte als ärztliche Lichtgestalt fort. Noch vor wenigen Jahren konnte ich bei meinen For- schungen zu meiner Kloep- ferbiographie „Aber Arzt bin ich geblieben“ mit manchen betagten Patienten sprechen, die im Kindesalter von Dr. Kloepfer geimpft oder behan- delt worden waren. Hans Kloepfer (Mitte, Arm- schleife) mit Sanitätern der Rettungsabtei- lung der Frei- willigen Feuer- wehr Köflach (um 1920). Kloepfers Schwiegertochter, die Malerin Erika Kloepfer, schuf dieses Portrait.

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