AERZTE Steiermark | Oktober 2021
ÆRZTE Steiermark || 10|2021 31 Foto: beigestellt ÖST. WACHKOMAGESELLSCHAFT „Jeder Einzelne profitiert“ Pro Jahr geraten in Österreich rund 150 Menschen in den Zustand eines Wachkomas; insgesamt leben hierzulande 600 bis 800 Betroffene. Als die Österreichische Wachko- ma Gesellschaft vor 20 Jahren gegründet wurde, existierte für sie und ihre Angehöri- gen noch keine Anlaufstelle. Nach dem Aufenthalt in der Intensivstation gab es nur die Optionen, nach Hause oder in ein Pflegeheim entlassen zu werden. Einer der beachtlichen Er- folge der Wachkoma-Gesell- schaft besteht daher darin, dass es nun in fast jedem Bundesland entsprechende Einrichtungen gibt. In der Steiermark bestehen unter der Leitung des Neurolo- gen Gerald Pichler seit dem Jahr 2008 25 Akutnachsor- ge-Betten sowie weitere 25 zur Langzeitförderung in der Grazer Albert-Schweitzer- Klinik. „Ziel war und ist es, den Akutbereich zu entlas ten“, erklärt Hartmann Jörg Hohensinner, Pflegedienstlei- ter des dortigen Departments Apallic Care und zweiter Vor- sitzender der Wachkoma Ge- sellschaft. Jüngst wurden wei- tere Betten für Menschen mit Bewusstseinsstörungen im Neurologischen Therapiezen- trum Kapfenberg (NTK) in- stalliert. Fördern und forschen Die Akutnachsorge über- nimmt die Pat ient*innen meist direkt von Intensiv- stationen und klärt unter anderem, in welches nach- folgende Set t ing der/die Patient*in übergeben werden kann. In der ersten Zeit des stationären Aufenthaltes (Akutnachsorge) wird im multiprofessionel len Team auch versucht, nonverbale Kommunikationscodes mit den Betroffenen zu entwi- ckeln. In die Langzeitförde- rung werden jene übernom- men, die vorerst nicht ins häusl iche Umfeld zurück- kehren können. Mit der Österreichischen Wachkoma Gesellschaft ha- ben die Betroffenen eine Lob- by bekommen, die Sprach- rohr zu Politik und Wirt- schaft ist und Spendengelder sowie wissenschaftliche Er- kenntnisse zum Thema sam- melt – und die auch selbst im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit der MUG und der TU Graz Forschung betreibt. Gegründet wurde die Ge- sellschaft nach deutschem Vorbild, wo Landrat Armin Nentwig nach dem Skiun- fall seines Sohnes eine ähn- liche Gesellschaft initiiert hat. „Nentwig hat auch die Grün- dung der Österreichischen Wachkoma Gesellschaft un- terstützt“, erzählt Hohensin- ner. „Weitere Gründerväter waren der Wiener Neurologe Johann Donis und der bereits verstorbene und in diesem Fachgebiet wegweisende Neu- rologe Franz Gerstenbrand.“ Leben und sterben in Würde Ziel des Franz Gerstenbrand Wachkoma Departments ist es, ein Leben in Würde zu ermöglichen, mit intensiver Pflege, Therapien und medi- zinischer Behandlung – bis hin zu Ausflügen nach den früheren persönlichen Vor- lieben der Menschen, von Konzerten bis zur Formel 1 in Spielberg, finanziert über Spendengelder. Bei fehlendem Erholungs- potential werden Betroffene und deren Angehörige in einem palliativen Setting em- pathisch begleitet, wobei dem Sterben in Würde große Be- deutung beigemessen wird. Das Wissen über Unter- stützungsmöglichkeiten für Menschen im Wachkoma ist enorm gewachsen. Der Wissenstransfer unter den betreuenden Einrichtungen erfolgt bei Vernetzungstref- fen und auf der Jahrestagung der Wachkoma Gesellschaft. Hier referieren Expert*innen zu Spezialfragen, heuer zum Thema Kommuni kat ion. Längst sitzen im Auditori- um nicht nur österreichische Ärzt*innen, Pf legepersonen, Therapeut*innen und Ange- hörige, sondern auch solche aus den Nachbarländern. „Je- der einzelne Patient profitiert von diesem Wissenszuwachs“, so Hohensinner. Assoziierte Fachgesellschaft Jüngstes Highlight war die Anerkennung der Wachkoma Gesellschaft als assoziierte Fachgesellschaft der Öster- reichischen Gesellschaft für Neurologie. „Bedarf an Ver- besserungen gibt es noch bei der Versorgung von Kindern im Wachkoma, aber auch die Einführung von Qualitäts- strukturkriterien für Wach- koma-Einrichtungen im Ös- terreichischen Strukturplan Gesundheit wäre wünschens- wert“, sagt Hohensinner. „Wünsche an die steirische Ärzteschaft für die Zukunft wären, dass wir weiterhin so gut mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten des Akutbereichs und des nieder- gelassenen Bereiches zusam- menarbeiten wie bisher – egal ob es um Wissenstransfer, Kooperation bei Transferie- rungen oder Spezialuntersu- chungen geht.“ Jahrestagung 2021: „Kommunikation – Was ich dazu beitragen kann“ Freitag, 15. Oktober 2021, 9.00–16.30 Uhr, Aula der Karl-Franzens-Universität Die Teilnahme ist kostenlos, Anmeldung: info@wachkoma.at. Infos: https://www.wachkoma. at/aktuelle-termine/ Als die Österreichische Wachkoma Gesellschaft vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde, gab es kaum Neurorehabilitation und Akut- Nachsorgebetten, schon gar keine spezialisierten Langzeiteinrichtungen. „Bedarf an Verbesserungen gibt es noch bei der Ver sorgung von Kindern im Wachkoma ...“ Hartmann Jörg Hohensinner
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