AERZTE Steiermark | November 2021
24 ÆRZTE Steiermark || 11|2021 STUDIE In einer von der Bundes- kurie niedergelassene Ärzte beauftragten Studie haben die Simulationsforscher Nikolas Popper und Claire Rippinger anhand von Rechenmodellen analysiert, mit welcher Ent- wicklung der Ärztinnen- und Ärztezahlen unter welchen Bedingungen zu rechnen ist. „Wir wol lten wissenschaf t- lich fundiert wissen, wie sich bestimmte Interventionen zum Beispiel in der ärzt- lichen Ausbildung oder eine Attraktivitätssteigerung der kassenärztlichen Rahmenbe- dingungen auf die künftigen Ärztezahlen auswirken wür- den“, sagt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österrei- chischen Ärztekammer und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte. „Das ist eine wichtige Grundlage für kompetente gesundheits- politische Entscheidungen.“ Berücksichtigt wurden dabei Al lgemeinmedi ziner innen und Allgemeinmediziner so- wie Fachärztinnen und Fach- ärzte, bei Letzteren besonders Fächer mit bereits bestehen- der deutlicher Knappheit. -5,5 Prozent In den nächsten zehn Jah- ren ist aufgrund der Alters- struktur mit einem Rückgang der besetzten Stellen um ca. 5,5 Prozent von aktuell rund 47.000 auf 44.400 im Jahr 2030 zu rechnen, so die Studien autoren: „Dieser Rückgang wirkt sich vor allem auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aus.“ Die Zahl der niedergelassenen Allge- meinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner falle bei den Kassenärztinnen und Kassenärzten von 4.100 auf 3.450 und bei den Wahl- und Privatärztinnen und -ärzten von 4.500 auf 3.800. Danach bleiben die Zahlen konstant auf diesem niedrigen Niveau. Im Facharztbereich seien die Fächer Augenheilkunde, Frauenheilkunde, Innere Me- dizin und Urologie jeweils im Kassenbereich am stärksten betroffen. Auch zusätzliche Ausbildungsanfänger durch weniger Abwanderung ins Ausland nach dem Studium oder mehr Ausbildungsstellen würden entsprechende Vor- laufzeiten benötigen, betonen die Studienautoren. Selbst bei einer sehr hohen Anzahl von Ausbildungsanfängern könne der pensionsbedingte Rückgang an berufstätigen Ärztinnen und Ärzten frühes tens in etwa 15 Jahren ausge- glichen werden. Unterschiede Eine Attraktivitätssteigerung der Kassenverträge hätte der Studie zufolge bei den einzel- nen Fächern unterschiedliche Auswirkungen: „Insbesonde- re bei Fächern, bei denen derzeit der Großteil der Nie- derlassungen keinen Kassen- vertrag hat, ergibt sich hier ein großes Potential, um den pensionsbedingten Rückgang der Kassenärztinnen und -ärzte auszugleichen. Bei an- deren Fachrichtungen kann dieser Rückgang lediglich ab- geschwächt und nicht kom- plett ausgeglichen werden“, so die Studienautoren. Ihre Folgerung: „Es benötigt des- wegen eine Kombination aller Maßnahmen, um den Ge- samtrückgang der Ärztinnen und Ärzte in Österreich ab- zubremsen und eine ausrei- chende Versorgung durch Kassenärztinnen und -ärzte gewährleisten zu können.“ Rahmenbedingungen für Allgemeinmediziner optimieren Seit mehr als zehn Jahren ma- chen auch die Allgemeinme- dizinerinnen und -mediziner in der Ärztekammer immer wieder darauf aufmerksam, dass ein Ärztemangel drohen wird. „Auch durch die vorlie- gende Studie wird dieser Um- stand wieder bewiesen“, so Edgar Wutscher, Obmann der Bundessektion Allgemeinme- dizin in der ÖÄK. Sonntagsreden „Leider zeigen die politisch Verantwortlichen und Ver- treter der Sozialversicherung nur in Sonntagsreden auf, dass hier etwas getan wer- den muss. Konkret lassen sich Gespräche vermissen. Es hilft niemandem, schon gar nicht den Patientinnen und Patienten, wenn man von Attraktivierung der Kassen- verträge für Allgemeinme- dizinerinnen und -medizi- nern spricht, wenn man von Kassenstellen für alle spricht, und dabei nicht zur Kenntnis nimmt, dass diese in vielen Bereichen derzeit unattraktiv sind und überhäuft mit Büro- kratie.“ Es könne daher auch keine Lösung sein, wenn man Wahlärzte nun zwangsweise in das Kassensystem stecken wolle. „Der Arztberuf ist ein freier Beruf – es käme auch niemand auf die Idee, Apo- theker, Anwälte, Hebammen, Journalisten oder Künstler zwangszuverpflichten. Wenn man jetzt nur auf die Wahl- ärztinnen und -ärzte zeigt, macht man es sich auf der Kassenseite viel zu leicht – es muss das System verändert werden, auch wenn das na- türlich aufwändiger ist“, sagt Wutscher. Die von der Ärztekammer erarbeiteten Vorschläge neuer Zusammenarbeitsformen und Ähnliches müssen mit Leben erfüllt werden. Die Bürokra- tie müsse kräftig entstaubt werden. Leistungsfeindliche Bestimmungen in den Hono- rarverträgen gehörten end- lich entfernt, fordert Wut- scher: „Nur dann werden sich junge Kolleginnen und Kollegen dazu entschließen, einen Kassenvertrag für All- gemeinmedizin zu nehmen.“ Maßnahmen-Mix „Diese Ergebnisse bestätigen sehr deutlich unsere langjäh- rigen Forderungen nach einem Eine Studie von Simulationsforscher Nikolas Popper und seinem Team zeigt, wie sehr die Zeit drängt. Die ÖÄK fordert einen Maßnahmen-Mix. Was hilft gegen Ärztemangel? In den nächsten zehn Jahren ist mit einem Rückgang um ca. 5,5 Prozent von aktuell rund 47.000 auf 44.400 im Jahr 2030 zu rechnen. Berechnung des Teams um Simulationsforscher Nikolas Popper
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