AERZTE Steiermark | Juli August 2022

ÄRZTIN IM BESONDEREN DIENST USULA SCHOLZ Ob sie einen Kulturschock erlitten habe, als sie vor 22 Jahren von Wien nach Murau kam? „Ja!“, antwortet Waltraud Zika ohne Zögern, aber begleitet von einem völlig entspannten Lachen. Noch immer ist sie eine „Zuagroaste“, obwohl mit einem Einheimischen verheiratet. „Es war leicht, mit den Leuten hier Kontakte zu knüpfen, man ist auch schnell per du, aber die meisten Beziehungen gehen nicht tiefer. Eigentlich bin ich noch immer nicht so richtig angekommen“, erzählt Zika. „Aus diesem Outsider-Status lässt sich allerdings etwas machen! Ich kann in meiner Position leichter Tabus ansprechen und Themen aufgreifen, die sonst eher verschämt abgehandelt werden.“ Die hohe Suizidrate in der Region zum Beispiel. Oder die starren Geschlechter-Rollenbilder. Volles Potential ausschöpfen Gemeinsam mit der Kulturschaffenden und Mitinitiatorin der Facebookgruppe „die MurauerInnen“, Gunilla Plank, hat Zika die Initiative mit dem ungewöhnlichen Namen ins Leben gerufen. Auf den Titel gebracht hat sie Planks Großvater mit seiner Lebensmaxime „Scheiß di nix, dann föhlt da nix“. Eine sehr bodenständige Anleitung zur Pf lege der psychischen Gesundheit. Waltraud Zika geht es als praktizierender Ärztin und Psychotherapeutin darum, Menschen den vollen Zugang zu ihrem Potential zu ermöglichen, indem sie sich trauen, sich so zu geben, wie sie sind. „Am Land sind Männer wie Frauen oft sehr in ihren Rollenbildern gefangen und leben in einem engen traditionellen Korsett. Ich wollte zunächst eigentlich nur ein spezielles Coaching für Frauen, insbesondere Bäuerinnen anbieten, um an ihrem selbstbewussten Auf treten zu arbeiten.“ Nun macht sie Männern wie Frauen aus allen beruf lichen Bereichen Mut – auch in größerem Setting: Den Auftakt zur Initiative hat letztlich ein Impulsvortrag von Zika gebildet, via Zoom, denn die Wege im Bezirk Murau sind weit. Einige haben zu spät davon erfahren und im Nachhinein ihr Interesse bekundet; eine Wiederholung des Vortrages steht daher im Raum. Wie sich die Initiative danach weiterentwickeln wird, ob es die Einzelcoachings geben wird oder eine ganz andere Art von Unterstützung, steht noch nicht fest. Zika mag es ergebnisoffen. „Wenn man sich nicht so klar „Eine wilde Alte am Schlagzeug“ Allgemeinmedizinerin und Betriebsärztin Waltraud Zika zog einst von Wien nach Murau. Und blieb. Die engen sozialen Vorgaben des Landlebens hinterfragt sie bis heute – und ermuntert mit ihrer Initiative „Scheiß di nix!“ auch andere dazu, das Korsett zu öffnen und tief durchzuatmen. festlegt, sondern mit dem arbeitet, was kommt, wird man seltener enttäuscht.“ Rasche Antwort von der Stolzalpe Auch dass sie im Bezirk Murau bleiben würde, war nicht von Anfang an geplant. Streng genommen wohnt sie in Kärnten, direkt an der steirischen Grenze – aber all ihre ärztlichen Tätigkeiten finden in der Steiermark statt. Zika lernte hier ihren Mann kennen; parallel dazu taten sich immer neue Aufgaben als Ärztin auf, die sie interessierten und in der Region hielten. Selbst der Arztberuf war ihr nicht in die Wiege gelegt: Zika wurde 1964 in einen Wiener Arbeiterhaushalt geboren, in dem nur körperliche Arbeit als solche anerkannt wurde. Ihr intellektuelles Potential wurde von einer engagierten Volksschullehrerin entdeckt, die die Eltern überreden konnte, sie ins Gymnasium zu schicken. Zur Medizin kam sie, als sie ihren Freund beim Lernen für die Medizin-Prüfungen unterstützt hat. Am Ende konnte sie den Stoff besser – und faszinierend fand sie ihn auch. Also inskribierte sie Medizin: „Eine gute Basisausbildung für Vieles!“ Im Turnus, auf der Suche nach einem orthopädischen Ausbildungsplatz, schrieb sie in Zeiten der „Ärzteschwemme“ alle österreichischen Abteilungen für Orthopädie an. Jene auf der Stolzalpe hat als erste geantwortet und binnen einer Woche landete Zika im höchstgelegenen Spital der Steiermark, wo sie nach dem Turnus als Stationsärztin blieb. Nur zur Geburt ihrer Tochter ging sie noch einmal nach Wien zurück. Es folgten Aufgaben im damals neu gegründeten Rehabilitationszentrum für (Neuro-)Orthopädie, als Betriebsärztin des LKH Stolzalpe, Schulärztin der dortigen Gesundheits- und Krankenpf legeschule, bevor sie im Jahr 2019 in Unzmarkt zusätzlich eine Wahlarztordination eröffnete und im Jahr darauf Betriebsärztin des gesamten LKH Murtal wurde. Diverse Firmen haben sie als Arbeitsmedizinerin engagiert; daneben bringt sie ihr Wissen über Prävention, Stressmanagement, Persönlichkeitsentwicklung und psychische Gesundheit in Form von Vorträgen und Seminaren unter die Leute. Die eigene Ordination hat ihr die Möglichkeit eröffnet, ihre Ausbildungen in ärztlicher Hypnose und Kommunikation sowie die drei PSY-Diplome in der Praxis anzuwenden. 14 ÆRZTE Steiermark || 07_08|2022 „Trommeln ist meine ganz große Leidenschaft. Als Musikerin wie als Therapeutin. Ich mag Rhythmus und tiefe Töne.“ Waltraud Zika

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=