AERZTE Steiermark | April 2022

12 Ærzte Steiermark || 04|2022 Foto: Ärztin im besonderen dienst Ursula Scholz Muskelbepackte, langbärtige Männer mit martialischer Körperbemalung auf ihrem ausgeprägten Bizeps – so stellt man sich Tätowierer vielleicht vor. Frederike Reischies-Meikl ist anders: eine zarte Frau mit (derzeit noch) gänzlich untätowierter Haut. Auch sie hat das ungewöhnliche Handwerk erlernt, zunächst in einem klassischen Grazer Tattoo-Studio, von der Pike auf. „Ich habe am Anfang meiner Ausbildung Blumen, Elefanten und Totenköpfe tätowiert, wie alle anderen auch“, erzählt die 35-Jährige. Ungewöhnlich an ihrer Laufbahn ist, dass sie sich erst nach Abschluss ihres Medizinstudiums und parallel zu ihrer Arbeit am Grazer Universitätsklinikum für Tattoos zu interessieren begonnen hat. „An der Abteilung für Plastische Chirurgie habe ich Patientinnen nach Brustrekonstruktionen getroffen, die entweder überhaupt nicht oder sehr schlecht tätowiert worden waren. Da ich Fotos von beeindruckenden TattooErgebnissen kannte, wusste ich: Das geht auch besser.“ Zweierlei Familientradition Rei schies-Mei k l begann Brustwarzen in 3D zu zeichnen, um Möglichkeiten und Effekte zu studieren. Schließlich lautet die Devise: Was du zeichnen kannst, kannst du auch tätowieren. Mit ihrer künstlerischen Ader knüpft Reischies-Meikl ebenso an die Familientradition an wie mit der Heilkunst: „Schon meine Großmutter hat viel gezeichnet, meine Tante ist Künstlerin – und vor dem Abitur hätte ich mir auch ein Kunststudium gut vorstellen können.“ Letztlich hat sich die Tochter zweier Ärzte jedoch für das Medizinstudium entschieden, womit sie heute sehr zufrieden ist. In ihrer Heimat – sie ist Berlinerin – hätte sie allerdings fünf Jahre auf einen Studienplatz warten müssen. So inskribierte sie zunächst in Brüssel Medizin, bevor sie ein Jahr danach zur Aufnahmeprüfung in Graz antrat, wo sie das Studium in ihrer Muttersprache absolvieren konnte. Nach Studienende dissertierte Reischies-Meikl auf der AbVom Totenkopf zur Lebensfreude Frederike Reischies-Meikl ist nicht nur kunstbegeisterte Ärztin, sondern auch staatlich geprüfte Tätowiererin. Das Handwerk hat sie von der Pike auf gelernt und dabei anfangs auch Totenköpfe gestaltet. Ihre eigentliche Mission sieht sie jedoch in der Verbesserung von Lebensqualität von Patient*innen: durch Brustwarzenrekonstruktionen und Narbenkorrekturen. teilung für Infektiologie und begann anschließend eine Facharztausbildung auf der plastischen Chirurgie, die sie nicht abgeschlossen hat. Vor fünf Jahren, in der Schwangerschaf t zum ersten Kind, reifte dann der Entschluss, sich parallel zur ärztlichen Tätigkeit auf medizinische Tattoos zu spezialisieren. „Ich hätte nie gedacht, dass die Ausbildung zum Tätowierer so aufwendig und umfassend ist, finde das aber gut. Schließlich geht es dabei auch um Sicherheit und Gesundheit.“ Lehr- und Wanderjahre Nach der Grundausbildung in klassischem Tätowieren und der staat l ichen Abschlussprüfung ging und geht Reischies-Meikl noch immer weltweit in die Lehre: bei Tätowierer*innen, die sich auf medizinische und kosmetische Aspekte spezialisiert haben. In Stacie-Rae Weir in Austin, Texas, beispielsweise fand sie eine Expertin für tätowierte Brustwarzen. „Man glaubt nicht, wie störend eine fehlende oder missgestaltete Brustwarze wirkt – nicht nur auf andere Menschen, sondern vor allem auf die Betroffenen selbst.“ Weitere Stationen ihrer Lehr- und Wanderjahre waren Toronto und Beverly Hills für die Narbenkorrektur, Vancouver für das HaarfollikelTätowieren sowie Warschau und Vancouver für die Rekonstruktion von Augenbrauen. Heuer plant ReischiesMeikl noch ein Praktikum in Asien. Möglich ist dieses große zeitliche Engagement nur aufgrund ihrer derzeitigen Elternkarenz und weil für ihren Partner, einen Chirurgen, die gleichberechtigte Rol lenvertei lung selbstverständlich ist. Einige ihrer Lehrenden sind selbst Betroffene, die durch einen eigenen Unfall die Notwendigkeit einer Narbenkorrektur erkannt haben. Bei jeder und jedem Einzelnen von ihnen muss sich ReischiesMeikl mit einem Katalog von Zeichnungen bewerben. „Mein medizinischer Hintergrund wirkt in dieser Branche eher abschreckend, punkten kann ich nur mit meinen graphischen Fähigkeiten.“ Nikola Milatovic „Da ich Fotos von beeindruckenden Tattoo-Ergebnissen kannte, wusste ich: Das geht auch besser.“ Frederike Reischies-Meikl

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