AERZTE Steiermark | November 2021
42 ÆRZTE Steiermark || 11|2021 ANGESTELLTE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE ÄrztInnen in Ausbildung GEM/ EINSAM geben Einblick in ihren Alltag Illu und Foto: Adobe Stock ausgesucht, ihre Ausbildung in der Corona-Zeit machen zu müssen.“ Auch d ie Stud ierenden schließt er ein: „Sie leisten täglich wertvolle Arbeit auf den Stationen unserer Kran- kenhäuser. Es wäre nicht nur anständig, sondern auch hoch an der Zeit ihnen Danke zu sagen und sie im positivsten Sinn als die zu behandeln die sie sind, nämlich die Kol- leginnen und Kollegen von morgen“, so Wegscheider. In seiner Kritik weiß sich Weg- scheider einig mit dem Ku- rienobmann der angestellten Ärztinnen und Ärzte, Vizeprä- sident Eiko Meister (siehe auch Kommentar auf Seite 6). falls später zu konsumieren. Zukunft sichern Mit einer fairen Behand- lung heute würde sich das Unternehmen KAGes die Zukunft sichern, gibt Weg- scheider zu bedenken. Die Ausbildungsärzt*innen von heute seien schließlich die Fachärztinnen und Fachärzte von morgen. Mit der derzei- tigen Vorgangsweise verspiele die KAGes aber diese Zu- kunft. Wegscheider zeigt durchaus Verständnis für die Heraus- forderungen, denen Kran- kenanstalten in diesen Zeiten ausgesetzt seien. Aber: „Die jungen Kolleginnen und Kol- legen haben es sich nicht Dienst-Tachykardie Pünktlich zum Semesterstart gibt es an vielen Abteilungen wieder neue Gesichter: die KPJler. Jung, dynamisch und unverbraucht sitzen die medizinischen Newbies in unseren Reihen. In nur weni- gen Monaten sind sie Kollegen und ich versuche die Damen und Herren nicht mehr als Studenten zu betrachten, sondern bezeichne sie liebevoll als „Dr. light“. Noch unter dem „Schutzschirm“ des Status „KPJler“ wird dennoch das Pensum eines Turnusarztes verlangt. Zur Vorbereitung auf den Ernst des medizinischen Le- bens können auch Nachtdienste absolviert werden. Vor einigen Wochen hat sich eine sehr motivierte Kollegin entschieden, einen Dienst mit mir zu verbringen. Meine Erfahrung ist nicht unendlich, jedoch freue ich mich immer, wenn ich zumindest die Basics wei- tergeben kann. Wie vereinbart erscheint die Kollegin 30 Minuten vor Dienstbeginn in der Ambulanz. Topmotiviert und noch besser organisiert hat sie bereits ein Freeset aufgetrieben und ihre Durch- wahl auf kleine Zettel geschrieben, die sie in den Stützpunkten an die Pinnwand heftet. Ich bin schwer begeistert. Es ist schon immer eine besondere Atmosphäre, wenn sich am Nachmittag die Gänge leeren. Meiner Kollegin wird die eilig nahende Verantwortung be- wusst, und ich merke ihr die zunehmende Nervosität an. Nur mehr wenige Monate und dann ist sie selbst imDienst. Dennoch besticht sie heimlich die Ambulanzschwester mit Schokolade, damit diese sie umgehend informiert, sobald ein Patient eintrifft. Und dann wird gewartet. Viele Stunden später trifft endlich der langersehnte Patient ein: Verlust des Harnblasenkatheders aus dem Altersheim. Nachdem ich keinen Sprint in die Ambulanz für notwendig er- achte, hat die „Dr. in light“ 15 Minuten Vorsprung und diesen hat sie sehr gut genutzt: Sie hat bereits eine Seite Befund geschrieben (inkl. Kinderkrankheiten und ca. 15 nicht-urologischen Voropera- tionen), den tiefschlafenden, zart adipösen Patienten auf die Liege gehievt und sich steril inkl. Schutzschild eingekleidet. Mittlerweile ist sie kalt, blass und ziemlich schweißig. Mein vorwurfsvoller Blick zur Schwester wird mit einem geflüsterten „Sie war so motiviert, was hätte ich tun sollen?“ quittiert. Der erste Versuch den Kathe- der zu setzen musste aufgrund heftiger Zitteranfälle abgebrochen werden. Beim zweiten Versuch zittere ich innerlich mit und der Sanitäter feuert sie mit Parolen an, die man eher am Rande eines Fußballfeldes erwarten würde. Und tatsächlich gelingt es. Der Patient ist indes noch immer nicht erwacht. In der eineinhalbstün- digen Nachbesprechung versuche ich ein paar Überlebenstipps weiterzugeben: 1. So schnell stirbt kein Patient in der Ambulanz, 2. Dienst-Tachykardie ist langfristig ungesund für den Turnus- arzt und 3. Egal was passiert, im Zweifelsfall kann man auch die Schwester fragen! Die kleinen Zettel mit der Freeset-Nummer haben die Nacht nicht überstanden – bis in der Früh waren sie von den Pinnwänden verschwunden. GEM/EINSAM – schreiben steirische Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung über ihren Alltag im Beruf, im Leben und ihren Weg von „wilden Jungen“ zu „alten Profis“.
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