AERZTE Steiermark | Dezember 2021

ÆRZTE Steiermark || 12|2021 19 Fotos: beigestellt GESCHICHTE dem Anschluss auch in der Ostmark in Kraft traten, war Kloepfer sicher orientiert, sei- nem Bekenntnis zu den neuen Machthabern taten sie keinen Abbruch. Viele Fragen offen Dass manche Dinge schief liefen unter dem Hakenkreuz, das konnte auch Kloepfer nicht verborgen bleiben. So musste ihm zu denken geben, dass selbst sein enger Freund Joseph Papesch, ein überzeugter Nationalsozia- list und hochrangiger Regie- rungsdirektor in der Behörde des Reichsstatthalters, Opfer der infamen NS-Politik wur- de. Wie aus heiterem Himmel wurde im Jänner 1941 seine geliebte, nach einer Menin- gitis in ihrer Kindheit behin- derte Tochter Grete abgeholt, um bald darauf im Rahmen der T4-Aktion ermordet zu werden. Papesch trat darauf- hin aus der SS aus. Was Kloep- fer wohl zu diesem tragischen Fall sagte, als er wieder einmal die Gasse zu dem Haus seines Freundes auf dem Ruckerl- berg hinaufschnaufte? Ein anderes Spannungsfeld stellte die Freundschaft mit seinem wohl engsten Vertrauten Vik- tor von Geramb dar, der von den Nationalsozialisten aus seinen akademischen Äm- tern entlassen und kaltgestellt wurde. Trotzdem blieb die innige Verbindung bis zum Ableben Kloepfers ohne er- kennbare Trübung erhalten. Die Brüche im Leben und Weltbild des Nationalsozia- listen Kloepfer sind ein be- sonders rätselhaftes Kapitel im Leben des Dichterarztes. Dazu gehört auch seine Bezie- hung zur katholischen Kirche. Die forciert kirchenfeindliche Haltung der Nazibewegung teilte der bekennende Frei- geist Hans Kloepfer jedenfalls nicht, einen feindseligen Ton suchen wir in seinen Schrif- ten vergeblich. Da Kloepfer dem katholischen Geistlichen und Intellektuellen Rochus Kohlbach persönlich nahe- stand, vernahm er es wohl mit Staunen, als die neuen Macht- haber diesen in Mauthausen internierten. Ein respektvolles, geradezu freundschaftliches Miteinander verband Kloepfer mit dem Köflacher Dechanten Stampfer. Als mehrjähriger Klosterarzt der Franziskaner zu Maria Lankowitz behan- delte Kloepfer kranke Ordens- mitglieder stets unentgeltlich, was auch in der Klosterchronik vermerkt wurde. Als Kloepfer 1944 starb, in- mitten des bereits niederge- henden Dritten Reiches, durf- ten auf Geheiß des Gauleiters Uiberreither Geistliche an der Grablege nicht teilneh- men, was im Markt Köflach für einiges Befremden sorgte. Die Beerdigung des zuletzt Schwerkranken, der sich im- mer mehr in sich und sein Haus zurückgezogen hatte, wurde von der Partei zu einer politischen Kundgebung in- szeniert, Hitler und Goebbels sandten Kränze. Bald nach dem Krieg setzte eine Kloepfer-Renaissance ein, Gedichte von Kloepfer zierten die Schulbücher, nach dem Dichterarzt wurden Straßen benannt und ihm zu Ehren Denkmäler errichtet. Über seine politischen An- sichten sprach man nur hin- ter vorgehaltener Hand, die Hakenkreuz-Anstecknadeln auf den Fotos des Verbliche- nen wurden wegretuschiert. Und langsam wurden die Weggefährten weniger, die Kloepfer noch persönl ich kannten, schätzten und ver- teidigten. Erst in den 1980er Jahren wich die unkritische Verehrung des Dichters einer differenzierteren Sicht, die etwa besonders von dem Grazer Schriftsteller Gerhard Roth eingemahnt wurde. Für die historische Einord- nung des Dichterarztes in un- seren Tagen ist es gut daran zu erinnern, dass Kloepfer keineswegs ein Einzelgänger war, sondern die überwie- gende Zahl aller Kollegen zwischen 1938 und 1945 Mit- glieder der NSDAP waren und sich die Partei gerade in der Ärzteschaft eines festen Rückhaltes erfreute. So war Dr. Kloepfer in seiner unkri- tischen NS-Verehrung auch ein Kind seiner Zeit. Sein Irrweg wird zum Menetekel für die Ärzteschaft auch in unseren Tagen: Allzuleicht versengt sich die Flügel, wer der politischen Glut zu nahe kommt. Dr. Harald Salfellner ist Arzt, Medizinhistoriker und Autor des Buches „Aber Arzt bin ich geblieben – Bilder aus dem Leben Hans Kloepfers“. Kloepfer mit dem Bildhauer Carl Hermann und einer Büste für das Deutsche Museum in München, 1943. So richtig froh wirkt der greise Dr. Kloepfer (das Bild entstand nicht allzu lange vor dessen Tod) nicht.

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