AERZTE Steiermark | Dezember 2021
KONGRESS ÆRZTE Steiermark || 12|2021 27 Der dritte Jahreskongress des Netzwerks Altersmedizin Steiermark stand unter dem Motto „Das ganze Leben leben. Holt Euch das Alter wieder zurück!“, dem Titel eines dort präsentierten aktuellen Buches. Zum dritten Mal fand Mitte November der Jahreskongress des Netzwerks Altersmedizin Steiermark statt, wobei jeder einzelne seine eigene Form hatte: Gab es im Jahr vor der Pandemie eine Präsenzver- anstaltung, 2020 dann einen reinen Online-Kongress, so fand er heuer hybrid statt. 70 Teilnehmende waren vor Ort in der Aula der Medizinischen Universität Graz, 190 ver- folgten die Vorträge in virtu- eller Form. Der Fokus lag heu- er auf dem Thema Leben mit Demenz , beginnend mit einer Podiumsdiskussion „Gutes Le- benmit Demenz – wie schaffen wir das?“, Vorträgen zu me- dizinischen und pflegerischen Aspekten der Demenz, Überle- gungen zu einem sozial integ- rierten Leben mit Demenz und den Versorgungsstrukturen für Menschen mit Demenz im Raum Graz. Am zweiten Kongresstag wurden aktuelle Forschungsprojekte und Ko operationen des Netzwerks Al- tersmedizin vorgestellt und die AAL-Praxiskonferenz (Active & Assisted Living) abgehalten. Zwölf Risikofaktoren Im Rahmen der Session Medi- zinische Aspekte von Demenz lieferte Nicole Fink von der Abteilung für Neurologie der Geriatrischen Gesundheits- zentren der Stadt Graz das Basiswissen über Pathogenese, Typologie und Epidemiologie. Gut 130.000 Betroffene leben in Österreich, wobei von einer Unterdiagnostizierung auszu- gehen sei; eine Verdoppelung der Zahlen bis 2050 sei durch- aus realistisch. Weltweit kön- ne es in diesem Zeitrahmen sogar zu einer Verdreifachung der Anzahl von Menschen mit Demenz kommen. Als häufigste Form der Demenz erkrankungen stand die Alz- heimer Demenz im Fokus der Betrachtungen, wobei Fink auf die von der Lancet Commission on Dementia Prevention defi- nierten zwölf Risikofaktoren verwies: Hörverlust, niedrige schulische Bildung, Rauchen, Depression, Bewegungsman- gel, Bluthochdruck, soziale Iso- lation, Diabetes, Übergewicht, Schädel-Hirn-Trauma, Luft- verschmutzung und Alkohol. „Wenn all diese Risikofaktoren ausgeschaltet werden könnten, ließen sich bis zu 40 Prozent der Demenzfälle vermeiden“, betonte Fink, „es ist nie zu früh, aber auch nie zu spät, um mit der Prävention zu beginnen.“ Hörgerät & Antihypertonikum Mit den evidenzbasierten Möglichkeiten der Prävention befasste sich Walter Schip- pinger, Ärztlicher Leiter der Albert-Schweitzer-Klinik und Präsident des Netzwerks Al- tersmedizin Steiermark . Eine davon sei die Bildung im Kin- des- und Jugendalter, die häufig dazu führe, dass auch danach Berufe und Hobbies gewählt würden, die geistig fit halten, wodurch auch der Faktor Le- benslanges Lernen abgedeckt sei. „Es gibt sogar Hinweise darauf, dass ein höheres Pensi- onsalter mit einem geringeren Demenz-Risiko korreliert“, so Schippinger. Der Effekt der derzeit vielfach beworbenen Kognitionstrainings (am PC) müsse erst in Studien geprüft werden, da sie möglicherweise nur ein kleines Spektrum an Fertigkeiten trainieren. Hörge- räte seien ein äußerst wichtiges Mittel zur Demenzprävention – sonst käme es bei Schwerhö- rigkeit rasch zu einer Mangel- stimulation des Gehirns. Bei Menschen, die im Alter zwi- schen 45 und 65 schon schwer- hörig seien, verdopple sich das Risiko für eine Demenz. Da auch die Hypertonie zu den einflussreichen Risikofaktoren gehöre, seien Antihypertonika die derzeit einzige Medika- mentengruppe mit präventiver Wirkung in Bezug auf die Demenz. Während ein – in jeder Lebensphase sinnvoller – Rauchstopp individuell zu erzielen sei, müsse der Risi- kofaktor Luftverschmutzung in größerem Rahmen gelöst werden. Als Demenz-fördernd haben sich vor allem Feinstaub, Stickstoffdioxid und Kohlen- monoxid erwiesen. Wer die Vorträge in voller Länge anhö- ren möchte, findet die Videos (fast) aller Präsentationen un- ter netzwerk-steiermark.com/ kongressrueckblicke. Ein Plädoyer für die Reintegra- tion des Alters und der alten Menschen in die Mitte der Gesellschaft ist das von Walter Schippinger, Rudolf Likar und Georg Pinter herausgegebene und am Kongress präsentierte Buch „Das ganze Leben. Holt Euch das Alter wieder zurück“, erschienen im Springer Verlag (ISBN 978-3662624852). Gut leben mit Demenz Gesundheitstalk Gesund altern Das Altern war auch Thema des aktuellen Gesundheitstalks der Kleinen Zeitung in Kooperation mit der steirischen Ärz- tekammer und der Apothekerkammer. Im Talk gab Peter Mrak, Ärztlicher Leiter und Primar der Inneren Medizin des LKH Weststeiermark am Standort Voitsberg, Tipps für ein gesundes Altern: „Jeder hat eine gewisse Reserve für das Alter, die sich aus der Jugend ableitet. Je aktiver man von Anfang an ist, desto hö- her sind die Kapazitäten, die im Alter zur Verfügung stehen.“ Kenntnisse über Erkrankungen im familiären Umfeld sollten dazu genutzt werden, rechtzeitig Screening-Untersuchungen durchführen zu lassen, chronische Erkrankungen im engen Austausch mit dem Arzt, der Ärztin des Vertrauens gema- nagt werden. Enge soziale Kontakte – auch über Generati- onen hinweg – geben immer wieder neuen Lebenssinn und schützen vor Vereinsamung. Neben Impfungen, rascher Mobilisation nach Stürzen und einer individuell angepassten Medikation helfen also auch die Enkelkinder, fit zu altern. „Holt Euch das Alter wieder zurück“ Buchtitel
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