10 Ærzte Steiermark || 04|2022 cover Statistik Austria erstellt seit Dezember 2021 Statistiken zum Geimpft-/GenesenStatus der österreichischen Bevölkerung. Die Analysen wurden vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz beauftragt. Der Zugang zu den Daten aus dem Nationalen Impfregister Österreich und dem Epidemiologischen Meldesystem wurde durch die Novelle des Epidemiegesetzes vom 28.05.2021 ermöglicht, die die statistische Aufbereitung und wissenschaftliche Erforschung der COVID19-Krisensituation vorsieht. Die Beauftragung der Analyse des Geimpft-/GenesenStatus nach soziodemographischen Hintergrundvariablen erfolgte im Dezember 2021. Wir haben mit dem fachstatistischen Generaldirektor Tobias Thomas und Projektmanagerin Regina Fuchs von der Statistik Austria gesprochen. Was hat Sie an Ergebnissen der Studie besonders überrascht? In der öffentlichen Debatte wurde vor unserer Analyse häuf ig eine vermeint l ich niedrigere Impfquote unter Frauen thematisiert. Gerade in sozialen Medien kursierten nicht wissenschaftlich fundierte Berichte über einen möglichen Einfluss der Impfung auf die Schwangerschaft. Bei näherer Analyse der Daten hat sich gezeigt, dass insgesamt kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei den Impfquoten bestehen. Relevante Geschlechterunterschiede bestehen lediglich in der Bevölkerungsgruppe der 20- bis 39-jährigen nicht aktiv Erwerbstätigen, in der Frauen häufig in Mutterschutz oder Elternkarenz sind und tatsächlich eine niedrigere Impfquote aufweisen. Auch zeigt sich ein Rückgang der Impfquoten bei sehr alten Personen. Dass die Impfquoten stark mit dem Alter zunehmen, da ältere Personen mit höherer Wahrscheinlichkeit schwerer an COVID-19 erkranken, war aus der Medienberichterstattung über die sogenannten vulnerablen Gruppen bereits bekannt, zumal sich gerade Ältere auch frühzeitiger impfen konnten. In sehr hohem Alter, ab 84 Jahren, gehen die Impfquoten jedoch wieder zurück. Bislang wurde angenommen, dass ein höherer Anteil Genesener bei älteren, insbesondere in Pf legeheimen wohnhaf ten Personen den Rückgang der Impfquoten erklärt. Diese Hypothese konnte allerdings durch die Verknüpfung der Impf- und Genesungsdaten nicht gestützt werden. Es zeigt sich zwar, dass der Anteil der Personen, die über ein aktives Genesungszertifikat verfügen, bei in Anstaltshaushalten wohnhaften Personen weitaus höher ist, in Summe steigen aber in hohem Alter die Anteile jener, die weder ein aktives Impf- noch ein Genesungszertifikat haben. Es gibt offenbar einen starken Zusammenhang zwi schen formalem Bildungsgrad und Impfbeteiligung. Was ist Ihre Erklärung dafür? Je höher der Bi ldungsabschluss, desto höher die Impfquote. Das zeigt sich bei Männern und Frauen über alle Altersgruppen. Dabei verfügen Personen mit höherer formaler Bildung über mehr Einkommen, haben bessere Chancen am Arbeitsmarkt und sind auch im Durchschnitt gesünder. Auch die Sterblichkeit wird maßgeblich von der Bildung beeinflusst. So haben in Österreich Frauen mit Hochschulabschluss eine um etwa vier Jahre höhere Lebenserwartung als Frauen, die maximal die Pf lichtschule abgeschlossen haben. Bei Männern sind diese Unterschiede sogar noch ausgeprägter und liegen bei etwa sechs Jahren. Aber selbst wenn man das Einkommen oder den Erwerbsstatus statistisch kontrolliert, also diesen Einfluss herausrechnet, bleibt der Einf luss des formalen Bildungsgrades auf die Impfquote nachweisbar. Erwerbstätige sind zu einem höheren Grad geimpf t als nicht Erwerbstätige. Was können dafür die Gründe sein? Natürlich hängt die Teilnahme am Erwerbsleben auch vom formalen Bildungsabschluss ab: So sind Personen mit niedriger formaler Bildung öfter von Arbeitslosigkeit betroffen als Personen mit höherer formaler Bildung. Da die Impfquoten nach Bildung variieren, geht damit auch eine Auswirkung auf die Impfquoten von NichtErwerbstätigen einher. Aber auch wenn man den Einfluss des Erwerbsstatus um den Bildungseffekt statistisch bereinigt, besteht unter aktiv Erwerbstätigen eine merklich höhere Impfquote als unter Nicht-Erwerbstätigen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz. Wiewohl der Einfluss dieser Maßnahme aus den vorliegenden Daten nicht direkt nachgewiesen werden kann, ist dieser plausibel. Allerdings können auch das soziale Umfeld und die Interaktion im direkten Erwerbsumfeld einen Einfluss auf die Impfbereitschaft haben. Ebenfalls zu bedenken ist, dass Personen in höherem Erwerbsalter oftmals aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Der zugrundeliegende Gesundheitszustand und die Auswirkung von Vorerkrankungen auf die Impfquoten können aufgrund der uns vorliegenden Daten nicht analysiert werden. Die Branche spielt offensichtlich auch eine wichtige Rolle. In der Energiewirtschaft und bei Information und Kommunikation sind jeweils mehr als 80 Prozent geimpft, ebenso bei Freiberuflern bzw. tech- „Kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei den Impfquoten“ Fotos: Klaus Ranger/Statistik Austria, Zsolt Marton/Statistik Austria Prof. Dr. Tobias Thomas Dr. Regina Fuchs
RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=