AERZTE Steiermark | Dezember 2021

6 ÆRZTE Steiermark || 12|2021 BEREICH Eiko Meister Der Wahrheit endlich ins Auge schauen Der Bundesrechnungshof hat nun in einem Be- richt festgestellt, was wir schon lange wissen: Rund ein Drittel der Medizin-Uni-Absolventinnen und -Absolventen geht der österreichischen Gesund- heitsversorgung verloren, noch bevor es dafür ge- wonnen werden konnte. Das ist nicht nur bitter für die Bevölkerung sowie die überlasteten Ärztinnen und Ärzte im Gesundheitssystem, es ist auch so richtig teuer für die öffentliche Hand. Die bezahlt zwar brav die universitäre Ausbildung, verliert aber dann die Ärztinnen und Ärzte an Systeme, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur besser bezahlen, sondern auch sonst pfleglicher mit ihnen umgehen. Unmittelbar betroffen sind Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung, aber letztlich trifft es alle Ärztinnen und Ärzte, auch jene, die sich als Fach- und Oberärzt*innen alle Mühe geben, ihre Patientinnen und Patienten gut zu behandeln und ihre jungen Kolleginnen und Kollegen auszubil- den, so gut es halt geht. Es geht halt nur immer weniger gut. Daher wird es Zeit, dass Bund, Länder und deren Spitalsträ- ger der Wahrheit endlich in Auge schauen: Von Jahr zu Jahr, Budget zu Budget, Wahlperiode zu Wahlperiode zu denken und zu handeln, ist den Betroffenen, Ärztinnen und Ärzten, Angehörigen anderer Gesundheitsberufe sowie Patientinnen und Patienten einfach nicht zumutbar. Eine Gesundheitsversorgung kann nicht in so kurzen Zeiträumen geplant werden, wenn sie funktionieren soll. Eine angemessene personelle Ausstattung muss über viele Jahre vorausgedacht werden. Und Denken genügt nicht, es muss auch gehandelt werden. Das mag unpopulär klingen, aber es ist richtig. Politikerinnen und Politiker verwenden gerne das Wort „enkelfit“. Dann mögen sie bitte auch für eine enkelfitte Gesundheitsversorgung in Öster- reich und der Steiermark sorgen. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. INTRA 2 D BATTE KONT A Impfungen stellen einen substanziellen Eingriff in die körperliche Integrität von Menschen dar, der gegen deren Willen gewöhnlich nicht möglich ist. Macht man Impfungen verpflichtend, übergeht man ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung und missachtet ihr Ur­ teilsvermögen. Ethisch ist so etwas nur denkbar, wenn es um eine akute und schwere Bedrohung für die ge­ samte Gesellschaft geht, die nicht anders abgewendet werden kann. Unter solchen Bedingungen überwiegt dann eine Solidar­ pflicht, die ebenfalls zum Grundbestand der Gesellschaft gehört: Weil alle ein Teil der Gesellschaft sind, von ihr abhängen und von ihr profitieren, dürfen sie auch für Ziele in die Pflicht genommen werden, die nur gemeinsam erreichbar sind und allen nützen. Allerdings braucht es eine unmittelbare Bedrohung, die in Frage stehenden Maßnahmen müssen effektiv sein, es darf keine weniger einschneidenden Mittel geben und die Eingriffe müssen fair und gerecht sein. Die gesundheitlichen, psychischen und auch wirtschaft­ lichen Kosten der Covid-19-Pandemie sind derzeit so ge­ waltig und der Handlungszwang so akut, dass eine Impf­ pflicht gerechtfertigt erscheint. Wenn dabei auf gewalt­ sames Impfen verzichtet wird (dies wäre ein Impfzwang) und man sich mit Strafen begnügt, dann sind diese ein Ausgleich für die Zumutungen, welche eine Impfverweige­ rung für andere, für die Gesellschaft bedeutet. Allerdings müssen die genannten Voraussetzungen immer kritisch überprüft werden. Es braucht eine entsprechende wissenschaftliche Plausibilität und ein kontinuierliches Monitoring. Medizin und andere Wissenschaften tragen hier die Verantwortung, für das jeweils beste verfügbare Wissen zu sorgen. Es gibt in Demokratien auch ein Recht auf Unvernunft. Doch bezieht dieses sich nur auf das eigene Leben, even­ tuell auf das der eigenen Gruppe. Sobald aber kollektive Interessen berührt sind, führt kein Weg daran vorbei, dem zu folgen, was der Mehrheit nach bestem Wissen und Gewissen als das Vernünftige erscheint. Univ.-Prof. i. R. DDr. Walter Schaupp ist Mediziner und emeritierter Moraltheologe (Institut für Moraltheologie der Karl-Franzens-Universität Graz). Walter Schaupp Das Recht auf Unvernunft hat Grenzen

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