38 Ærzte Steiermark || 04|2022 Symposium Ankauf neuer Geräte und die Beschaffung von Reagenzien.“ Ungewohntes Terrain Vor der Pandemie analysierte das KIMCL fast ausschließlich Blut- oder Urinproben, also homogene Flüssigproben. Ganz anders präsentiert sich die Matrix eines Rachenabstrichs, der ja letztendlich aus Schleim oder Speichel besteht. Dieser ist mal mehr oder weniger viskös und es können sich Schleimaggregate darin befinden. Außerdem sind die Viren nicht immer gleichmäßig im Mund-NasenRachenraum verteilt. Neben Verteilungsunterschieden beeinf lussen auch vorheriges Essen, Trinken oder Zähneputzen die Probenqualität. Die Durchführung des Abstriches selbst ist aber sicherlich die größte Fehlerquelle. Während manchmal die Schleimhaut nur kurz mit dem Abstrichtupfer an ein bis zwei Stellen berührt wird, wird beim nächsten Mal über mehrere Sekunden gründlich im gesamten Nasen- und Rachenraum abgestrichen. Diese Faktoren haben natürlich einen großen Einf luss auf die Verlässlichkeit des Ergebnisses und schränken die Vergleichbarkeit von Tests ein. Dazu kommen noch analytische Unterschiede zwischen den Messsystemen. Antigen-Schnellteste haben zwar laut Herrmann eine deutlich niedrigere Empfindlichkeit als PCR-Teste, sind aber dennoch ein wichtiges Werkzeug bei der Pandemiebewältigung. In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnte ein Forschungsteam der Med Uni Graz um Professor Herrmann zeigen, dass bei einem negativen AntigenSchnelltest keine relevante Ansteckungsgefahr von der betroffenen Person ausgeht und die Viruslast allenfalls gering ist. Allerdings sind mittlerweile viele verschiedene Schnellteste auf dem Markt, die sich in ihrer Qualität erheblich unterscheiden. Deshalb können diese Ergebnisse nur auf den in der Studie eingesetzten Test angewendet werden. Georg Mustafa, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, schildert die Herausforderungen der Corona-Pandemie aus Sicht des niedergelassenen Labormediziners. Obwohl PCR-Test s auf SARS-CoV-2 nur einen von 3.800 Parametern ausmachen, die das medilab-Labor mit Sitz in der Stadt Salzburg analysiert, spielen sie nun seit zwei Jahren eine wichtige Rolle im Laboralltag. „Die Herausforderungen liegen nicht nur in der Analytik, sondern vor allem in der Logistik und der raschen Verfügbarkeit der Daten – da hat unser Labor einen beachtlichen Digitalisierungsschub gemacht, beispielsweise bei der Onl ine-Befundübermittlung“, erklärt medilabGeschäftsführer und Laborfacharzt Georg Mustafa. Schon im Jänner 2020 bereitete man sich dort auf den Fall der Fälle vor, etablierte die Analytik, überlegte aber auch Schutzmaßnahmen für die eigenen Mitarbeiter*innen. „Völlig unklar war, wie lange wir diese Art von Diagnostik brauchen würden. Dass uns COVID-19 zwei Jahre später noch beschäftigen würde, hätte sich jedenfalls niemand gedacht.“ Aus dem allgemeinen Fokus sind molekulardiagnostische Tumorprofile, Resistenztestungen, endokrinologische Analysen etc. gerückt, die aber weiterhin zur Verfügung gestellt werden mussten. Dafür waren eine Woche nach der ersten Sequenzierung von Omikron schon erste mutationsspezifische PCR-Tests möglich. „Die Herausforderungen sind eher logistischer als medizinischer Natur“, resümiert Mustafa. Dazu gehört auch die unangenehme Erfahrung, dass in Zeiten enormer Nachfrage vorsorglich auf Lager gelegte Reagenzien im testarmen Sommer abgelaufen sind und entsorgt werden mussten. Wissensgenerierung für zukünftige Pandemien „Wir bewegen uns die ganze Zeit auf sehr dünnem Eis“, betont Mustafa. „Und das muss man vorsichtig und zielstrebig zugleich tun.“ Niemand wisse, was der Herbst bringen werde, ob eine vergleichsweise harmlose Variante wie Omikron oder eine wesent l ich gef ährl ichere. „Wir agieren hier nicht in einer geplanten, militärischen Operation, vielmehr ist es wie im Partisanenkrieg, in dem man sich jeden Tag auf Neues einstellen muss.“ Für die Zeit nach Abflauen der Pandemie regt Mustafa an, die verschiedenen europäischen Screening-Strategien rückblickend zu evaluieren, um Wissen für künftige Pandemien zu generieren. Derzeit sei nicht klar, welche davon letztlich gesehen die erfolgreichste war. Was vorhersehbar sei: „Wir müssen in den nächsten Jahren mit weiteren Wellen rechnen und parallel dazu mit stark schwankender Nachfrage nach Testungen. Da müssen die Labore ungemein flexibel bleiben.“ Flexibilität ist gefragt „In der aktuellen Zeit brauchen Labormediziner viel Nerven und ein dickes Fell.“ Markus Herrmann
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