AERZTE Steiermark | November 2021
KOMMUNIKATION 16 ÆRZTE Steiermark || 11|2021 „Großes Unwissen“ in puncto Impfungen hat Steffen Künzel in seiner Arztausbildung bei den Patient*innen und den Eltern zu impfender Kinder erlebt – auch darüber, warum man sich überhaupt impfen lassen soll. Da wollte er Ab- hilfe schaffen. Weil er davon überzeugt ist, dass Impfbereit- schaft eine intrinsische Mo- tivation voraussetzt, bringt er nunmehr seit vier Jahren – zusammen mit zahlreichen Mitstreiter*innen – Informa- tionen über Nutzen und Ne- benwirkungen von Impfungen unter die Menschen. Vor allem in Schulklassen sind die Impf botschafter*innen von Impf Dich tätig, aber auch in Unterkünften von Geflüchteten und am Eltern- abend in der Kindertages- stätte. Zudem wird geforscht – wie etwa kürzlich zur CO- VID-19-Durchimpfung der Ärzt*innen in Ausbildung. M i t g l e i c h g e s i n n t e n Kommiliton*innen gründe- te Künzel einen Verein, um Spendengelder lukrieren zu können. Sämtliche, auch hoch dotierte, Unterstützungsan- gebote der Pharmaindustrie hat der Verein abgelehnt, weil genau sie den Sinn der Initia- tive ad absurdum führen wür- den. Künzel will unabhängig informieren und auch als unabhängig wahrgenommen werden. „Unsere Aufgabe ist es, wissenschaftsbasiert auf- zuklären. Bei jeder von der STIKO empfohlenen Imp- fung überwiegen die Vorteile die Nachteile, aber es gibt eben beide. Wichtig ist es, in den Diskussionen auch die Nachteile aufzugreifen.“ Über 20 Gruppen Künzel und sein Team haben ihre erste Gruppe von Impf- Aufklärern in Bonn gegründet, die mit mehr als 30 Mitglie- dern heute noch die stärkste ist und fachlich auch durch den Immunologen Ernst Mo- litor unterstützt wird. Kün- zel selbst ist mittlerweile von Bonn nach Berlin übersiedelt, wo er als Assistenzarzt an der Ophthalmologischen Klinik an der Charité tätig ist. Mehr als 20 Lokalgruppen von Impf Dich gibt es inzwischen, ver- teilt über ganz Deutschland, von München bis Kiel. Die Tutor*innen sind allesamt Me- dizinstudierende, meist schon in höheren Semestern. „Wir erwarten uns, dass sie die immunbiologischen Hinter- gründe des Impfens verstehen und wissenschaftliche Studien lesen können.“ Darüber hi- naus absolviert jede Lokal- gruppe einmal pro Quartal eine Fortbildung und alljähr- lich findet ein Bundestreffen statt, bei dem Expert*innen referieren. Wer sich in der Imp- finitiative engagiert, bekommt Trainings zur Wissensvermitt- lung. Beispielsweise haben die Multiplikator*innen bei Mit- gliedern der Forschungsgruppe von Cornelia Betsch, Psycho- login und Professorin für Ge- sundheitskommunikation an der Universität Erfurt, gelernt, wie man speziell eine Impfemp- fehlung kommuniziert. Peers für Schüler*innen Die Medizinstudierenden sind zwar als Ärzt*innen noch unerfahren, verfügen aber über einen großen Vorteil: Sie sind meist nur wenige Jahre älter als die Schüler*innen, die sie informieren und damit oft auf derselben Wellenlänge. „Diese Generation kennt Fa- cebook nicht mehr, die sind auf Instagram und Tik Tok unterwegs. Wir freuen uns immer über neue junge Mit- arbeitende, denn die nutzen dieselben Informationskanäle wie unsere Zuhörerinnen und Zuhörer und finden so einen besonderen Zugang“, erzählt Künzel. Mittlerweile sind un- ter den Multiplikator*innen die ersten dabei, die selbst als Schüler*innen von Künzels Initiative Impfaufklärung er- halten haben. Derzeit müssten die Schul- vorträge pandemie-bedingt online stattfinden, da sei es schwierig, die Atmosphäre zu erfassen, erzählt Künzel. „Aber generell habe ich den Eindruck, dass junge Men- schen offener für Argumente und wissenschaf t liche Er- kenntnisse sind.“ Auch im Bereich der COVID-Impfung macht er die Erfahrung, dass die Kinder und Jugendlichen zu großen Teilen geimpft wer- den wollen und eher die El- tern noch zu überzeugen sind. Bedenken zu formulieren ist bei Impf Dich aber durch- aus erwünscht, denn es soll ja die sachliche Informati- on und nicht das Überre- „Auch Nachteile aufgreifen!“ Vor vier Jahren gründete eine Handvoll deutscher Medizinstudierender die Initiati- ve „Impf Dich. Impfaufklärung in Deutschland e.V.“ . Seither touren mehrere hundert Multiplikator*innen durch Schulklassen und Flüchtlingsheime oder klären auf Kita-Eltern abenden auf. Wir sprachen mit einem der Initiatoren. Auch im Bereich der COVID-Imp- fung macht Kün- zel die Erfahrung, dass die Kinder und Jugendlichen zu großen Teilen geimpft werden wollen und eher die Eltern noch zu überzeugen sind. Foto: beigestellt
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