AERZTE Steiermark | April 2022

Das Magazin der Ärztekammer Steiermark April 2022 Ärztekammerwahl 2022 – die Mandate 2022 (2017) Liste 1 | Vereinigung: 13 (2017: 13) Liste 2 | IG Angestellte Ärzte: 11 (2017: 13) Liste 3 | Aktion Freier Arzt: 9 (2017: 9) Liste 4 | IG Niedergelassene Ärzte: 5 (2017: 3) Liste 5 | Liste der Sozialversicherungsärzte: 1 (2017: 2) Liste 6 | Wahlärzte Steiermark: 3 (2017: 1) Liste 7 | Liste Integrative Medizin: 1 (2017: –) Österreichische Post AG MZ 02Z033098 M Ärztekammer für Steiermark, Kaiserfeldgasse 29, 8010 Graz, Retouren an PF555, 1008 Wien STEIERMARK Foto: Adobe Stock Foto: Katharina Fröschl-Rossb th Die Geimpftesten in österreich Geburtsland Iran Geburtsland Deutschland Statistik Austria-Untersuchung Geburtsland Türkei Geburtsland Afghanistan Geburtsland It lien Geburtsland China Geburtsland Tschechien Fotos: Adobe Stock

Ein guter Rat: http://www.aekstmk.or.at/53 Hier sollten Sie nicht inserieren, wenn Ihnen Ärztinnen und Anzeigenkontakt: Gernot Zerza, Tel.+43 664 2472673, E-Mail: Zerzagernot@gmail.com

Bereich themen Ærzte Steiermark || 04|2022 3 BUCHTIPP Wie wir alt werden und jung bleiben. Spermidin als Chance Von: Karin Gruber Verlagshaus der Ärzte ISBN 978-3-99052-233-2 EUR 19,90 Gesundes Altern resultiert nicht nur aus „guten Genen“, sondern auch aus eigenen Bemühungen, wobei Ernährung und Bewegung zu den Grundpfeilern gehören. Eine weitere wichtige Säule ist die Autophagie. Das dafür nötige Fasten erfordert jedoch einen eisernen Willen. Spermidin als Kalorienrestriktions-Mimetikum könnte die Effekte des Fastens auch ohne Nahrungsverzicht herbeiführen. Die Fachjournalistin Karin Gruber fasst zusammen, was über den Alterungsprozess bereits bekannt ist, berichtet über die verschiedenen Formen des Fastens und ihre Auswirkung auf das Altern sowie über die Möglichkeit, durch spermidinreiche Ernährung einen ähnlichen Effekt herbeizuführen. DATUM 12. Mai 2022 Zum 27. Mal wird der Internationale Tag des Chronischen Erschöpfungssyndroms ("International CFS/CFIDS/ME Awareness Day") begangen; am Geburtstag der englischen Krankenschwester Florence Nightingale, die selbst krank aus dem Krim-Krieg heimgekehrt ist. Im Kontext von Long COVID ist das Chronische Erschöpfungssyndrom nun bekannter denn je. LINK: https://offensivegesundheit.at/5nach12/ Wer die Unterschriftensammelaktion der österreichweiten Bürgerinitiative „5 nach 12“ unterstützen möchte, um auf untragbare Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen und in der Langzeitpflege aufmerksam zu machen, kann unter diesem Link Unterschriftenlisten herunterladen – und ein eigenes Foto zur Unterstützung der Aktion hochladen. Zahl 42 % der Erwachsenen und nur 15,6 % der Schüler*innen konnten in einer Befragung durch die Universität Graz die drei richtigen Übertragungswege von SARS-CoV-2 identifizieren: Tröpfchen, Aerosole und kontaminierte Oberflächen. Foto: Verlagshaus der Ärzte Fortbildungstipp Die 31. Ärztetage in Grado versprechen in ihrer Ausschreibung eine „Fortbildung der Superlative“. Der Themenbogen spannt sich von Alltagsdoping über Peripartale Psychiatrie bis zum Unfallmanagement beim Tauchen. Es gilt 1G. Details und Anmeldung unter www. arztakademie.at/fortbildungsangebot/ aerztetage/aerztetage-grado-fortbildung-der-superlative/. IMPRESSUM: Medieninhaber (Verleger): Ärztekammer für Steiermark, Körperschaft öffentlichen Rechts | Redak- tionsadresse: 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29, Tel. 0316 / 8044-0, Fax: 0316 / 81 56 71, E-Mail: presse@aekstmk. or.at | Chefredaktion: Martin Novak | Koordination: Mag. Ursula Scholz | Redaktionelle Betreuung und Produktion: CONCLUSIO PR Beratungs Gesellschaft mbH, Schmiedgasse 38, 8010 Graz | Gestaltung: Konrad Lindner | Anzeigen: Gernot Zerza, Tel.+43 664 2472673, E-Mail: Zerzagernot@gmail.com; Mit „Promotion“ gekennzeichnete Texte sind entgeltliche Veröffentlichungen im Sinne § 26, Mediengesetz. | Druck: Stmk. Landesdruckerei GmbH, 8020 Graz | Abonnements: Eva Gutmann, Ärztekammer Steiermark, Tel. 0316 / 804440, Fax: 0316 / 81 56 71. Jahresabonnement (11 Ausgaben) EUR 25,–. Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, Medienfabrik Graz, UW-Nr. 812 Klimakompensierte Produktion www.climate-austria.at Ident-Nr Klimak mpensierte Prod www.climate-austria Kennzeichnu für vorbildlic Waldwirtscha HCA-COC-100 Förderung nachhaltiger Waldwirtschaft PEFC/06-39-22 PEFC zertifiziert r ckt nach der Richtlin e „Druckerzeugnisse“ ster eichischen Umweltzeichens, ienfabrik Graz, UW-Nr. 812 Klimakompensierte Produktion www.climate-austria.at Ident-Nr. A Klimakomp nsierte Produk www.climate-austria.a Kennzeichnung für vorbildliche Waldwirtschaft HCA-COC-10029 Förderung c lti er l i ft - PEFC zertifiziert update im April Schlagzeile „Wenn schon Stipendien, sollte unbedingt eine Kooperation mit der steirischen Med Uni gesucht werden. Dass steirisches Geld nach Wien geht, statt in der Steiermark zu bleiben, ist ein Schildbürgerstreich.“ Mit diesen Worten kommentierte der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner den Plan, mit Geldern des Landes Steiermark 60 Studienplätze an der Sigmund Freud Privatuniversität zu finanzieren, wobei die Stipendiat*innen sich verpflichten müssen, nach Studienabschluss zehn Jahre in KAGes-Spitälern zu arbeiten. 25. Februar 2022

Bereich themen 4 Ærzte Steiermark || 04|2022 Fotos: xxx, Shutterstock/Montage Themen Cover. Bildung macht (Impf-)Quote 8 Cover. „Kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern“ 10 Ärztin im besonderen Dienst. Frederike Reischies-Meikl. Vom Totenkopf zur Lebensfreude 12 IT. Test-User*innen für steirisches IT-Gesundheitsportal gesucht 14 Versorgung. Vertrauensärztin/-arzt HIV-positiver Menschen sein 16 Kongress. Primärversorgungskongress sucht Fachbeiträge 18 Impfkommunikation. Die Kraft des Wortes 20 Belastete Ärztinnen und Ärzte. Jenseits der Grenze 23 Gesunder Genuss. Sauer macht köstlich 26 Ärztekammer-Wahl 2022. Ergebnisse im Detail 29 Symposium. Labormedizin in Corona-Zeiten: zwischen Grauzonen und Glanzleistungen 37 Buch. Heilende Frauenhände? 40 Wirtschaft&Erfolg. Die Altersversorgung des Wohlfahrtsfonds – Informationen und Anspruchsvoraussetzungen 42 Wirtschaft&Erfolg. Kunst: vom Genuss bis zum Anlegen 44 Rat&Daten. Steht die ISDN-Telefonie vor dem Aus? 45 Service. 1. Österreichischer Krebsreport: „Innovatives und dynamisches Feld“ 46 Expertinnentipp. Übermittlung von Schulbesuchs- bzw. Inskriptionsbestätigungen 47 CIRS. Fehldosierung durch verwirrende Angabe 47 Forschung. Tag der seltenen Krankheiten: zwei Projekte an der Med Uni Graz 48 Angestellte Ärztinnen und Ärzte Personalmangel. Krankenstände setzen Gesunden zu 50 GEM/EINSAM. Unterschied zwischen Stadt und Land 52 Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte Ärztenotdienst und KIJNO. Vor dem Aus? 53 Serie. Praktisch Täglich. Wir sind Europameister 55 Facharzt für Allgemeinmedizin. Resolution 56 Debatte 6 News 49 Planstellen 57 Referate 58 Kleinanzeigen 59 Personalia 62 Karikatur 65 Ad Personam 66 Kunst hilft. Über die plastische Chirurgie ist Frederike ReischiesMeikl zum kosmetischen und medizinischen Tätowieren gekommen. So kann die ÄrztinMenschen in doppelter Hinsicht helfen. Seite 12 Kunst nützt. In Zeiten wie diesen sind Geldanlagen besonders schwierig. Ist Kunst eine lohnende Alternative zu den üblichen Anlageformen? Seite 44

Ærzte Steiermark || 04|2022 5 Bereich themen Die so genannte „Tendenz zur sozial erwünschten Antwort“ kann Statistiken ziemlich verzerren. Trotz strenger Anonymität. Ein schönes Beispiel dafür ist die aktuelle „Frage des Monats“ in AERZTE Steiermark. Fast 80 Prozent sagten, sie nähmen an der Ärztekammerwahl 2022 teil. Und nur rund knapp 11 Prozent erklärten, sie würden nicht wählen. Dazu kommen noch knapp 10 Prozent, die sich nach eigenen Angaben noch nicht entschieden haben. Die „Messung“, nämlich die tatsächliche Wahlbeteiligung, finden Sie auf Seite 29. Fazit: Umfragen sind gut, Messungen sind besser. Was uns zur aktuellen CoverGeschichte bringt: Die Impfbeteiligungszahlen für diese Story hat die Statistik Austria gemessen. Es ist also davon auszugehen, dass sie richtig sind. Kleine Unschärfen sind auch bei Messungen möglich. Aber nur kleine. epikrise Kurze Nachrichten aus der Redaktion Soziale Medien: Twitter: www.twitter.com/ AERZTE_NEWS Facebook: www.facebook. com/aerztekammer.stmk/ und Facebook-Gruppe für steirische Ärztinnen und Ärzte Youtube: AERZTE_NEWS Wählen ist Ärztinnen- und Ärztesache Foto: beigestellt bildER des monats. „Die steirischen Ärzte und die steirische Industrie helfen“ – unter diesem Motto wurde medizinisches Material im Wert von rd. 400.000 Euro von der Steiermark an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht. Diese Initiative wurde durch eine beispiellose Kooperation zwischen Ärztinnen und Ärzten aus dem steirischen Impfnetzwerk, dem Industrieunternehmen Rosendahl Nextrom, der Ärztekammer, der Spedition Temmel und dem polnischen Rosendahl-Partner Fibrain möglich, der von einem Firmensitz nahe der polnisch-ukrainischen Grenze die Verteilung organisierte. Die Hilfe ist gut angekommen – Ibor Merena, Bürgermeister im westukrainischen Pidhajzi, dankte von Herzen. n=250 AERZTE Steiermark Frage des Monats Nehmen Sie an der Ärztekammerwahl 2022 teil? Ja Nein Ich habe mich noch nicht entschieden. 10,2 % 10,2 % 79,5 %

6 Ærzte Steiermark || 04|2022 Bereich Eiko Meister Mitarbeiterkultur mangelhaft Einst gab es so viele potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass die KAGes sie nicht sehr freundlich behandeln konnte. Das war zwar nicht okay, aber es war eine Tatsache. Diesen Überfluss gibt es schon längst nicht mehr. Das wirkt sich gerade in Corona-Zeiten besonders aus. Denn damit fallen zusätzlich wertvolle Arbeitskräfte aus. Die Verbleibenden haben es auszubaden. Das weiß man im Unternehmen und versucht, besser mit den Beschäftigten umzugehen. Das funktioniert aber leider oft nur theoretisch. Bei vielen scheint das, was der Kopf weiß, im Bauch noch nicht angekommen zu sein. Eine jahrzehntealte Personal-Unkultur lässt sich nicht so rasch verändern. Nur jetzt haben viele der arrogant oder gar mies Behandelten die Möglichkeit, woanders hinzugehen. Dort werden sie mit offenen Armen empfangen. Es wird Zeit, dass alle in der KAGes – und in allen Krankenhäusern – das begreifen und danach handeln. Vielen, die den Umgang mit „Menschen-Material“ (so empfinden sie es leider) in Zeiten des Überflusses gelernt haben, machen jetzt einfach so weiter. Es gibt viele Beispiele dafür. Und es ist müßig sie aufzuzählen, denn jeder weiß, wovon ich spreche. Die Vergehen reichen von herablassender Behandlung bis zu echten Ungerechtigkeiten. Es wird Zeit, dass jene, die das zu verantworten haben, endlich erkennen, dass sie weniger den schlecht Behandelten (die ja, wie gesagt, oft Alternativen haben) als dem eigenen Unternehmen schaden. Das hat nämlich ohne seine hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Probleme in der Aufgabenbewältigung. Also herunter vom hohen Ross und hin zu einem wertschätzenden, respektvollen Umgang. Und das täglich auf allen Ebenen. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. intra kont a Seit sich die ersten Meldungen über Long Covid verbreitet haben, ist die medizinische Gemeinschaft überfordert mit dem ungenauen, komplexen und nicht immer einfach objektivierbaren Krankheitsbild. Dennoch gibt es tausende Betroffene verschiedener Schweregrade, Verläufe und Vorerkrankungen. Sie alle brauchen aber dringend kompetente Unterstützung und Versorgung – und finden sie nur selten. Nach mehr als einem Jahr Erfahrung mit intensiver medizinischer, sozialer und rechtlicher Betreuung von Betroffenen versuchen wir zusammenzufassen, wie Ärzt:innen Patient:innen am besten unterstützen können: Auch ohne Möglichkeit einer Heilung ist es für Patient:innen wichtig, sich nicht im Stich gelassen zu fühlen. Mit speziellen Fragebögen kann man Patient:innen mit Long-Covid-Verdacht auf den ersten Termin vorbereiten und damit die Zeit effizient nützen. Toxische (forcierte) Positivität schadet, v. a. wenn keine konkrete Behandlung dahinter steht. Positiv denken und abwarten hat sich bei Long Covid nicht bewährt, v. a. nicht als Einzelstrategie: Das Leben wartet nicht endlos, Arbeitgeber, Schule, Familie lassen sich nicht unbefristet auf Pause stellen. Kostbare Zeit vergeht und die Patient:innen leiden unnötig, wenn nicht gleich mit Symptomlinderung und Stabilisierung begonnen wird. Hören Sie Ihren Patient:innen zu, glauben Sie ihnen und gehen Sie nicht von einer psychologischen Ursache aus, bis: (1) eine körperliche Ursache diagnostisch ausgeschlossen ist, (2) klare Zeichen einer psychologischen Pathologie vorliegen und (3) die/ der Patient:in diese Vermutung auch teilt. Psychopharmaka und Beruhigungsmittel sollten erst dann verschrieben werden, wenn ein psychischer Bedarf diagnostiziert ist und andere Therapien erfolglos waren. Long Covid ist für die meisten Menschen überwältigend. Wundern Sie sich daher nicht, wenn Patient:innen sich emotional zeigen. Seien Sie sich bewusst, dass Long Covid (und andere autoimmunologische und postvirale Erkrankungen) häufiger Frauen trifft und Ärzt:innen dazu neigen, Symptome bei Frauen fälschlicherweise psychologisch zu deuten. Das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung ist für Long CovidPatient:innen extrem wichtig. Falsche und vorschnelle psychologische Diagnosen stigmatisieren und schaden mehr als sie helfen. Momentan kann man Long-Covid-Patient:innen keine Heilung versprechen, daher sollte das vermieden werden. Hoffnung ist wichtig, falsche Hoffnung schädlich. Daher sollte man auf effektive Symptombekämpfung setzen, um die Lebensqualität und Selbstständigkeit zu erhöhen. Maarte Preller ist medizinische Masseurin und als Betroffene Gründerin der Selbsthilfegruppe und Patient:innen- Organisation www.longcovidaustria.at 2 d batte Maarte Prelller Wie helfe ich meinen Long Covid-Patient:innen?

Bereich Ærzte Steiermark || 04|2022 7 Wie geht es Ihnen? Oft ist ein reflexhaftes ‚gut‘ die Antwort. Auch wenn es gar nicht so ist. Ärztinnen und Ärzte können ein Lied da- von singen. Aber reden wir jetzt von den (kranken) Menschen, reden wir von unserem Gesundheitssystem. Das – respektive die Menschen, die es planen und weiterentwickeln sollen – antwortet nämlich auch gerne reflexhaft mit ‚gut‘. Und auch das stimmt gar nicht. Warum nicht? Weil sie – die Planerinnen und Planer – bei der angestrebten Verbesserung viel Gutes zerstören und über Bord werfen. So wird nicht verbessert, sondern kaputt gemacht. Ein ganz konkretes Beispiel: Zentralisierung vs. Wohnortnahe Versorgung: Manches ist in Zentren gut aufgehoben, keine Frage. Aber Zentralisierung bedeutet immer, sich von den Menschen zu entfernen, es bedeutet den Verlust von Nähe. Diese Nähe hat aber einen hohen Wert. Sie bedeutet Vertrautheit, kurze Wege, persönliche Beziehungen. Das Zentralspital oder das Gesundheitszentrum können mit hoher Verfügbarkeit punkten. In einer ‚Ich-will-alles-und-das-sofort‘-Gesellschaft, ist Verfügbarkeit von Bedeutung. Aber leider (oder gottseidank) wollen die meisten Patientinnen und Patienten nicht irgendeinen Arzt, irgendeine Ärztin. Sie wollen ‚ihre‘ Ärztin, ‚ihren‘ Arzt. Die sind aber nicht immer verfügbar. Weil jede und jeder Zeit für Erholung braucht. Und deshalb nicht immer verfügbar sein kann. Eine ehrliche Gesundheitsplanung sagt das den Menschen auch. Sie verändert zwar. Aber sie tut das behutsam, immer im Einvernehmen mit denen, die diese Planung in die Praxis umsetzen müssen, es immer wollen, es aber nicht können, wenn sie Fehlplanungen auszubaden haben. Aus Goethes Faust kommt das geflügelte Wort ‚von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft‘. Für die Gesundheitsplanung muss man es umdrehen: Diese Kraft will oft das Gute und schafft meist das Böse, indem sie das Gute über Bord wirft. Nicht aus bösem Willen, sondern weil sie es nicht besser versteht. Weil sie eines nicht kann: zuhören und sich das Gehörte zu Herzen nehmen. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Der Ärztenotdienst sowie der Kinder- und Jugendärztliche Notdienst für die Bevölkerung von Graz und mehreren Umlandgemeinden werden nach dem Willen des Landes Steiermark, der Stadt Graz und der ÖGK empfindlich eingeschränkt und sollen im allgemeinen Bereitschaftsdienst aufgehen. Argumentiert wird hauptsächlich damit, dass die Inanspruchnahme im Jahr 2020 deutlich zurückgegangen ist. Nur: Im Jahr 2020 ist vieles zurückgegangen, da hat nämlich die Corona-Pandemie begonnen. Davon waren die Krankenhäuser stark betroffen – die könnte man also auch einschränken. Man könnte auch die touristische Infrastruktur stark zurückfahren. Schließlich gab es 2020 um gut 53 Prozent weniger Nächtigungen als 2019. Die Zahlen lagen plötzlich auf dem Niveau von 1999. Aber kein vernünftiger Mensch würde so etwas verlangen. Schließlich soll ja wieder Normalität Einzug halten. Zur Normalität gehört aber auch eine normale medizinische Notfallversorgung, wie es sie vor der Pandemie gab. Die Beanspruchung des Ärztenotdienstes wird übrigens über die „Call-Taker“ des Telefons 1450 gesteuert. Nicht Patientinnen und Patienten entscheiden (die hängen vielfach nur in der Warteschleife) und schon gar nicht Ärztinnen und Ärzte. Dass diese Checklisten-Entscheidungen auch auf kinderärztliche Notfälle ausgedehnt werden, ist eine mehr als gefährliche Entwicklung. Alles wird also schwieriger für die Patientinnen und Patienten. Wie werden die darauf reagieren? Ganz einfach: indem sie gleich auf die Notfallambulanzen der Krankenhäuser zurückgreifen. Dort können sie nämlich einfach hinfahren, auch wenn das medizinisch gar nicht sinnvoll ist, die Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter noch mehr belastet und die Ressourcen verstopft. Aber Hauptsache die Planer*innen bekommen Recht. Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzte können ruhig leiden. Hauptsache, das Prinzip stimmt. Mag es auch noch so unsinnig sein. Vizepräsident Dr. Christoph Schweighofer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. extra Christoph Schweighofer Ärztenotdienst: Unsinn aus Prinzip? Standortbestimmung Herwig Lindner Unsere Gesundheitsversorgung erhalten und verbessern d batte Fotos: beigestellt, Oliver Wolf, Elke Meister, Schiffer, Grafik: Konrad Lindner

8 Ærzte Steiermark || 04|2022 Cover Bildung macht (Impf)- Quote Kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen, Bildung als zentraler Faktor für die Impfbeteiligung und Menschen aus 7 Ländern, die bessere Impfquoten haben als die in Österreich Geborenen. Eine Statistik-Austria-Studie zeigt auch überraschende Erkenntnisse. auch bei Bosnien und Herzegowina (36,5 Prozent), dem Kosovo, Nordmazedonien und Bulgarien (jeweils um die 25 Prozentpunkte) ist sie beträchtlich. Was noch auffällt: Bei nur fünf Ländern – Italien, China, Ungarn, Deutschland und Polen – ist die dortige Impfbeteiligung laut WHO-Daten höher als jene der in Österreich Lebenden, die in diesen Ländern geboren wurden. Die Messdaten der Statistik Austria stellen also manche – auch hartnäckige – Impfmythen in Frage. Und nicht für jede minutiös erhobene Zahl gibt es sofort eine eingängige Erklärung. Was die Fachleute im Interview sagen, stimmt aber jedenfalls: Korrekt ausgewertete Daten bieten hohe Erkenntnispotenziale. Frauen und Männer sehr ähnlich Nur sehr geringe Unterschiede gibt es dagegen bei den Impfquoten von Männern und Frauen – trotz aller falschen Gerüchte über Impfung und Fertilität. Das mag zwar in den (sozialen) Medien ein großes Thema sein, der Einfluss auf die Impfbeteiligung ist aber offenbar eher gering. Über alle Altersgruppen hinweg macht der Unterschied gerade 0,1 Prozent aus. Auch in den relevanten Altersgruppen bleibt er im niedrigen einstelligen Bereich. Generell sind in Österreich Lebende, die auch in Österreich geboren wurden, zu einem höheren Anteil geimpft (71,1 Prozent) als solche, die zwar in Österreich leben, aber in einem anderen Land geboren wurden. Aber für Menschen aus sieben untersuchten Ländern gilt das nicht: nämlich für den Iran, China, Tschechien, Deutschland, Afghanistan, die Türkei und Italien. Eine gewisse Unschärfe gibt es bei diesen Daten: Viele, die im Geburtsland geimpft wurden, sind im österreichischen Impfregister nicht eingetragen (siehe dazu das Interview auf Seite 10 und 11). Die Fachleute der Statistik Austria vermuten auch die Impfskepsis in einigen Ländern als Ursache. Was jedenfalls auffällt, ist die teils sehr hohe Differenz zwischen der Impfquote laut WHO im Geburtsland und unter den in Österreich Lebenden aus diesen Ländern. Im Falle Afghanistans beträgt sie mehr als 60 Prozentpunkte, bei Syrien immerhin mehr als 55 Prozent. Aber ursula scholz Martin Novak Mehr als 70 Prozent der in Österreich lebenden Menschen mit dem höchsten Bildungsabschluss (Universität, Akademie) haben einen C OV I D - 1 9 - „G e i mp f t “ - Status. Unter den Pflichtschulabsolvent*innen sind es nur 65,5 Prozent. Das ergibt eine Impfquotenuntersuchung der Statistik Austria, deren jüngste Daten Anfang März veröffentlicht wurden. Bildung begünstigt also die Impfquote. Der Faktor Bildung schlägt auch auf andere soziodemografische Merkmale durch. Erwerbstätige sind mit höherer Wahrscheinlichkeit geimpft als nicht Erwerbstätige. In Branchen mit einem hohen Anteil gut Gebildeter ist die Impfbeteiligung höher als in denenmit einem geringen Anteil. Foto: Adobe Stock

Ærzte Steiermark || 04|2022 9 Cover Grafik: Conclusio Impfbeteiligung in Österreich nach Geburtsland (und Impfquote im Geburtsland laut WHO) Polen Türkei Tschechien China Iran Syrien Nordmazedonien Italien Serbien Afghanistan Slowenien Kosovo Slowakei Bulgarien Russische Föderation Deutschland Bosnien und Herzegowina Ungarn Österreich Kroatien Nicht-Österreich Rumänien % 10 40 20 50 70 30 60 80 90 In Österreich lebende Menschen sind mit höherer Wahrscheinlichkeit gegen COVID-19 geimpft als in anderen Ländern Geborene und in Österreich Lebende. Es gibt aber gar nicht so wenige Ausnahmen: Die im Iran, in China, Tschechien, Deutschland, Afghanistan, der Türkei und in Italien Geborenen haben eine höhere Impfbeteiligung als die in Österreich Geborenen. In vier der 20 ausgewerteten Länder ist die dortige Impfbeteiligung höher als die der dort Geborenen in Österreich. Besonders bei Afghanistan und Syrien fällt zusätzlich auf, dass die in Österreich Lebenden eine um Vieles höhere Impfbeteiligung aufweisen als deren Geburtsländer laut WHO. Die geringste Impfbeteiligung in Österreich haben in Rumänien und Russland Geborene. Impfbeteiligung in Österreich lebender Menschen nach Geburtsland Impfbeteiligung im jeweiligen Geburtsland laut WHO Quelle Statistik Austria, Datenstand 7. März 2022

10 Ærzte Steiermark || 04|2022 cover Statistik Austria erstellt seit Dezember 2021 Statistiken zum Geimpft-/GenesenStatus der österreichischen Bevölkerung. Die Analysen wurden vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz beauftragt. Der Zugang zu den Daten aus dem Nationalen Impfregister Österreich und dem Epidemiologischen Meldesystem wurde durch die Novelle des Epidemiegesetzes vom 28.05.2021 ermöglicht, die die statistische Aufbereitung und wissenschaftliche Erforschung der COVID19-Krisensituation vorsieht. Die Beauftragung der Analyse des Geimpft-/GenesenStatus nach soziodemographischen Hintergrundvariablen erfolgte im Dezember 2021. Wir haben mit dem fachstatistischen Generaldirektor Tobias Thomas und Projektmanagerin Regina Fuchs von der Statistik Austria gesprochen. Was hat Sie an Ergebnissen der Studie besonders überrascht? In der öffentlichen Debatte wurde vor unserer Analyse häuf ig eine vermeint l ich niedrigere Impfquote unter Frauen thematisiert. Gerade in sozialen Medien kursierten nicht wissenschaftlich fundierte Berichte über einen möglichen Einfluss der Impfung auf die Schwangerschaft. Bei näherer Analyse der Daten hat sich gezeigt, dass insgesamt kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei den Impfquoten bestehen. Relevante Geschlechterunterschiede bestehen lediglich in der Bevölkerungsgruppe der 20- bis 39-jährigen nicht aktiv Erwerbstätigen, in der Frauen häufig in Mutterschutz oder Elternkarenz sind und tatsächlich eine niedrigere Impfquote aufweisen. Auch zeigt sich ein Rückgang der Impfquoten bei sehr alten Personen. Dass die Impfquoten stark mit dem Alter zunehmen, da ältere Personen mit höherer Wahrscheinlichkeit schwerer an COVID-19 erkranken, war aus der Medienberichterstattung über die sogenannten vulnerablen Gruppen bereits bekannt, zumal sich gerade Ältere auch frühzeitiger impfen konnten. In sehr hohem Alter, ab 84 Jahren, gehen die Impfquoten jedoch wieder zurück. Bislang wurde angenommen, dass ein höherer Anteil Genesener bei älteren, insbesondere in Pf legeheimen wohnhaf ten Personen den Rückgang der Impfquoten erklärt. Diese Hypothese konnte allerdings durch die Verknüpfung der Impf- und Genesungsdaten nicht gestützt werden. Es zeigt sich zwar, dass der Anteil der Personen, die über ein aktives Genesungszertifikat verfügen, bei in Anstaltshaushalten wohnhaften Personen weitaus höher ist, in Summe steigen aber in hohem Alter die Anteile jener, die weder ein aktives Impf- noch ein Genesungszertifikat haben. Es gibt offenbar einen starken Zusammenhang zwi schen formalem Bildungsgrad und Impfbeteiligung. Was ist Ihre Erklärung dafür? Je höher der Bi ldungsabschluss, desto höher die Impfquote. Das zeigt sich bei Männern und Frauen über alle Altersgruppen. Dabei verfügen Personen mit höherer formaler Bildung über mehr Einkommen, haben bessere Chancen am Arbeitsmarkt und sind auch im Durchschnitt gesünder. Auch die Sterblichkeit wird maßgeblich von der Bildung beeinflusst. So haben in Österreich Frauen mit Hochschulabschluss eine um etwa vier Jahre höhere Lebenserwartung als Frauen, die maximal die Pf lichtschule abgeschlossen haben. Bei Männern sind diese Unterschiede sogar noch ausgeprägter und liegen bei etwa sechs Jahren. Aber selbst wenn man das Einkommen oder den Erwerbsstatus statistisch kontrolliert, also diesen Einfluss herausrechnet, bleibt der Einf luss des formalen Bildungsgrades auf die Impfquote nachweisbar. Erwerbstätige sind zu einem höheren Grad geimpf t als nicht Erwerbstätige. Was können dafür die Gründe sein? Natürlich hängt die Teilnahme am Erwerbsleben auch vom formalen Bildungsabschluss ab: So sind Personen mit niedriger formaler Bildung öfter von Arbeitslosigkeit betroffen als Personen mit höherer formaler Bildung. Da die Impfquoten nach Bildung variieren, geht damit auch eine Auswirkung auf die Impfquoten von NichtErwerbstätigen einher. Aber auch wenn man den Einfluss des Erwerbsstatus um den Bildungseffekt statistisch bereinigt, besteht unter aktiv Erwerbstätigen eine merklich höhere Impfquote als unter Nicht-Erwerbstätigen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz. Wiewohl der Einfluss dieser Maßnahme aus den vorliegenden Daten nicht direkt nachgewiesen werden kann, ist dieser plausibel. Allerdings können auch das soziale Umfeld und die Interaktion im direkten Erwerbsumfeld einen Einfluss auf die Impfbereitschaft haben. Ebenfalls zu bedenken ist, dass Personen in höherem Erwerbsalter oftmals aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Der zugrundeliegende Gesundheitszustand und die Auswirkung von Vorerkrankungen auf die Impfquoten können aufgrund der uns vorliegenden Daten nicht analysiert werden. Die Branche spielt offensichtlich auch eine wichtige Rolle. In der Energiewirtschaft und bei Information und Kommunikation sind jeweils mehr als 80 Prozent geimpft, ebenso bei Freiberuflern bzw. tech- „Kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei den Impfquoten“ Fotos: Klaus Ranger/Statistik Austria, Zsolt Marton/Statistik Austria Prof. Dr. Tobias Thomas Dr. Regina Fuchs

Ærzte Steiermark || 04|2022 11 cover nischen Dienstleistungen, der Öffentlichen Verwaltung und Erziehung und Unterricht. In der Land- und Forstwirtschaft und am Bau sind nur 70 Prozent oder weniger geimpft. Wie lässt sich das begründen? Nicht nur die Impfquoten unterscheiden sich voneinander, auch die unterschiedlichen Ansteckungswahrscheinlichkeiten innerhalb der Branchen sind wichtige Erkenntnisse aus unseren Analysen. So gibt es beispielsweise mehr Personen in den Branchen Gesundheitswesen, Bau oder Beherbergung und Gastronomie, die im vergangenen halben Jahr von einer COVID19-Infektion betroffen waren. Das heißt, Personen, die in Branchen mit Kontakt zu Patientinnen und Patienten oder Kundinnen und Kunden arbeiten, können eine Infektion weniger gut vermeiden. Erwerbstätige, die hingegen besser auf das Arbeiten von zu Hause ausweichen können, sind tendenziell weniger oft direkt von COVID-19 betroffen. Zudem beeinflussen die Bildungsstruktur und die Herkunft der Beschäftigten die Branchenergebnisse. Zum Beispiel verfügen Beschäftigte in der Baubranche im Durchschnit t über einen niedrigeren Bi ldungsabschluss und kommen öfter aus dem Ausland als beispielsweise jene in der Information und Kommunikation. Diese Effekte schlagen sich auf die durchschnittlichen Impfquoten pro Branche nieder. Branchen, die stark im Fokus der öffentlichen Debatte waren, sind der Gesundheitssektor sowie Beherbergung und Gastronomie. Die Impfbeteiligung dort liegt aber nur im Mittelfeld. Ist das nicht erstaunlich? Gerade in der Beherbergung und Gastronomie spielen sicher der formale Bildungsstand und auch das Herkunftsland eine nicht unwesentliche Rolle. So verfügen rund vier von fünf Beschäftigten in der Beherbergung und Gastronomie maximal über einen Lehrabschluss bzw. den Abschluss einer berufsbi ldenden mitt leren Schule. Zum Vergleich: unter den 20- bis 64-jährigen aktiv Erwerbstätigen sind es insgesamt nur rund 65 %. Zudem gehören die Beherbergung und Gastronomie zu den Wirtschaftssektoren mit dem höchsten Anteil an ausländischen Beschäftigten, deren niedrigere Impfquote auch einen Einfluss auf die Gesamtimpfquote hat. Die Motive, warum sich Personen impfen lassen oder auch nicht, können wir aus unseren Daten nicht ersehen. Personen mit einem aufrechten Genesungszertifikat haben aber eventuell weniger Anreiz oder Möglichkeit, ihre Impfung aufzufrischen. Das könnte etwa im Gesundheitssektor eine Rolle spielen, da hier der Anteil der Genesenen sehr hoch ist. Gewaltige Unterschiede gibt es beim Herkunfts- bzw. Geburtsland. Ganz vorne liegen auch nach einer Altersstrukturbereinigung die ImpfquoWelche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Ergebnissen für die Impfkommunikation und die Datenlage im Gesundheitswesen ableiten? Die Analysen von Statistik Austria zeigen, welchen Einf luss soziodemographische Merkmale, also Alter, Geschlecht, die formale Bildung und die aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt, auf die Impfquoten und auch auf das Risiko einer COVID-19-Infektion haben. Bei den Impfquoten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gibt es durchaus noch Verbesserungspotential – wobei die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass in der Altersgruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen bereits mehr als 40 % im vergangenen halben Jahr von einer COVID-19-Infektion betroffen waren. Diese Erkenntnisse können bei der Planung und Umsetzung zielgerichteter Impfkampagnen genutzt werden. Generell zeigen die Analysen, welche Erkenntnispotenziale und Möglichkeiten bestehen, wenn Gesundheitsdaten datenschutzkonform ausgewertet werden. In der Statistik Austria als unabhängige Institution erfolgt dies nach sehr hohen Qual itätsstandards und pseudonymisiert unter strikter Einhaltung des Datenschutzes. Es wäre wichtig, wenn eine Quintessenz aus der Corona-Pandemie eine nachhaltige Verbesserung der Datenlage im Gesundheitsbereich wäre. Die Möglichkeiten wären durchaus gegeben. Voraussetzungen hierfür sind eine rechtliche Grundlage und eine entsprechende Finanzierung. ten von im Iran, in China, der Tschechischen Republik, in Deutschland, Afghanistan und der Türkei Geborenen. Ganz hinten liegen die in Rumänien und Russland Geborenen. Gibt es dafür eine plausible Erklärung? Beim Blick auf die nationalen Impfquoten in Südosteuropa wird die Impfskepsis in dieser Region sehr schnell sichtbar. Auch in Kroatien, das als EULand ausreichend Impfstoff zur Verfügung hat, war Anfang März nur etwa jede zweite Person geimpft. Nationale Empfehlungen im Herkunftsland haben wiederum einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Impfbeteiligung der Migrantinnen und Migranten. Eine weitere Erklärung ist die Nähe des Herkunftslandes zu Österreich. Es liegt nahe, dass sich zumindest ein Teil der Menschen bei Heimaturlauben in ihrem Herkunftsland impfen lässt. Viele der im Ausland erhaltenen Impfungen sind aber (noch) nicht im Nationalen Impfregister Österreichs registriert. Zwar besteht die Möglichkeit der Nacherfassung; es ist allerdings unklar, inwieweit diese Möglichkeit genutzt und Nachtragungen schon umgesetzt wurden. Auch sind nicht alle im Ausland erhaltenen Impfungen in Österreich anerkannt, so z. B. das russische Vakzin Sputnik V. Insgesamt wird es also zumindest bei manchen Herkunftsländern eine Untererfassung im Nationalen Impfregister Öster​reich geben. „Je höher der Bildungsabschluss, desto höher die Impfquote.“

12 Ærzte Steiermark || 04|2022 Foto: Ärztin im besonderen dienst Ursula Scholz Muskelbepackte, langbärtige Männer mit martialischer Körperbemalung auf ihrem ausgeprägten Bizeps – so stellt man sich Tätowierer vielleicht vor. Frederike Reischies-Meikl ist anders: eine zarte Frau mit (derzeit noch) gänzlich untätowierter Haut. Auch sie hat das ungewöhnliche Handwerk erlernt, zunächst in einem klassischen Grazer Tattoo-Studio, von der Pike auf. „Ich habe am Anfang meiner Ausbildung Blumen, Elefanten und Totenköpfe tätowiert, wie alle anderen auch“, erzählt die 35-Jährige. Ungewöhnlich an ihrer Laufbahn ist, dass sie sich erst nach Abschluss ihres Medizinstudiums und parallel zu ihrer Arbeit am Grazer Universitätsklinikum für Tattoos zu interessieren begonnen hat. „An der Abteilung für Plastische Chirurgie habe ich Patientinnen nach Brustrekonstruktionen getroffen, die entweder überhaupt nicht oder sehr schlecht tätowiert worden waren. Da ich Fotos von beeindruckenden TattooErgebnissen kannte, wusste ich: Das geht auch besser.“ Zweierlei Familientradition Rei schies-Mei k l begann Brustwarzen in 3D zu zeichnen, um Möglichkeiten und Effekte zu studieren. Schließlich lautet die Devise: Was du zeichnen kannst, kannst du auch tätowieren. Mit ihrer künstlerischen Ader knüpft Reischies-Meikl ebenso an die Familientradition an wie mit der Heilkunst: „Schon meine Großmutter hat viel gezeichnet, meine Tante ist Künstlerin – und vor dem Abitur hätte ich mir auch ein Kunststudium gut vorstellen können.“ Letztlich hat sich die Tochter zweier Ärzte jedoch für das Medizinstudium entschieden, womit sie heute sehr zufrieden ist. In ihrer Heimat – sie ist Berlinerin – hätte sie allerdings fünf Jahre auf einen Studienplatz warten müssen. So inskribierte sie zunächst in Brüssel Medizin, bevor sie ein Jahr danach zur Aufnahmeprüfung in Graz antrat, wo sie das Studium in ihrer Muttersprache absolvieren konnte. Nach Studienende dissertierte Reischies-Meikl auf der AbVom Totenkopf zur Lebensfreude Frederike Reischies-Meikl ist nicht nur kunstbegeisterte Ärztin, sondern auch staatlich geprüfte Tätowiererin. Das Handwerk hat sie von der Pike auf gelernt und dabei anfangs auch Totenköpfe gestaltet. Ihre eigentliche Mission sieht sie jedoch in der Verbesserung von Lebensqualität von Patient*innen: durch Brustwarzenrekonstruktionen und Narbenkorrekturen. teilung für Infektiologie und begann anschließend eine Facharztausbildung auf der plastischen Chirurgie, die sie nicht abgeschlossen hat. Vor fünf Jahren, in der Schwangerschaf t zum ersten Kind, reifte dann der Entschluss, sich parallel zur ärztlichen Tätigkeit auf medizinische Tattoos zu spezialisieren. „Ich hätte nie gedacht, dass die Ausbildung zum Tätowierer so aufwendig und umfassend ist, finde das aber gut. Schließlich geht es dabei auch um Sicherheit und Gesundheit.“ Lehr- und Wanderjahre Nach der Grundausbildung in klassischem Tätowieren und der staat l ichen Abschlussprüfung ging und geht Reischies-Meikl noch immer weltweit in die Lehre: bei Tätowierer*innen, die sich auf medizinische und kosmetische Aspekte spezialisiert haben. In Stacie-Rae Weir in Austin, Texas, beispielsweise fand sie eine Expertin für tätowierte Brustwarzen. „Man glaubt nicht, wie störend eine fehlende oder missgestaltete Brustwarze wirkt – nicht nur auf andere Menschen, sondern vor allem auf die Betroffenen selbst.“ Weitere Stationen ihrer Lehr- und Wanderjahre waren Toronto und Beverly Hills für die Narbenkorrektur, Vancouver für das HaarfollikelTätowieren sowie Warschau und Vancouver für die Rekonstruktion von Augenbrauen. Heuer plant ReischiesMeikl noch ein Praktikum in Asien. Möglich ist dieses große zeitliche Engagement nur aufgrund ihrer derzeitigen Elternkarenz und weil für ihren Partner, einen Chirurgen, die gleichberechtigte Rol lenvertei lung selbstverständlich ist. Einige ihrer Lehrenden sind selbst Betroffene, die durch einen eigenen Unfall die Notwendigkeit einer Narbenkorrektur erkannt haben. Bei jeder und jedem Einzelnen von ihnen muss sich ReischiesMeikl mit einem Katalog von Zeichnungen bewerben. „Mein medizinischer Hintergrund wirkt in dieser Branche eher abschreckend, punkten kann ich nur mit meinen graphischen Fähigkeiten.“ Nikola Milatovic „Da ich Fotos von beeindruckenden Tattoo-Ergebnissen kannte, wusste ich: Das geht auch besser.“ Frederike Reischies-Meikl

Ærzte Steiermark || 04|2022 13 Fotos: Nikola Milatovic, beigestellt Ärztin im besonderen dienst Idee für eigenes Tattoo Sich selbst hat ReischiesMeikl noch nicht tätowieren lassen, obwohl sie schon eine Idee im Hinterkopf trägt: Sobald ihr älterer Sohn seinen Namen selbst schreiben kann, würde sie sich diesen in seiner Handschrift tätowieren lassen. „Aber derzeit interessiert er sich ausschließlich für Lego“, erzählt sie. Vor den klassischen Tätowierer*innen und deren Handwerkskunst hat sie ebenso viel Respekt wie vor ihren Lehrmeister*innen in medizinischem und kosmetischem Tätowieren. „Jeder fertig ausgebildete Tätowierer könnte eine Brustwarze tätowieren“, ist sie überzeugt. „Aber Menschen nach so einem grav ierenden medizinischen Eingriff brauchen eine vollkommen andere Atmosphäre als ein Tattoostudio. Sie Risiko-Bias Die medizinischen Aspekte des Tätowierens stehen für Reischies-Meikl selbst aber durchaus im Fokus. „Ich bin nicht unkritisch gegenüber Tätowierungen! Im Bereich der Tattoo-Sicherheit ist noch viel zu tun.“ In den Medienberichten über die gesundheitlichen Risiken von Tattoos ortet Reischies-Meikl einen erstaunlichen Bias: „Eine – übrigens nicht bestätigte – mögliche Kanzerogenität der Farben wird aufgebauscht, ohne ausreichende Belege. Unzureichend behandelt wird hingegen das Risiko einer schweren allergischen Reaktion.“ Diese sei nicht einfach mit zwei Wochen Cortisoncreme zu behandeln, sondern ziehe im Ernstfall ein Entfernen des gesamten Tattoos inklusive Hauttransplantation nach sich. Wo ursprünglich ein ästhetisch gestaltetes Kunstwerk zu sehen sein sollte, präsentiert sich dann eine auffällige Narbe. Deren Aussehen man dann nicht mehr mit einem Tattoo verbessern kann … brauchen einen geschützten intimen Rahmen.“ Diesen finden sie bei Reischies-Meikl in einem ärztlichen Ambiente. Zu den schönsten Erfahrungen von Reischies-Meikl zählen jene Momente, in denen die (zumeist) Frauen ihre neue Brustwarze im Spiegel sehen. „Da kommen manchen schon die Tränen.“ Alle Kund*innen profitieren von Reischies-Meikls ärztlichem Hintergrund. „Ich weiß, was die Frauen hinter sich – und oft noch vor sich – haben. Ich kenne Narben im Zeitverlauf und kann entscheiden, ab wann eine Tätowierung möglich ist“, erklärt Reischies-Meikl. Sie sieht aber auch, wenn der Hautmantel über dem Silikonpolster zu dünn für eine Tätowierung ist oder erklärt Betroffenen überzeugend, warum nach manchen hautonkologischen Operationen keine Narbenkorrektur möglich ist: „Die Narbe muss beurteilbar bleiben, um dermatologische Rezidiv-Kontrollen zu ermöglichen.“ Zweites Standbein Reischies-Meikl sieht es als Privileg, in dieser Nische zu arbeiten und sich die Arbeit selbst einteilen zu können. „Daneben brauche ich nicht viel Entspannung – und wenn doch, finde ich sie im Zeichnen.“ Neben ihrem kreativen Potential sind es Empathie, aber auch Ehrgeiz, die sie selbst als ihre wesentlichen Charaktereigenschaften ansieht. Beim Tätowieren schöpft sie aus dem Vollen ihrer künstlerischen Begabung: vom richtigen Gefühl bei der Auswahl der zum Hauttyp passenden Farbe bis zum Gespür für die Symmetrie im Körperbild. Sie setzt sich aber auch für die Rechte ihrer Patient*innen ein und verhandelt mit den Krankenkassen über die Kostenübernahme ihrer Behandlungen. Und noch ein Lebensziel strebt sie an: „Mittelfristig möchte ich auch in meiner Heimatstadt Berlin medizinisches Tätowieren anbieten.“ Sorgsame Korrektur einer Bauchnarbe: Mit gekonnten Tatoos kann die Lebensqualität klar besser werden. BrustwarzenTattoo (rechtes Bild) nach Rekonstruktion.

14 Ærzte Steiermark || 04|2022 Illu: Adobe Stock IT Test-User*innen für steirisches IT-Gesundheitsportal gesucht Kostenlos für Ärztinnen und Ärzte sowie für Patientinnen und Patienten, rechtssicher und technisch einwandfrei. Das verspricht das „Steirische Gesundheitspotal“. Jetzt werden Test-User*innen gesucht, die es auf Herz und Nieren prüfen, bevor es ausgerollt wird. In enger Abstimmung mit der Ärztekammer entwickelt die KAGes-IT ein einfaches, sicheres, öffentliches Portal, dessen Nutzung für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für Pat ient innen und Patienten völlig kostenlos ist. Finanziert wird das „Gesundheitsportal Steiermark“ vom Gesundheitsfonds und der ÖGK. Damit wird ein öffentlich finanzierter digitaler Zugang zum Gesundheitswesen geschaffen. Noch eine ärztliche IT-Plattform? Ja, aber aus einem guten Grund: Private IT-Plattformen haben oft eine Schwäche: Was mit Daten dort geschieht, ist unklar. Ebenso, ob die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen und rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Diese Vielzahl unterschiedlicher Lösungen macht es auch für Patient*innen schwierig, den Möglichkeiten der Digitalisierung in ihren Arzt-Patientenbeziehungen zu vertrauen. Das neue, sichere und kostenlose „Steirische Portal“ soll diese Probleme lösen. Tester*innen gesucht Jetzt werden ärztliche TestUser*innen gesucht, die das Portal auf Herz und Nieren prüfen und auch ausgewählte Patient*innen dazu motivieren, mit ihnen gemeinsam zur digitalen Optimierung der Arzt-Patientenbeziehung beizutragen. Beispiel für die kostenfreie Nutzung: das Terminmanagement mit Pat ient innen und Pat ienten abwickeln, das allgemeine genauso wie das für spezielle Angebote (Impfen, Vorsorge- oder MKP-Untersuchungen etc.). Alexander Moussa. IT-Referent in der Ärztekammer Steiermark (und niedergelassener Al lgemeinmediziner in Hartberg): „Diese sichere, digita le Gesundheitsplat tform, getragen durch die öffentliche Hand, eröffnet uns ÄrztInnen für die Betreuung unseren PatientInnen viele Perspektiven. Es ist sehr erfreulich, dass wir steirischen ÄrztInnen hier von Beginn an aktiv in die Gestaltung einbezogen werden. Wir hoffen auf viele Friendly-User!“ Über das Gesundheitsportal haben tei lnehmende Ärztinnen und Ärzte auch Zugriffsmöglichkeit auf bereits verfügbare Krankengeschichten im KAGes-System sowie im IT-System der Barmherzigen Brüder. Für den Zugriff im Gesundheitsportal bedarf es einer rechtsverbindlichen „Über die konkrete praktische Nutzung des Gesundheitsportals Steiermark, entscheidet jeder User persönlich.“ Kostenlos, öffentlich, rechtlich und technisch sicher – das ist das Versprechen des neuen IT-Gesundheitsportals der KAGes für alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. TestUser*innen sollen es auf Herz und Nieren prüfen.

Ærzte Steiermark || 04|2022 15 IT FORTBILDUNG AKTUELL Kursort: Steiermarkhof Graz www.steiermarkhof.at 5 Termine immer FR/SA: 28./29. Okt., 11./12. Nov. 2022, 27./28.. Jänner, 3./4. März, 21./22. April 2023 jeweils FR (15.45-21.30 Uhr) & SA (08.30-13.45 Uhr) Anmeldung & Info www.med.or.at/forensik Auskünfte: Frau Michaela Hutter Telefon 0316/8044-37 Fax 0316/8044-132 E-Mail: fortbildung@aekstmk.or.at 7. ÖÄK-Diplomlehrgang Forensischpsychiatrische Gutachten 22/23 Zielgruppe: FachärztInnen für Psychiatrie..., die beabsichtigen als GutachterInnen tätig zu werden 25.FORTBILDUNGSMONAT FÜR ÄRZTINNEN UND ÄRZTE IN AUSBILDUNG DETAILPROGRAMM & ANMELDUNG WWW.MED.OR.AT/FBM Wir danken für die Unterstützung: FORTBILDUNG AKTUELL Anmeldung & Info: www.med.or.at/fbm Auskünfte: Christian Hohl Telefon 0316/8044-33 Fax-132 E-Mail: fortbildung@aekstmk.or.at MAI 2022 nationen in der Steiermark statt. Leistungs-Verrechenbarkeit kassenabhängig Wie weit die über das Gesundheitsportal Steiermark eingeleitete oder abgewickelte ärzt l iche Leistung verrechenbar ist, hängt dabei nicht vom Porta l ab. Inhalt l ich gelten dafür ausschließlich die gültigen Bestimmungen der jeweiligen Kr nkenversicheru gen. Offen für neue IT-Leistungen Das Gesundheitsportal ist so konzipiert, dass auch heute noch nicht verfügbare digitale Angebote zukünftig rasch darüber abgewickelt werden können. Es wird Ärztinnen und Ärzte unterstützen, für ihre Patientinnen und Patienten auch „digital sichtbarer“ zu werden und die mit der zunehmenden Digitalisierung aller Gesellscha f tsbereiche einhergehenden Veränderungen poitiv für die Betreuung dieser Patientinnen und Patienten zu nutzen. Einwilligung der in den Test einbezogenen Patientinnen und Patienten. Dies ist über ein Papier-Formular möglich, das zum Auf legen in jeder Test-Ordination zur Verfügung gestellt wird. Vergleichbar ist das mit dem Zugriff auf das Medizinportal der KAGes, das ja schon von vielen Ärztinnen und Ärzten genutzt wird. Das neue Portal soll diese Zugriffsmöglichkeit ablösen. Nutzung ist persönliche Entscheidung Über die konkrete praktische Nutzung des Gesundheitsportals Steiermark entscheidet jede/r User*in persönlich. Das Portal garantiert die nötige rechtliche und technische Sicherheit. Testphase 2 bis 3 Monate geplant Test-User *innen können sich online anmelden. Wann die Testphase genau startet, hängt noch von technischen Fragen ab. Sie wird jedenfalls zwei bis drei Monate dauern. In Anschluss findet d nn der umfas ende Rollout für all Kass n- und Wahlarztordi- „Es ist sehr erfreulich, dass wir steirischen ÄrztInnen hier von Beginn an aktiv in die Gestaltung einbezogen werden.“ Ärztekammer-IT-Referent Alexander Moussa Anmeldelink für Test-User*innen: www.aekstmk.or.at/limesurvey/index.php/51361?lang=de

16 Ærzte Steiermark || 04|2022 versorgung „Aus Kapaz i t ät sg ründen können wir leider nur mehr HIV-positive Patienten neu aufnehmen!“, erscheint als Erstinformation auf der Website einer Wiener allgemeinmedizinischen Gruppenpraxis. Viel eher erleben HIVPositive allerdings das genaue Gegenteil, wie die Meldungen von Diskriminierungsfällen an die AIDS-Hilfe zeigen: Wer den Arzt oder die Ärztin vorab über seine HIV-Infektion informiert (was er oder sie de jure nicht tun müsste, also zum Schutz des Arztes tut), stößt manchmal immer noch auf deutliche Ablehnung und diskriminierende Behandlung. Diese reicht von der ausschließlichen Vergabe von Schlussterminen über rot markierte Anmerkungen auf Karteikarten bis hin zur Behandlungsverweigerung mit dem Argument, nach der ärztlichen Versorgung des oder der Infizierten müsse von den Instrumenten bis zum Raum alles speziell gereinigt werden. Diese Argumente werden allerdings vielfach als Diskriminierung empfunden. Von allen im Jahr 2021 an die AIDS-Hilfen Österreichs herangetragenen Berichten über Ungleichbehandlung resultierten bedauerlicherweise die meisten aus Vorfällen im Gesundheitswesen – bei (Zahn-) besteht nicht in der Langzeitbetreuung von lege artis therapierten HIV-Infizierten, sondern in der Akutphase der Infektion, wenn die Betroffenen zumeist selbst noch nicht wissen, dass sie sich angesteckt haben. „Die Viruslast erreicht in dieser ersten Infektionsphase besonders hohe Werte, die mit einem dementsprechend signifikant höheren Transmissionsrisiko einhergehen. Studien zeigen, dass in etwa 50 % aller Fälle die HIVÜbertragung auf Kontakte mit Personen im Stadium der frühen HIV-Infektion zurückzuführen sind“, heißt es in jenem Handlungsleitfaden zur akuten HIV-Infektion, den die Wiener Ärztekammer, Ärzt*innen, in Kliniken oder im Zuge von Kur- und RehaAufenthalten. Der Geschäf tsführer der Aids-Hilfe Steiermark, Manfred Rupp, hat eine Erkärung: „Unsicherheit schafft Angst und Angst ist ein Nährboden für Diskriminierung. Wir als AIDS-Hilfe bieten Informationen, Materialien und Workshops – auch für Gesundheitspersonal – an, damit Unsicherheiten und Ängste weniger werden und Diskriminierung abnimmt.“ Vertrauen stärken Die größte Gefahr, sich bei der medizinischen Behandlung mit HI-Viren anzustecken, die AIDS-Hi lfen Österreichs, die Österreichische AIDS Gesellschaft und die Österreichische Gesellschaft niedergelassener Ärzte zur Betreuung HIV-Infizierter (ÖGNÄ-HIV) herausgegeben haben (siehe Link unten). In dieser Situation kommt den Al lgemeinmediziner*innen als zumeist erster Anlaufstelle eine Schlüsselrolle zu, um den Verdachtsfall im Anamnesegespräch zu erkennen und einen Test zu veranlassen. Ihre professionelle und wertneutrale Reaktion auf eine potentielle HIV-Infektion kann im besten Fall das Vertrauen der betroffenen Menschen in das Gesundheitssystem Vertrauensärztin/-arzt HIV-positiver Menschen sein Fühlen sich HIV-infizierte Menschen beim Arzt oder im Krankenhaus diskriminiert, vermeiden sie medizinische Behandlungen. Dadurch steigt das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs sowie einer Transmission. Mit rechtzeitiger und sensibler ärztlicher Betreuung ist allen Beteiligten geholfen. Foto: Adobe Stock

versorgung stärken und dazu beitragen, dass die Infektion frühzeitig diagnostiziert und in weiterer Folge regelmäßig therapiert wird, womit das Transmissionsrisiko enorm gesenkt wird. Datenschutz wahren Die in Spitälern und Arztordinationen üblichen Hygienemaßnahmen sind darauf ausgelegt, dass potentiell ansteckende Personen im selben Procedere behandelt werden wie Menschen ohne ansteckende Erkrankung. Es besteht daher kein Grund, an HIV-Positive ausschließlich Schlusstermine zu vergeben oder sie als Patient*innen generell abzulehnen. Auch im Fall einer HIV-Infektion ist der Datenschutz zu wahren. Die Information über den Infektionsstatus darf also nicht nach außen dringen, weder an Angehörige noch an den Arbeitgeber. Der interne Vermerk kann so gehandhabt werden, dass alle in die Behandlung involvierten Personen Bescheid wissen, nicht aber die Menschen imWartezimmer. Der Wunsch HIV-Infizierter, Ärztinnen und Ärzte mögen auf ihren Websites oder in der Ärztesuche auf der Homepage der Ärztekammer explizit erwähnen, dass sie bereit sind, HIV-Infizierte zu behandeln, mag wiederum bei den Ärzt*innen die Angst wecken, dann für HIV-Negative unattraktiv zu wirken. Die respektvolle Behandlung von Patient*innen mit übertragbaren Erkrankungen ist für Ärztinnen und Ärzte im Al lgemeinen selbstverständlich. Wer sich als Arzt oder Ärztin, sei es aus gesundheitlichen oder anderen Gründen, vor einer Ansteckung fürchtet, möge das auf wertschätzende Art kommunizieren und Betroffene an Kolleg*innen vermitteln. „Nicht so kompliziert wie einst“ Auch Horst Schalk, Gründer jener eingangs erwähnten Wiener Gruppenpraxis, ermunterte im Interview mit der Ärzte Krone Al lgemeinmediziner*innen, HIV-positive Patient*innen zu betreuen – nicht nur mit ihren alltäglichen gesundheitlichen Problemen, sondern auch in Bezug auf ihre HIV-Infektion: „Ich wünsche mir (…), dass mehr Ärzte HIV-Patienten betreuen. Dank der modernen Medizin ist die Behandlung heute nicht mehr so kompliziert wie einst.“ Leitfaden Akute HIV-Infektion in der allgemeinmedizinischen Praxis: Daran denken und testen! https://www.aidshilfen. at/2021/02/04/h-a-n-d-l-un-g-s-l-e-i-t-f-a-d-e-n-akutehiv-infektion-in-der-allgemeinmedizinischen-praxisdaran-denken-und-testen/ Ærzte Steiermark || 04|2022 17 Fr. 24. – So. 26. Juni 2022, Seggau Leitung: Univ.-Prof. Dr. Peter Schober Internistisch-physiologischer Grundkurs II + IV Praxis- & Theorieseminare, Workshop, Ärztesport Mi. 7. – So. 11. Dez. 2022, Ramsau Leitung: Prim.i.R. Dr. Engelbert Wallenböck Orthop.-Traumatolog.-Physk. Grundkurs I Praxis- & Theorieseminare, Ärztesport FORTBILDUNG AKTUELL Anmeldung & Info: www.med.or.at/sport Auskünfte: Michaela Hutter Telefon 0316/8044-37 E-Mail: fortbildung@aekstmk.or.at SportÄrztetage Ausbildung zum ÖÄKDiplom „Sportmedizin“ 22 Dr. N MR D Be un „Ga Mode Refer Mit 19. Ärz FO Anm www Auskü Telefo E-Ma K M Erich Westendar / pixelio.de „Von allen 2021 an die AIDS-Hilfen Österreichs herangetragenen Berichten über Ungleichbehandlung resultierten die meisten aus Vorfällen im Gesundheitswesen – bei (Zahn-)Ärzt*innen, in Kliniken oder im Zuge von Kur- und Reha-Aufenthalten.“

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=