AERZTE Steiermark | Juli August 2022

ÆRZTE Steiermark || 07_08|2022 11 COVER dass wir unser Verhalten anpassen: Als Grundregel dabei gilt ausreichend trinken und körperliche Aktivitäten in die Morgen- und Abendstunden verlegen. Es gibt immer noch Menschen, die an einem Hitzetag zu Mittag Tennis spielen. Es gibt nicht nur vulnerable Menschen, sondern auch vulnerable Gebiete wie Überschwemmungszonen. Und vulnerable Berufsgruppen wie Land- und Forstwirte, Bauarbeiter und, und, und … Mit fleischarmer Ernährung und mehr Bewegung können Ärzt*innen zu einem klimafreundlichen und gleichzeitig gesundheitsfördernden Lebensstil raten. Wo sehen Sie weitere Synergien? Hutter: Zunächst: All das haben Kolleg*innen und ich schon vor Jahren deutlich gemacht. … Wir brauchen Argumente, bei denen die Belohnung nicht in weiter Ferne liegt, die den direkten persönlichen Nutzen aufzeigen. Weniger Fleisch reduziert das Risiko für Colonkarzinom und „ganz nebenbei“ gibt es einen CO2-Benefit. Wer sich bewegt, spürt die Zunahme an Fitness zeitnah. Die Solidarität in der Gesellschaft weltfaktoren und speziell die Klimakrise miteinschließt, wird oft nicht als Teil des Berufsbildes wahrgenommen. Sie fordern mehr Ärzte-Fortbildung zum Klimaschutz. Von welchen Expert*innen? Hutter: Klimaschutz ist ein vielfältiger Stoff, da braucht es Expertise aus allen Bereichen, von allen Gesundheitswissenschaften bis hin zu Materialkunde und Bautechnik, etwa für Spitäler. Wichtig ist, dass Ärzt*innen das Thema ernst nehmen, in ihren Fachbereich integrieren und sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen. Sie sollten die Dringlichkeit dieser Anliegen auch aktiv gegenüber Politik und Administration vertreten – und gegenüber ihren direkten Vorgesetzten. Mit 7 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen, davon fast ein Drittel aus dem Spitalsbereich, haben die österreichischen Gesundheitsdienstleister einen massiven ökologischen Fußabdruck und rangieren europaweit schlecht. Was ist zu tun? Hutter: Wir brauchen das „gesunde und grüne Krankenhaus“ – und das umfasst nicht nur das Gebäude selbst mit den entsprechenden raumlufttechnischen Anlagen etc., sondern auch die nächste und fernere Umgebung, also ein klimafreundliches Mobilitätsmanagement, eine regionale Beschaffung, optimierte Lieferketten. Da lässt sich viel machen. Auch Arzneimittel sind durchaus klimarelevant. Wenn etwa Patient*innen wie in anderen Ländern nur die genau verordneten Dosen des Medikaments bekämen und nicht die ganze Packung, ließen sich große Mengen einsparen. Die Doctors4Future fordern die Anerkennung des „Klimanotstandes“. Verängstigt eine derartige Ausdrucksweise nicht die Bevölkerung? Hutter: Die sprachl iche Vermittlung von Umweltgefahren ist ein schwieriges Thema, man muss die Balance zwischen Aufwecken und Verschrecken finden. In Anbetracht der knappen Zeit, die uns bleibt, und der potenziellen Tragweite ist mir „Klimawandel“ zu wenig, daher finde ich „Klimanotstand“ adäquat – und begründbar aus den Klimaberichten. Allerdings nicht imUmgang mit Kindern. Was sollen die Ärzt*innen jetzt im Hochsommer ihren Patient*innen raten, um mit der Hitze fertigzuwerden? Hutter: Ärzt*innen sollten ihre Patient*innen anleiten, sich hitzevernünftig zu verhalten, alles ruhiger anzugehen und auch, gebrechlichen Nachbarn Hilfe anzubieten. Es ist Aufgabe der Ärzt*innen, proaktiv die Medikation zu hinterfragen – die Dosierung u. a. von Psychopharmaka, Diuretika, Antihypertensiva muss angepasst werden. Generell sollen sie den Patient*innen raten: Schaut´s aufs Klima und die Umwelt – unsere Gesundheit hängt davon maßgeblich ab! ist allerdings endenwollend – wir brauchen eine andere Form von Motivation. Weitere Synergien sehe ich im Bereich Raumklimatisierung: Weniger Überheizen im Winter schafftmehr Behaglichkeit, schont die Schleimhäute und kostet weniger. Statt einer nicht gerade gesundheitsfördernden Klimaanlage helfen im Sommer durchdachtes Lüften, ein Ventilator, Außenjalousien und vertikale sowie horizontale Begrünung von Gebäuden. Ärzt*innen genießen das Vertrauen der Bevölkerung und sind somit als Vorbilder prädestiniert. Aber müssen sie nicht oft erst selbst von einer klimafreundlichen Lebensweise überzeugt werden? Hutter: Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen zählen Ärzt*innen nicht wirklich zu den Vorreitern. Sie sind auch schwer zu mobilisieren, wie wir aus der Gründungsphase von Doctors4Future Austria wissen. Aber es tut sich etwas in der Ärzteschaft. Ein Problem ist: Ärzt*innen sehen ihre Rolle meist darin, Kranke zu heilen. Prävention in Form eines ganzheitlicheren Gesundheitsbegriffs, der Um- oder andere Art sind wir alle betroffen …“ „Wichtig ist, dass Ärzt*innen das Thema ernst nehmen …“ Hans-Peter Hutter Foto: ÖÄK/Stefan Seelig

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=