56 Ærzte Steiermark || 03|2022 angestellte Ärztinnen und ärzte Ärzt*innen in Ausbildung GEM/EINSAM geben Einblick in ihren Alltag Illu und Foto: Adobe Stock ein monatliches Stipendium in dieser Höhe würden sich sicher auch Studierende an der Grazer Med Uni (die als öffentliche Universität keine Studiengebühren einhebt) freuen. Vermutlich würden sie es auch gerne billiger geben und sich im Gegenzug dazu bereit erklären, nach dem Studium eine gewisse Zeit in der Steiermark ärztlich zu arbeiten. Aber man habe „rechtlich keinen Weg gefunden“, um mit der Medizinischen Universität zu kooperieren, erklärte Bogner-Strauß dazu. Viele Rechtsexpertinnen und -experten teilen diese Einschätzung aber keineswegs. Jetzt handeln! „Man kann nicht 152 Vollzeitärztinnen und -ärzte, die jetzt fehlen, bekommen, indem man in Wien um teures Geld 20 Studierende ausbildet, die in sechs Jahren zur Verfügung stehen“, warnt auch der steirische AngestelltenObmann Eiko Meister. Auch er fordert eine sofortige Verbesserung der Rahmenbedingungen für die ärztliche (und die pflegerische) Arbeit in den Landeskrankenhäusern, damit die jetzt dort tätigen Ärztinnen und Ärzte nicht völlig die Motivation verlieren und weitere doch dazu bewogen werden, in der Steiermark zu arbeiten. „Jetzt handeln“, müsse daher die Devise lauten, denn „jetzt brauchen die Menschen in der Steiermark ausreichend kompetente ärztliche Hilfe“, so Meister. Land Steiermark nun über den Gesundheitsfonds 9 Millionen Euro für Stipendien an einer Wiener Privatuniversität freigemacht. Damit sollen die 12.500 Euro, die das Studieren pro Semester und Studienplatz dort kostet, bezahlt werden. Im Gegenzug, so das Konzept, verpflichten sich die Studierenden, nach dem Abschluss an einem steirischen Landeskrankenhaus zu arbeiten. Genaueres, was dieses Stipendium von 75.000 Euro pro Person bedeutet, weiß man nicht. „Durch mehr Studierende wird das Grundproblem nicht gelöst. Bei den Arbeitsbedingungen gehört angesetzt, damit die Ärzte auch in der Steiermark bleiben. Sie sind zumeist schlechter als in anderen Bundesländern. Das gilt für LKHs genauso wie für die Niederlassung. Wenn schon Stipendien, sollte unbedingt eine Kooperation mit der steirischen Medizinischen Universität gesucht werden. Dass steirisches Geld nach Wien geht, statt in der Steiermark zu bleiben, ist ein Schildbürgerstreich“, sagte der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner dazu. 2.000 Euro pro Monat und Person Tatsächlich ist das Projekt alles andere als kostengünstig: Pro Monat und Person (einschließlich der Ferienmonate) erhält die Nutznießerin (also die ausbildende Privatuniversität) mehr als 2.000 Euro. Über Cavete, Hänsel & Gretel! DasThema Ärztemangel und -abwanderung beschäftigt nicht nur die Politik, sondern mittlerweile auch mich selbst. Immer wieder ertappe ich mich dabei, Gedanken der Steiermark den Rücken zu kehren, nicht sofort zu verwerfen, sondern ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Ich bin hier geboren, fest verankert und möchte auch mein Leben hier verbringen. Allerdings nicht um jeden Preis. Der Vorstoß der steirischen Landespolitik, Stipendien an eine Privatuniversität in Wien zu vergeben, hat mich gleichermaßen überrascht und auch verwundert. Positiv ist zu vermerken, dass sich scheinbar doch jemand Gedanken über den (Jung-)Ärztemangel macht. Allerdings ist der aktuelle, medial gefeierte Lösungsvorschlag mehr als verwunderlich: 60 Stipendien an die Wiener Sigmund Freud Privatuni sollen den Trend zum Mangel umkehren können? 10 Jahre sollen dann die frischgebackenen Ärztinnen und Ärzte im System KAGes dienen. Ich erinnere mich gerne an meine Studienanfangszeit zurück. Jeder von uns hätte wirklich alles getan, um den Traum vomMedizinstudium zu verwirklichen. Glücklicherweise wurde mir damals so ein Angebot nicht unterbreitet, denn ich hätte ohne zu überlegen eingewilligt. Aber worauf lassen sich diese jungen Menschen ein? Sie sind zehn Jahre mit einem Knebelvertrag an ein bereits krankes System gefesselt. Unweigerlich drängt sich mir der Vergleich zu Hänsel und Gretel auf, wo die Kinder zunächst ins schmackhaft anmutende Lebkuchenhäuschen gelockt wurden – der Rest der Geschichte ist bekannt. Dass sich sowohl der steirische Ärztekammerpräsident als auch der Rektor der Med Uni Graz gegen diese Entscheidung ausgesprochen haben, ist beiden sehr hoch anzurechnen! Die steirische ÖH wurde mit dem Schachzug, die Ausbildung nach Wien zu verlegen, ja geschickt umgangen. Ob diese Entscheidung die ÖH der SFU tangieren wird, wage ich zu bezweifeln (Stichwort: Vertragsprüfung). Es ist den jungen Kolleg*innen nur zu wünschen, dass sie es ebenso wie Hänsel und Gretel unbeschadet überstehen werden. Wenn es ihnen in zehn Jahren so geht, wie es uns gerade geht, werden sie ohnehin ausgebrannt sein – oder früher. Auf gut steirisch: Sie werden vom System „verheizt“ werden. Obwohl unsere Arbeitsbedingungen derzeit nicht gut sind, können wir zumindest frei über unsere Arbeitskraft entscheiden. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer werde ich in meiner Entscheidung, meine Arbeitskraft, mein Wissen und meinen Einsatz nicht in ein System investieren zu wollen, das Jungärzt*innen in die neue Sklaverei zwingen muss, um am Leben zu bleiben. GEM/EINSAM – schreiben steirische Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung über ihren Alltag im Beruf, im Leben und ihren Weg von „wilden Jungen“ zu „alten Profis“.
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