AERZTE Steiermark | Februar 2022
Bereich Ærzte Steiermark || 02|2022 7 Ich brauche keine Impfpflicht. Acht von zehn Erwachsenen in Österreich brauchen sie auch nicht. Sie waren nämlich schon ausreichend gegen COVID-19 geimpft, bevor das Impfpflichtge- setz in Kraft gesetzt wurde. Sie sind von der Impfung überzeugt. Aus ärztlicher Sicht problematisch ist, dass viele der wenigen, die sich der Impfung verweigern, versuchen werden, unter die Ausnahmen von der Impfpflicht zu fallen. Zwei sehr einfach fest- zustellende „Ausnahmegründe“ gibt es: Da ist einmal das Alter. Um nicht unter die Impfpflicht zu fallen, muss ein Mensch jün- ger als 18 Jahre alt sein. Ebenfalls eine Ausnahmegrund (nicht von der Sinnhaftigkeit der Impfung, aber von der Pflicht zur Imp- fung) ist die Schwangerschaft. Auch die ist leicht und verlässlich feststellbar. Dann aber wird es schwierig. Das Gesetz spricht von „Personen, die nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können“. In der konkreten Um- setzung sollen das u. a. solche sein, die gegen Inhalte der Impfstoffe allergisch sind oder an einer Unverträglichkeit leiden. Nun wissen wir, dass das eine sehr vage Formulierung ist. Unverträglichkeit kann nicht nur alles und nichts heißen, sie kann vorweg nicht einmal ordentlich festgestellt werden. Wenn jetzt Hunderttausende Allergie-Am- bulanzen aufsuchen, um sich einen Befreiungsgrund zu holen, werden sie notgedrungen enttäuscht werden. Sie werden nicht bekommen können, was sie sich wünschen. Arm sind die Kolleginnen und Kollegen dort, die ungenaue Vor- gaben der Verwaltung ausbaden müssen. Weil sie das Unmög- liche nicht möglich machen können. KAGes und Universität ha- ben ihrer Besorgnis über den zu befürchtenden, absurden Befrei- ungs-Tsunami zwar Ausdruck verliehen. Aber ob auf sie gehört wird, ist offen. Hier muss die Politik endlich Klarheit schaffen. Glücklicherweise bleibt zumindest den niedergelassenen Kol- leginnen und Kollegen die Last der Impfbefreiungsabwicklung erspart. Hier hat der Gesetzgeber auf den ärztlichen Rat gehört. Möge das auch für die Ambulanzen in den Spitälern gelten. An- dernfalls droht diesen eine Überschwemmung mit den „falschen“ Patientinnen und Patienten. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Die imWesentlichen hausärztliche Notfallversor- gung durch den Bereitschaftsdienst in der ganzen Steiermark und den Ärztenotdienst in Graz – er- gänzt durch den kinder- und jugendärztlichen Not- dienst KIJNO – ist für die Steirerinnen und Steirer von großer Bedeutung. So manche Veränderungen gab es in den letzten Jahren. Manche waren gut, an- dere sollten die Hilfe nur billiger für die öffentliche Hand machen. Im Jahr 2020 gab es Einbrüche wegen der Co- rona-Krise. Die gab es aber in vielen Bereichen. So konnte die Stadt Graz nur etwas mehr als 582.000 touristische Nächtigungen verzeichnen, 2019 – im letzten Jahr ohne COVID-19 – waren es noch gut 1,25 Millionen. Wer aber die Rück- kehr zur Normalität will (und wer will die nicht?), muss 2019 zum Maßstab nehmen. Das gilt auch für die ärztliche Notfallversorgung. Verbesserungen sind immer möglich und auch sinnvoll. Daran arbeitet auch ein ärztliches Team tatkräftig mit. Die Reduktion der Zahl der Bereitschaftsregionen war eine grundsätzlich sinnvolle Maßnahme. Es war und ist aber auch keine Schande einzugestehen, dass man dabei in einigen Regionen zu weit gegangen ist. Da wurde dann auch begonnen zu korrigieren. Ergänzend zum Visitendienst der Bevölkerung an den Wochenenden Bereitschaftsdienst-Ordinationen anzubieten, war ebenfalls eine wichtige Verbesse- rung. Die Menschen wollen und brauchen sie. Anderes Thema: Testen. Dazu hat uns ein Hilferuf des Landes ereilt: Die ärztlichen Testkapazitäten sollen wieder verstärkt werden. Aber bis dato gibt es keine erkennbaren Bemühungen (außer die der Ärztekammer), nicht nur Kassenärztinnen und Kassenärzte, sondern auch Wahlärztinnen und Wahlärzte in das für die Bevölkerung kostenfreie Testen einzubeziehen. Eine Bundesverordnung verhindert das. Es wird Zeit, Gesundheitspolitik für die Bevölkerung zu machen und aus dem „Geiz-ist-geil“-Modus herauszukom men. Vizepräsident Dr. Christoph Schweighofer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. extra Christoph Schweighofer Heraus aus der „Geiz-ist-geil“-Politik Standortbestimmung Herwig Lindner Impfbefreiung: Spitäler dürfen nicht überschwemmt werden d batte Fotos: Maximilian Opaschowski, Oliver Wolf, Elke Meister, Schiffer, Grafik: Konrad Lindner
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