AERZTE Steiermark | Oktober 2021
BEREICH ÆRZTE Steiermark || 10|2021 7 Es ist viele Jahre her, da hat die Ärztekammer ein umfassendes Konzept für interdisziplinäre Primärversorgungseinrichtungen entwickelt. Die haben nur damals in der Politik und im Gesund- heitsfonds Steiermark noch niemanden interessiert. Erst lange Zeit später wurde das Prinzip PVE zum gesundheitspolitischen Superprojekt erhoben. Fast ebenso lange ist es her, dass wir eine solide kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung – basierend auf Kassenver- tragsärztinnen und -ärzten als Grundstufe – verlangt haben. Auch das hat in der Ge sundheitspolitik und -verwaltung viele Jahre lang niemanden wirk- lich interessiert. Die Liste solcher Bei- spiele für rechtzeitig erkannte Probleme und frühzeitig gefundene Lösungen ließe sich noch lange weiter- führen. Auch die des Ignorierens durch die Planungsverantwortlichen. Wirklich ärgerlich ist aber, wenn diese Verantwortlichen ihr eigenes Versagen zu kaschieren versuchen, indem sie die ei- gentliche Erfinderin fälschlicherweise zur Gegnerin sinnvoller Lösungen erklären. Oder sagen, dass eine Lösung nicht funktio- nieren kann. Wir haben übrigens vorgeschlagen, eine Clearing-Stelle für Medizin-Apps zu schaffen, um deren medizinische Qualität zu gewährleisten und den Patientinnen und Patienten entspre- chende Orientierung zu geben. Sie sollen die Spreu vom Weizen unterscheiden können. In ein, zwei Jahren wird das sicher zum großen Thema werden. Und diejenigen, die heute nicht einmal darüber nachdenken wollen, werden dann ganz plötzlich eine solche Clearing-Stelle aus dem Boden stampfen wollen. Natür- lich werden sie sich dann nicht mehr daran erinnern, von wem der Vorschlag kam. Nämlich von den Ärztinnen und Ärzten. Wir erheben auch keine urheberrechtlichen Ansprüche. Wir würden uns nur mehr Voraussicht wünschen. Weil spät heißt fast immer: teuer und schlecht. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Vor neun Jahren begann die öffentliche Diskussion um Kassenplanstellen für Kinder- und Jugendpsy- chiatrie in der Steiermark. Ohne große Resonanz. Jetzt, fast ein Jahrzehnt später, gibt es endlich die ersten Ausschreibungen. Ja, es sind vorerst nur drei. Das wird kaum reichen, um eine niederschwellige flächendeckende kin- der- und jugendpsychiatrische Versorgung zu ge- währleisten. Aber es ist ein Anfang. Und es ist zu hoffen, dass es bald mehr werden. Ja, es gibt auch Kritik: Einige meinen, die Stellen könnten gar nicht besetzt werden, weil Eltern und Ärztinnen bzw. Ärzte sich in der wahlärztlichen Wirklich- keit gut eingerichtet hätten. Aber statt die kassenmedizinische Kinder- und Jugendpsychiatrie krankzujammern und schlecht zureden wäre es hilfreich (und zwar für die jungen Patientinnen und Patienten), sie in ihrer Bedeutung anzunehmen und alles zu tun, um sie zum Laufen zu bringen. Vielleicht wäre das vor einigen Jahren noch ein- facher gewesen. Aber gerade weil es eine Heraus- forderung ist, muss sie angenommen werden. Die „Ich-hab-es-immer-schon-gesagt“- und „Das- reicht-nicht“-Sager sollen sich bitte zurückneh- men und zurückhalten. Eine Lesart ist, dass Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiatrie nur möglich werden, weil die Corona-Pandemie die psychische Gesund- heit von Kindern und Jugendlichen in den Mit- telpunkt des Interesses gerückt hat. Allen, die das meinen, sei das Schreiben der Fachgruppe Kinder- und Jugendpsychiatrie vom November 2012 an Herz gelegt: „Die Fachgruppe für KJP ist für das dreistufige Modell, wie auch im ÖSG beschrieben, mit §-2-Kassenfachärzten als basale erste Stufe der Versorgung. Es ist nicht einzuse- hen, dass just in der Steiermark diese Stufe fehlen soll.“ Diese Aussage stammt aus dem Jahr 2012. Es ist auch 2021 nicht einzusehen. Vizepräsident Dr. Christoph Schweighofer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Christoph Schweighofer Chance für Kinder und Jugendliche nutzen STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Voraussicht führt zu besseren Lösungen D BATTE Fotos: Christian Kaufmann, Oliver Wolf, Elke Meister, Schiffer, Grafik: Konrad Lindner
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