Ærzte Steiermark || 05|2022 35 34 Ærzte Steiermark || 05|2022 Versorgung Versorgung Foto: Shutterstock Onkologische Behandlung funktioniert nur im Team – und ein nicht wegzudenkender Player indiesemTeamsind die Psychoonkolog*innen. Während Ärzt*innen aufgrund ihrer unterschiedlichen Dienstzeiten immer wieder wechseln, betreut am Grazer LKH-Universitätsklinikum stets der- oder dieselbe Psychoonkolog*in eine/n Patient*in. Und zwar von Anfang an, denn bereits im Zuge des Erstgesprächs wird über die Möglichkeit einer psychoonkologischen Betreuung aufgeklärt und – wenn gewünscht – gleich der Kontakt hergestellt. „Die Psychoonkologen unterstützen die Kommunikation zwischen Patienten und Behandlungsteam“, erklärt Gudrun Absenger, Oberärztin an der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Klinik für Innere Medizin der Med Uni Graz. Gerade in den Erstgesprächen, so Absenger, entstünden manchma l Missverständnisse und Fehlerwartungen, wei l die Patient*innen in dieser psychischen Ausnahmesituation einen Großteil der Informat ionen noch nicht aufnehmen können. Psychoonkolog*innen helfen hier bei der Klärung. Angebot angenommen Vom Erstgespräch über die Therapieplanung und -durchführung bis hin zur Entlassung und Nachbetreuung, aber auch in palliativen Situationen, stehen den Patient*innen die Ärzt*innen und Psycholog*innen gemeinsam zur Verfügung. Zum Tätigkeitsbereich der Psychoonkologie zählt zudem die Unterstützung der Angehörigen; etwa in der Aufklärung von Kindern über eine eventuell lebensbedrohliche Erkrankung eines Elternteils, bei der Begleitung von Eltern krebskranker Kinder, aber auch in praktischen Fragen der Alltagsbewältigung. „Die psychoonkologische Unterstützung, die in Graz jedem Patienten kostenlos zur Verfügung steht, wird von vielen gerne angenommen“, berichtet Absenger. „Einige brauchen eine Vorlaufphase, bevor sie sich dafür entscheiden.“ Die Psychoonkologie mobilisiert innere Ressourcen der Patient*innen und lehrt BePsychoonkologie: Die Seele bestmöglich schützen Auf der Frühjahrstagung der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO) in Graz referierte die Onkologin Gudrun Absenger zur Psychoonkologie aus ärztlicher Sicht. Nicht nur Patient*innen, auch Ärzt*innen profitieren von deren Expertise. troffene, mit ihren Ängsten und mit der psychischen Belastung umzugehen, ihr Selbstwertgefühl zu stärken (auch wenn sich ihr Äußeres beispielsweise durch Haarverlust verändert) und wie sie trotz zunehmender Hilfsbedürftigkeit ihre Würde bewahren. Wichtig für die onkologische Behandlung ist die gemeinsam verantwortete Entscheidung über das weitere Vorgehen durch Arzt und Patienten (shared decision making). „Im Falle einer shared decision ist die Therapieadhärenz erfahrungsgemäß höher“, betont Absenger. Einer deutschen Studie zufolge leiden Krebspatient*innen, deren Therapie durch eine partizipative Entscheidung festgelegt wurde, zudem unter weniger starken Ängsten und Depressionen. Auch dieser Prozess der Entscheidungsf indung wird von der Psychoonkologie begleitet. Ärzt*innen profitieren Nicht nur die Patient*innen, auch die Ärzt*innen profitieren von psychoonkologischer Expertise: Vor besonders herausfordernden Gesprächssituationen tauschen sie sichmit den Psychoonkolog*innen aus (jeder kennt andere Aspekte der Persönlichkeit von Patient*innen). Im Rol lenspiel werden mögliche Formul ierungen heik ler Botschaften und deren Wirkung erprobt und diskutiert. Zu den größten Herausforderungen im onkologischen Setting, so Absenger, zählt „das Erstgespräch, in dem man die Patienten noch nicht kennt, aber viele Fakten rüberbringen muss, ohne zu wissen, über welche Vorkenntnisse das Gegenüber verfügt. Ein Balanceakt ist auch, schlechte Befunde zu besprechen, Therapieumstellungen anzukündigen und ganz besonders mitzuteilen, wenn keine tumorspezifische Therapiemöglichkeit mehr zur Verfügung steht und lediglich die Symptomkontrol le im Vordergrund steht.“ Belastend für die behandelnden Ärzt*innen ist immer wieder die Diskrepanz zwischen ihren Vorstellungen einer bestmöglichen Patientenbetreuung und dem IstZustand an den Kliniken: Der stressige Alltag inklusive Unterbrechungen durch das läutende Telefon, der begrenzte Zeitslot auch für wichtige Gespräche, daneben die Sichtung möglicherweise unvollständiger Befunde und Unterlagen, die Dokumentation und in Zeiten von COVID-19 auch noch die Beschränkung auf einen einzigen begleitenden Angehörigen – all das zehrt an den Kräften. Die zusätzl iche psychoonkologische Begleitung wirkt hier abfedernd. Aus Angst davor, keine Therapie mehr zu erhalten, verschweigen Pat ient*innen auch immer wieder die Nebenwirkungen ihrer Medikation. Einige von ihnen vertrauen sich dann dem/r Psychoonkolog*in an, wodurch diese wichtige Information letztlich ebenfalls den Arzt oder die Ärztin erreicht. Mehr Zeit! Jeder entwick le für sich Escape-Szenarien, um mit dem Arbeitsal ltag eines/r Onkolog*in bestmöglich umzugehen, so Absenger. Als hilfreich erweisen sich die Teambesprechungen. „Jeder kennt einen anderen Teil des Patienten und bringt dieses Wissen mit. Leider bleibt oft zu wenig Zeit für die Aufarbeitung des Erlebten im Team.“ Absenger betont die gute Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen auf der Abteilung für Onkologie, insbesondere mit der Psychoonkologie. Was sie in ihrem Arbeitsalltag vermisst – und das sei auch der Grundtenor auf der kürzlich stattgefundenen OeGHO-Frühjahrstagung in Graz gewesen –, sei ausreichend Zeit. Zeit für die Patient*innen und Zeit für den Austausch untereinander. „Ein Balanceakt ist auch, schlechte Befunde zu besprechen, Therapieumstellungen anzukündigen und ganz besonders mitzuteilen, wenn keine tumorspezifische Therapiemöglichkeit mehr zur Verfügung steht und lediglich die Symptomkontrolle im Vordergrund steht.“ Gudrun Absenger
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