AERZTE Steiermark | Februar 2022

Niedergelassene Ärztinnen & Ärzte Ærzte Steiermark || 01|2022 45 Wirkstoffverschreibung sinnlos und gefährlich Wieder einmal wird darüber nachgedacht, dass Ärztinnen und Ärzte Wirkstoffe statt Arzneimittel verschreiben sollten. Die damit verbundene Gefährdung der Patientensicherheit wird offenbar nicht bedacht. Auch nicht, dass damit für den öffentlichen Bereich tatsächlich kein Geld erspart werden kann, aber die Patientinnen und Patienten massiv verstört werden. Arzneimittel sind mehr als Wirkstoffe. Da gibt es die ältere Dame mit Schluckbe- schwerden, der ihr Arzt des- halb ein inWasser auflösbares Pulver verschreibt – und kei- ne großen, mühsam zu schlu- ckenden Tabletten. Oder die Patientin, die nur eine kleine Dosis nehmen soll, weswegen sie einfach teilbare Tabletten verschrieben bekommt. Kin- der brauchen oft Arzneien, die nicht schlecht schmecken, weil sie sonst die Einnahme verweigern. Alte Menschen sollen immer die gleichen und bekannten Medikamente bekommen, weil sie bei neuen leicht die Orientierung verlie- ren, was fast zwangsläufig zu Fehleinnahmen führt. Das alles sind Beispiele aus der täglichen ärztlichen Pra- xis, die im Sinne der Pa- tientensicherheit gegen die reine Wirkstoffverschreibung sprechen. Die schadet näm- lich den Patientinnen und Patienten und macht nur den Apotheken die Lagerhaltung einfacher. Keine Einsparungen Macht die Wi rkstof f ver- schreibung Medikamente zumindest für die Kran- kenkassen billiger? Nicht in Österreich. Denn hier gibt es eine genaue gesetzliche Preisregelung für Arzneimit- tel, die garantiert, dass die so weit möglich günstigsten Arzneimittel verschrieben werden, aber eben unter Be- rücksichtigung der Patienten- bedürfnisse. Wie streng das Preisreglement ist, zeigt sich schon daran, dass mehr als vier von zehn verschreibungs- pflichtigen Arzneimitteln in Österreich günstiger sind als die Rezeptgebühr. „Es gibt aus gutem Grund die Trennung zwischen Ver- schreibung durch den behan- delnden Arzt und die Abgabe durch Apotheken. Führen wir uns nur einmal die vie- len verschiedenen Arznei­ spezialitäten mit demselben Wirkstoff vor Augen: Grö- ße, Form, Farbe sind unter- schiedlich und würden die Compliance von Patientinnen und Patienten massiv negativ beeinflussen. Da aber nur die richtig eingenommene The- rapie wirksam und sicher ist, wird allein durch die Reduk- tion der Compliance ein mög- licher Schaden beim Patienten ausgelöst“, sagt Univ.-Prof. Dr. Ernst Agneter, Facharzt für Pharmakologie und Inhaber des Lehrstuhls für Pharma- kologie an der Sigmund Freud Privatuniversität, dazu. Nur Politik Warum ist die Wirkstoff- verschreibung überhaupt ein Thema? Weil es – nicht zum ersten Mal – wieder politische Foto: Adobe Stock Vier Faschings- krapfen enthal- ten Germ und Marmelade als „Wirkstoffe“. Dennoch un- terscheiden sie sich deutlich. Das zeigt ganz simpel, welche Probleme es Pa- tientinnen und Patienten macht, falls Ärztinnen und Ärzte ihnen statt bestimmten Arzneimitteln nur Wirkstoffe verschreiben könnten.

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