AERZTE Steiermark | Oktober 2021

PANDEMIE & PSYCHE JASMIN NOVAK Der Erhebungszeitraum lag zwischen Ende März und An- fang Juli, bei 1.200 verwert- baren Fragebögen wurde die Erfassung gestoppt und mit der Auswertung begonnen, weil genug verwendbare Ant- worten vorhanden waren. Was stützt COVID-19- Motivation? Ein Bereich mit sehr praxis- relevanten Ergebnissen ist der Zusammenhang zwischen Impfeinstellungen bzw. Vor- sorgeverhalten und COVID- 19-Motivation: Jeweils rund ein Drittel der Respondent*innen gaben an, ihr Kind (falls mehrere: das älteste) … y gegen COVID-19 impfen zu lassen y nicht gegen COVID -19 impfen zu lassen bzw. y waren dabei noch unent- schieden (zum 6. Juli 2021). Zu beachten: Comirnaty wur- de erst Ende Mai für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahre zu- gelassen – also im Erhebungs- zeitraum – und auch die erst nach dem Erhebungsende revi- dierte sehr vorsichtige Haltung des Robert-Koch-Instituts hat viele Eltern – leider – erreicht. Die Erhebung zeigt also, dass etwa ein Drittel der Eltern im Erhebungszeitraum klar gegen die COVID-19-Impfung für ihr Kind war. Wer selbst COVID-19-geimpft ist bzw. die Absicht dazu hat, möchte auch eher sein Kind COVID-19 impfen lassen. Und: Wenn man selbst regelmäßig an der Gesundenuntersuchung teilnimmt, ist auch die Bereit- schaft, das Kind gegen CO- VID-19 impfen lassen zu wollen, signifikant höher. Damit ergeben sich zwei An- satzpunkte für die COVID- 19-Kinderimpfung – die Ge- sundenuntersuchung der El- tern und die Eigenimpfung der Eltern (siehe auch Befragung der Uni Erfurt auf Seite 24 in diesem Heft). Bei der Gesun- denuntersuchung von Eltern die COVID-19-Impfung der Kinder mitanzusprechen, ist also durchaus hilfreich. Glei- ches gilt, sobald es Booster- Impfungen für Eltern gibt. Wie genau anzusetzen ist, um die Bereitschaft zur COVID- 19-Kinderimpfung zu unter- stützen, ist damit aber nicht klar. Diesen Hebel liefert eine Diskriminanzanalyse über Surveyergebnisse, die zeigt, dass die Kommunikation über die COVID-19-Impfung von Kindern und Jugendlichen vor allem auf zwei Motive abzu- stellen ist: y „Die COVID-19-Kinder- impfung ist wichtig für den Gruppenschutz.“ y „Die Nebenwirkungen der COVID-19-Kinderimpfung sind überschaubar.“ Denn Respondent*innen, die ihr Kind COVID-19 impfen lassen wollen, erreichten auf diesen beiden „Motiven“ hohe Werte. Jene, die die C-19-Imp- fung ablehnen, erreichten niedrige Werte. Dazwischen war die Gruppe loziert, die sich noch nicht entschieden hat, wobei diese etwas näher an der „Ja“-Gruppe liegt. Viele Eltern fürchten um Kindeswohl Die Pandemie betrifft die stei- rischen Familien mit Kindern massiv. Darauf einzugehen ist wichtig, wenn die Eltern motiviert werden sollen, ihre Kinder möglichst COVID-19 impfen zu lassen. Es waren zum Zeitpunkt der Befragung zwar „nur“ in rund 15 Prozent der Haushalte CO- VID-19-Fälle zu verzeichnen, aber knapp die Hälfte dieser Haushalte hatte Haushaltsmit- glieder als Verdachtsfälle oder Kontaktpersonen in Quaran- täne. Erhoben wurden auch 21 „Be- lastungsfaktoren während der Pandemie“ (siehe AERZTE Steiermark 09). Bei drei Fak- toren – den Kontaktbeschrän- kungen punkto Freunde, je- nen punkto Familie sowie den Zugangsbeschränkungen im Kulturbereich (Musikschule, Band...) – wurden die Belas­ tungslevel der Kinder durch die Eltern höher eingeschätzt, als sie ihre eigenen elterlichen Belastungslevel angeben. Es wurde (nur) eine frei zu beantwortende Frage gestellt, die von 521 Respondent*innen (rund 43 Prozent) in eigenen Worten beantwortet wurde (43 Textseiten lang): „Wenn Sie einen Wunschzettel an die Gesundheitsbehörden/-Politik richten könnten: Was würden Sie sich wünschen?“ Fast drei Viertel der Antworten stellen inhaltlich auf die Pandemie ab. Das macht deutlich, unter welchem Druck Eltern stehen. Und: Er lagert besonders stark auf den Kindern auf. An der Spitze der freien Antworten steht die elterliche Forderung nach „mehr und sachlicherer Information“. An zweiter Stelle folgt „Kritik am Homesch- ooling“, an dritter Stelle folgt (vorsorgemedizinisch bemer- kenswert) die Forderung nach „mehr Sportmöglichkeiten/ Schulsport in der Pandemie“. Rang vier teilen sich „in der Pandemie mehr Kinderrechte/ Kindgerechtigkeit wahren“ und „Kritik an der Maske“. Deutlich wird: Sehr viele El- tern fühlen sich nicht genug und/oder nicht gut genug in- formiert. Und: Viele Eltern haben die Empfindung, dass die Pandemie bzw. die Schutz- maßnahmen wegen der Pan- demie das Kindeswohl be- einträchtigen bis gefährden. Insbesondere wird diese Be- einträchtigung bzw. Gefähr- dung des Kindeswohls an den Kontaktbeschränkungen, Zugangsbeschränkungen, am Homeschooling und am Mas- ke-Tragen festgemacht. COVID-19-Impfung für <12-Jährige ante portas Aus ärztlicher Sicht mag das „unvernünftig“ erscheinen und auch „falsch“ – aber: Viele Eltern empfinden das so und es handelt sich auch um jene Eltern, die in absehbarer Zeit ihre Unter-12-Jährigen gegen COVID-19 impfen lassen sol- len. Daher gilt es, die Eltern punkto Motivation dort abzu- Teil 2. Seit Jahren führt die Wissenschaftliche Akademie für Vorsorgemedizin (WAVM) Surveys durch, um zu klären, wie verschiedene Dialoggruppen zu vorsorgemedizinischen Angeboten stehen. Nun wurden steirische Eltern online befragt, was sie von Gratisimpfungen, MKP, Pandemie und der COVID-19-Impfung halten. Was Eltern wollen und brauchen 22 ÆRZTE Steiermark || 10|2021 Fotos: PSN Judenburg, Shutterstock

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