AERZTE Steiermark | Februar 2022
niedergelassene Ärztinnen und ärzte Ærzte Steiermark || 02|2022 47 Der ganz normale Praxiswahnsinn praktisch täglich Von Ulrike Stelzl Es kann nur einen geben Da ich in meiner Ordination den Schwerpunkt auf Prävention und Gesundheitsförderung lege, führe ich naturgemäß viele Vorsorgeuntersuchungen durch. Zu jeder Gesundenuntersu- chung bitten wir die Patienten, ihren Impfpass mitzubringen. Das hat jahrelang gut funktioniert. Seit zirka einem halben Jahr jedoch nicht mehr. Auf die Frage nach dem Impfpass bekomme ich an manchen Tagen in vier von fünf Fällen die Antwort: „Hab ich nicht mit, weil ich bin eh geimpft.“ Seit ein paar Wochen ist diese Antwort abgelöst von: „Hab ich nicht mit, weil ich bin eh geboostert.“ Ich kann´s schon nicht mehr hören! Es scheint, dass sich beimThema Gesundheit wirklich alles nur noch um die Covid-Impfung dreht. Sie scheint zum Synonym für die Impfung an sich geworden zu sein – bzw. die Zusam- menfassung aller notwendigen Impfungen. Meistens antworte ich geduldig, dass ich die Covid-Impfung ja eh immer elektro- nisch einsehen kann. Aber die andere Impfgeschichte nicht. Was ich selbst so im Lauf der Jahre geimpft habe, kann ich mir mühsam aus der Kartei popeln, aber die Taten des ehemaligen Kinderarztes würde ich schon gerne im Impfpass bestaunen. Und mich interessieren noch immer die guten alten Masern, Hepatitis, Tetanus, die jedes Jahr Massen von Menschen welt- weit umbringen. Ohne Aufsehen und Dashboard. Manch einer steht auch dazu, dass er seinen Impfpass absicht- lich nicht mitgebracht hat. Er hätte nämlich gehört, dass das jetzt alles elektronisch gespeichert ist. „Ja schon“, sage ich dann, „seit ca. einem dreiviertel Jahr. Aber alles davor findet sich nicht im elektronischen Impfpass.“ „Warum? Es hat geheißen, die Hausärzte tragen das nach.“ Ja sicher, unbedingt. Wir sind schließlich die Bürosklaven der Nation! Aber das ist selbst für uns ein bisschen zu viel verlangt. Passend dazu, dass es offenbar nur mehr eine Impfung gibt, gibt es natürlich auch nur eine Erkrankung. Gerade habe ich Herrn G. das vierte Mal erklärt, dass man auch in Zeiten von Omikron die Grippe haben kann. Oder einen grippalen Infekt. Bei täglich negativem Test können Fieber, Husten und Schnupfen auch von einem der unglaublich vielen mittlerweile offensichtlich in Vergessenheit geratenen anderen Viren und Bakterien hervorgerufen werden. Glaubt er nicht, denn er hätte alle typischen Symptome. Weil Schnupfen ja so typisch ist! Aber offenbar kann es nur einen geben. Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemein medizin. Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2 Der ganz normale Praxiswahnsinn“ (erhältlich bei Amazon) Foto: Stelzl Die öffentlichen Testkapazi- täten (und die der Apotheken) reichen bei Weitem nicht aus, um dem Ansturm gerecht zu werden. Daher wurde die Ärz- teschaft gebeten, ihre ja schon länger bestehende Möglich- keit, ebenfalls für die Bevölke- rung kostenfreie Corona-Tests anzubieten, zu forcieren. Was auch geschehen ist. Aber: Nur Kassenärztinnen und -ärzte können laut Verordnung des Bundes diese kostenlosen Tests anbieten. Wahlärztinnen und Wahlärzte dürfen es nicht. Daher hat die Ärztekammer Steiermark nun einen neuer- „Gerade in Coronazeiten, in denen täglich viele Infektions- patientinnen und -Patienten in die Spitäler aufgenom- men werden müssen, ist der Ärztenotdienst wichtig zum Schutz der Bevölkerung und zur Entlastung des schwer unter Druck stehenden Kran- kenhauspersonals“, sagt die Ärztekammer Stiermark zu Plänen, den Ärztenotdienst lich Vorstoß unternommen, um die Einbeziehung der Wahlärztinnen und Wahl- ärzte zu erreichen. „Wer will, dass jeder Mensch raschen und unkomplizierten Zugang zu Tests hat, muss das kosten- lose Freitesten auch bei allen Ärztinnen und Ärzten wollen“, sagten Ärztekammerpräsident Herwig Lindner und Vizeprä- sident Christoph Schweighofer (der über die ÖÄK auch das Gesundheitsministerium an- gesprochen hat) dazu. Das Land Steiermark müsse dieses Anliegen im Interesse der Be- völkerung unterstützen. für die Bevölkerung von Graz, Kainbach, Stattegg, Thal und Weinitzen aufzusplittern. Konstrukt iven Geprächen über eine Stärkung stehe man aber aufgeschlossen gegen- über, wird betont. Sowohl die Sektion Al lgemeinmedizin als auch die Kurie Angestell- te Ärzte haben Resolutionen dazu beschlossen. Tests nur bei Kassenärzten? Ärztenotdienst notwendig Testen ist in aller Munde. Dass Wahlärzt*innen trotz des hohen Bedarfs in das „Gratis-Test-Pro- gramm“ nicht eingebunden sind, ist daher ein Skandal und absurd. Die Ärztekammer machte daher einen neuen Vorstoß. Seitens des Gesundheitsfonds Steiermark gibt es Bestrebungen, den Grazer Ärztenot- dienst zu schwächen. Gerade in der Corona- Krise sei das ein gefährliches Signal, befürchtet die Ärztekammer.
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