AERZTE Steiermark | November 2021
6 ÆRZTE Steiermark || 11|2021 BEREICH Eiko Meister KAGes: Nicht den Kopf in den Sand stecken Warum sind in den Landeskrankenhäusern der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft KAGes hunderte Stellen unbesetzt? Ganz sicher auch, weil sich in den letzten Jahren beim Ein- kommen vor allem der jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nichts getan hat. Dass sich die KAGes auf den Lorbeeren des Jahres 2014/2015 ausgeruht hat, gab anderen Spitalsträgern die Möglichkeit aufzuholen und zu überholen. Es gibt aber noch andere Gründe: Dass es heute an Fachärztinnen und Fachärzten in mehreren Bereichen fehlt, liegt daran, dass vor Jahren nicht ausreichend Ausbildungsstellen besetzt wurden. Die Anästhesistin, die im Jahr 2021 gebraucht wird, kann nicht erst im Jahr 2021 ausgebildet werden. Diese vorausblickende Personalpolitik ist keine „Raketenwissenschaft“. Dennoch findet sie nicht statt. Was in jedem normalen Unterneh- men Standard ist – rechtzeitiges Heranziehen von Mitarbeitern statt heftigem Herumrudern, wenn der Mangel nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden kann –, findet im Mitarbeiter-stärksten Unternehmen auf steirischem Boden nicht statt. Dieser Mangel an Voraussicht ist ein veritabler Skandal des Unternehmens KAGes. Mitarbeiter innen und Mitarbeiter werden praktisch überall als besonders wertvoll erachtet. Nur in der Steier- märkischen Krankenanstaltengesellschaft nicht. Im Gegenteil: Sie werden ausgelaugt, sie werden überlastet und dann auch noch vergleichsweise schlecht bezahlt. Außergewöhnliche Leistungen werden als selbstverständlich erachtet oder mit Lappalien als „Belohnung“ abgespeist. So geht die Gesundheitsversorgung in der Stei- ermark den Bach hinunter. Das scheint aber den Verantwortlichen egal zu sein. Qualität der Ver- sorgung spielt keine Rolle. Die Quantität sowieso nicht. Weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuten weniger Kosten. Und die politische Ver- antwortung kann man ja der Politik umhängen. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. INTRA KONT A Unter dem Mantra der Optimierung durch Digitalisie- rung drängen jetzt neue Anbieter in die Versorgung, die damit werben, dass es auch ohne den persönlichen Arzt- Patienten-Kontakt, den wir als Goldstandard erachten, geht: ausschließliche Videosprechstunden, digitale Ge- sundheitsanwendungen. Das bestehende System wird aufgebohrt, es tritt ein Identi- tätsverlust einer Struktur ein, die sich auf selbstständig tätige Haus- und Fachärzte wie auch auf eine gemeinsame ärztliche Selbstverwaltung stützt. Unternehmen versuchen an den Leistungen des Gesundheitssektors zu partizipieren. Man hört Rechtfertigungen, wie beispielsweise Entlastungen des Arztes in seiner Sprechstunde bei Bagatellerkrankungen, zusätzliche Verdienstmöglichkeiten ohne Nebenkosten, Weg- fall des umständlichen Besuches beim Arzt. Gewinne versprechen sich auch Kapitalgesellschaften, die Krankenhäuser und Praxen aufkaufen, Groß-MVZ grün- den und neue Versorgungslandschaften aufbauen, bei de- nen letztlich die Rendite im Vordergrund steht. Wir Ärzte werden zum Wertschöpfungsobjekt, die Pa- tienten werden zum Teil der Wertschöpfungskette. Wir fordern den Respekt für die von uns geleistete Arbeit und das muss sich bemerkbar machen, nicht nur durch Kroko- dilstränen in Pandemiezeiten, sondern auch finanziell! … Es geht um den Erhalt unseres Gesundheitssystems, das sich über Jahre hinweg bewährt hat. Natürlich braucht es Verbesserungen und Reformen, aber nicht dergestalt, dass wir das System aufbrechen oder Sektorengrenzen einreißen. Was sich bewährt hat erhalten und das, was sich nicht bewährt hat, verbessern, statt es zu ersetzen. Es bedarf einer gemeinsamen Reflextion vor allem mit denen, die in der Versorgung tätig sind, nicht mit Experten in den Hinterzimmern! Von der künftigen Regierung fordere ich, sich für den Erhalt unseres Gesundheitssystems einzusetzen und die bewährten Strukturen auszubauen, die notwendigen Re- formen zu finanzieren und zusammen mit der Ärzteschaft weiterzuentwickeln. Auszug aus der Eröffnungsrede des Präsidenten der Baye- rischen Landesärztekammer, Dr. Gerald Quitterer, beim 80. Bayerischen Ärztetag von 15. bis 17. Oktober 2021. Gerald Quitterer ist niedergelassener Facharzt für Allge- meinmedizin . 2 D BATTE Gerald Quitterer Das bestehende System wird aufgebohrt
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