AERZTE Steiermark | Oktober 2021

40 ÆRZTE Steiermark || 10|2021 RECHT Illu: Adobe Stock Was heißt eigentlich Off-Label? HORST STUHLPFARRER Als Off-Label-Use bezeichnet man grundsätzlich den Ein- satz eines zugelassenen Arz- neimittels außerhalb der von den nationalen oder europä- ischen Zulassungsbehörden genehmigten Anwendungs- gebiete (Indikationen). Grün- de für einen Off-Label-Use liegen vor allem im medizi- nischen Fortschritt, welcher bewirkt, dass oftmals zwar eine wissenschaftliche Evi- denz für eine Anwendung außerhalb der Indikation vor- liegt, das Medikament jedoch noch nicht für das Krank- heitsbild zugelassen ist. Dies galt auch für die soge- nannte „COVID-19-Booster- Impfung“ (3. Impfung oder 2., wenn beim ersten Mal ein Ein- malimpfstoff, vor allemder von Janssen/Johnson&Johnson, verwendet wurde) zu, solange alle in der EU zugelassenen COVID-19-Impfstoffe nur für die primäre Immunisierung und nicht für eine weitere Dosis (Auffrischung) zugel- assen waren. Für die mRNA- Impfstoffe Comirnaty und Spikevax hat sich das mit der jüngsten EMA-Empfehlung aber geändert. Angesichts der neuen epide- miologischen Situation hat das Nationale Impfgremium (Stand 17. August 2021) be- reits empfohlen, bestimmten Zielgruppen eine weitere Dosis (impfstoffabhängig 2. oder 3. Dosis) in einem Zeit- raum von frühestens sechs bis spätestens neun Monaten bzw. neun bis zwölf Monaten Off-Label-Use ist für Ärzt*innen nichts Neues. Im Zusammenhang mit der COVID-19 Booster-Impfung (impfstoffabhängig 2. oder 3. Impfung) ist er aber wieder ins Gespräch gekommen. ge und Konsumentenschutz (BMSGPK) hat zudem fest- gehalten (Schreiben vom 31. August 2021), dass ein Off-La- bel-Use haftungsrechtlich zu- lässig ist, wenn er nach dem Stand der Wissenschaft me- dizinisch indiziert und the- rapeutisch notwendig ist. Der Stand der Wissenschaft ist so- lange erfüllt, als die Methode von einer anerkannten Schule medizinischer Wissenschaft vertreten wird, worunter auch das Nationale Impfgremium zu subsumieren ist. Wird demnach von Ärztin/ Arzt eine COVID-19-Booster- Impfung lege artis durch- geführt (einschließlich der erfolgten Aufklärung, die bei dieser Durchführung ohne- dies in einem umfassenden und gezielten Ausmaß vor- zunehmen ist), ist kein Haf- tungsfall zu erkennen. Sofern es keine gewichtigen gegentei l igen bzw. abwei- chenden wissenschaftlichen Ansichten hinsichtlich der COVID-19-Booster-Impfung gibt, sprechen daher nach Ansicht des BMSGPK unter Zugrundelegung der herr- schenden juristischen Lehre und der bisherigen Recht- sprechung zum Off-Label- Use gewichtige Gründe für die haftungsrechtliche Zu- lässigkeit des Off-Label-Use im Zusammenhang mit der COVID-19-Booster-Impfung (freilich vorausgesetzt, dass die Impfung auch ansonsten lege artis erfolgt). Mag. Horst Stuhlpfarrer ist Jurist und leitet den Bereich Standespolitik und Interessen- vertretung in der Ärztekam- mer Steiermark. Kinder unter 12 Jahren impfen? Die COVID-19-Impfung von Kindern unter 12 Jahren stellt wegen der nicht vorhandenen Empfehlung des Nationalen Impfgremiums bzw. der Nichtfreigabe von Impfstoffen für diese Altersgruppe seitens der EMA jedenfalls keine Off- Label-Anwendung dar. Die dem Vernehmen nach bereits vorgenommenen Impfungen an Kindern unter 12 Jahren sind unter diesem Aspekt als sehr kritisch zu betrachten. „Wird (…) eine COVID-19-Booster- Impfung lege artis durchgeführt (…), ist kein Haftungsfall zu erkennen.“ nach Abschluss der vollstän- digen Immunisierung zu ver- abreichen (off-label). Da es sich bei diesen empfohlenen Impfungen um Of f-Label- Anwendungen handelt, ist es notwendig, explizit darü- ber aufzuklären, dass derzeit keine Zulassung für diese Anwendung vorliegt, die Da- tenlage noch begrenzt ist und noch nichts über die Art und Häufigkeit von Neben- wirkungen bei Booster-Imp- fungen bekannt ist. Es ist zu empfehlen, diese Aufklärung schriftlich zu dokumentieren. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pf le-

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