AERZTE Steiermark | November 2021
ÆRZTE Steiermark || 11|2021 13 Fotos: vom Autor beigestellt GESCHICHTE Isonzo heraufdräut. Oder die humorvolle Vision Das Be- gräbnis, in dem Kloepfer seine eigene Grablege voraussieht (die sich dann freilich ganz anders vollzog). Als sein vielleicht bes tes hochdeutsches Gedicht gilt das stimmungsvolle Gemälde Spätherbst , das einen vorderen Platz im Kanon des steirischen Literaturerbes verdient. Auch im erzählerischen Werk Kloepfers finden sich neben Aufsätzen, Essays und Ge- schichten banaler Machart eine Reihe gelungener Bei- spiele, die noch heute von Wert sind. So etwa die anrüh- rende Geschichte Hoam , in der ein Diphtheriefall im Ar- menviertel geschildert wird, oder die erschütternde Win- tergeschichte Sein Vater , die durchaus neben Roseggers gekonnten Weihnachtserzäh- lungen bestehen kann. Im Konsilium führt uns Kloep- fer in die Welt der Medizin, wie sie in der Rauchstube eines Almbauern zwischen der hei lkundigen Kurpfu- scherin und dem unerkannt dabeisitzenden Vertreter der medizinischen Wissenschaft ausgespannt ist. Von einem archaischen und eigenartig spröden Reiz sind die 1933 erschienenen steirischen Ge- schichten Aus alter Zeit, da- rin die Erzählung Der Hei- denstein , ein Panorama aus der Ära der untergehenden römischen Herrschaft in der Steiermark oder die Schilde- rung Aus der Franzosenzeit , in der Kloepfer an den Ein- marsch napoleonischer Trup- pen in Eibiswald erinnert. Als Ausnahmewerk ist Hans Kloepfers 1936 veröffentlich- te Selbstbiographie Aus dem Bilderbuch meines Lebens zu werten. Wegen seiner zahl- reichen Bezüge zur Medizin der Altvorderen kommt die- sen Ref lexionen des reifen Arztes eine nicht zu unter- schätzende Rolle in der stei- rischen Medizingeschichte zu. In der Zwischenkriegszeit konnte man Kloepfers Ge- dichte oft in Sendungen der RAVAG oder in Druckwerken wie den Alpenländischen Mo- natsheften begegnen, einem in Graz herausgegebenen Flagg- schiff der zunehmend erstar- kenden völkischen Bewegung. Im Februar 1926 zierte Kloe- pfers Gedicht Dahoam sogar den Umschlag eines der Hefte. Auch in Anthologien wurden seine Dichtungen jetzt ger- ne abgedruckt, etwa 1927 im Österreichischen Dichterbuch, einer Festgabe österreichischer Dichter an den Deutschen Schulverein Südmark, oder 1933 in Max Morolds Dich- terbuch mit dem Untertitel seiner späten Berufung zur Literatur zu sehen. Muße zur Dichtung blieb dem Landarzt ja meist erst abends, nach er- müdender Tagesfron, zumal er seinem ärztlichen Beruf ge- nerell den Vorrang einräumte und in seinem Schreiben nur ein bescheidenes „Nebenta- lentel“ sah. Erst wenn die Or- dination geschlossen und die Visiten getan waren und sich die übrigen Hausbewohner langsam zur Ruhe begaben, hob im Oberstock des Doktor- häusels die Schreibmaschine zu klappern an. Die Grätsche zwischen ärztlicher Pf licht und dichterischer Kür war ihm wohl bewusst: „Denn da lagen doch die Rosahefte der Münchener medizinischen Wochenschrift mit einer auf- schlußreichen Abhandlung über die letzten Ergebnisse moderner Vitaminforschung, und dazwischen schielte ich immer wieder verstohlen nach einem vergilbten Faszikel.“ Zum Lebensende hin schlug Kloepfer seine Lyra nur noch selten an, der Dichter war alt geworden, und müde, und merkte wohl, dass sein Herz nicht mehr recht wollte. Er mühte sich an Geschichten und Zeitungsbeiträgen ab, „so dünn das Strähnlein der Phan- tasie beim Siebziger auch flie- ßen“ wollte. Gelegentlich nahm er das verstimmte Instrument seiner Dichtkunst noch für Wahlwerbung oder panegy- rische Lobreden auf den Führer zur Hand, mit denen er sich um seinen Nachruhm sang. Dr. Harald Salfellner ist Arzt, Medizinhistoriker und Autor des Buches „Aber Arzt bin ich geblieben – Bilder aus dem Leben Hans Kloepfers“. Joahrlauf A Wasserl is gsprungen, A Vögerl hot gsungen, a Deandl hot glocht – das Fruahjoahr hots gmocht. Hellgrean woar die Olm, und nestbaut ham d’ Schwolm, – hot a Gongstiagerl krocht in da Sunnawendnocht. Das Wieserl woar gmaaht und ’s Winterkorn gsaat und die Schwolm san furt – so vor Mariageburt. Zan Advent woars vaschniebm, is a Deanderl vabliebm in da Keuschn am Roan muattaseelnalloan. Hot Pfoadala gsamt und so intadrein tramt, wia hell und wia woarm, und wia still und wia oarm – – und do wia wunderlifein so a Joahr net kann sein! Gedichte in steirischer Mundart, 1924 „Deutscher Glaube, deutsches Sehnen und deutsches Fühlen in Österreich“. Die Leser dieser Druckwerke schätzten Kloep- fer als akkreditierten Vertreter ihrer Sache und dieser ent- täuschte die Erwartungen nicht. Leser und Autoren bildeten einen geschlossenen Kreis, eine politisch-literarische Namens- versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, wie sie ja auch dem heutigen Literaturbetrieb nicht fremd ist. Bis ins hohe Alter konnte sich der prak- tische Arzt seinen warmen Humor erhalten, wie etwa aus einem wenig bekannten Ge- dicht zu ersehen ist, das Kloe pfer dem Grazer Radiologen Anton Leb zueignete. Oder das 1940 nach einem Zechgelage niedergeschriebene Lob des Schilchers . Für diese steirische Rebsorte hegte der gichtkranke Kloepfer Zeit seines Lebens eine besondere Vorliebe. Und wer mochte ihmwidersprechen, wenn er den Blauen Wildba- cher als Universalheilmittel pries: „Gegns Kranksein hilft er besser wia jeder Dokter und Professer.“ Auch Homo Poly- medicus, der gemeine Werks- oder Grubenarzt, gehört in die- se Kategorie, die biographisch gewürzte Satire wurde 1939 in der Wiener Medizinischen Wochenschrift abgedruckt. Hans Kloepfers Werk ist über- schaubar: Drei Bände konnte Dr. Wilhelm Danhofer anno 1967 zum 100. Geburtstag des Dichterarztes mit Gedich- ten, Erzählungen und lan- deskundlicher Prosa füllen, dazu Kloepfers erlesene Er- innerungen, alles in allem an die 1500 Buchseiten. Dieses schmale Werk ist jedoch vor dem Hintergrund seiner ärzt- lichen Aufgaben und auch
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=