AERZTE Steiermark | Juli August 2022

NACHRUF 16 ÆRZTE Steiermark || 07_08|2022 des Vertrauens – Wie wir das Fundament unserer Gesellschaft sichern können“ tragen. Im von Werner Leodolter persönlich verfassten Exposé dazu heißt es: „Vertrauen als ein Fundament einer funktionierenden Gesellschaft ist immer auch auf Erwartungen und Glauben aufgebaut – ausgehend von der aktuel len Realität. Die Wahrnehmung der Realität ist ihrerseits immer teilweise unvollständig oder auch verzerrt. Realität ist als Grundlage für Vertrauen und Entscheidungen also immer auch ein bisschen Fiktion. Der technologische Fortschritt hat unser Leben um vieles erleichtert und bereichert. Er hat aber auch durch Manipulation, Verletzung der Persönl ichkeitsrechte, Datendiebstahl, Erpressung etc. die Möglichkeiten, die uns die Technologie eröffnet, zunehmend zur Gefahr werden lassen. Die Wahrnehmung der Realität wird zunehmend verzerrt. Immer häufiger treffen Assistenzsysteme mit ihrer künstlichen Intelligenz Entscheidungen für uns. Nun droht Vertrauen zur Illusion zu werden. Wem oder was kann man also noch vertrauen? Der Aufschwung der synthetischen Biologie und anderer Innovationen wird MARTIN NOVAK Ein Vierteljahrhundert seines Arbeitslebens war Werner Leodolter der KAGes verbunden: Von 1997 an organsierte er als IT-Experte die Informationssysteme der steirischen Landeskrankenanstaltengesellschaft, von 2008 bis 2013 war er Vorstandsvorsitzender des Unternehmens. Aus der Stahlindustrie zur KAGes Bevor ihn die KAGEs in ihre Reihen holte, war der an der TU Graz diplomierte und promovierte ElektrotechnikWirtschaftsingenieur in der Industrie bei der Voest Alpine und bei Böhler Edelstahl mit Organisation, Logistik, Informationsmanagement und Sof tware-Entwick lung befasst. Aus dieser Zeit stammt auch ein frühes Buch, dessen Titel allein schon klarmacht, dass es sich an einen engen Kreis von Fachleuten richtet: „Fertigungsleitsysteme: Organisatorische und informationstechnische Leitlinien“ erschien 1992. Nach seinem Ausscheiden aus dem KAGes-Vorstand kehrte er inhaltlich zu seinen ITWurzeln zurück – als Chief Information Officer (CIO) des Krankenanstaltenunternehmens. In dieser Funktion brachte er eine Reihe einschlägiger Projekte ins Rollen. Ein Anliegen etwa war ihm ein Konzept zur Früherkennung von Demenz. Zuletzt befasste er sich mit einem steirischen IT-Gesundheitsportal, das sowohl Ärztinnen und Ärzten als auch Patientinnen und Patienten großen Nutzen bringen sollte. Kritische Distanz Trotz seiner beruflichen Verbundenheit mit der digitalen In format ions t echnolog i e war Leodolter um kritische Distanz bemüht und verlor niemals die Gesamtsicht auf Gesellschaft und Unternehmen. Das manifestierte sich auch in seinem 2015 im renommierten Springer-Gabler-Verlag erschienenen Buch „Das Unterbewusstsein von Organisationen. Neue Technologien – Organisationen neu denken“. Darin verknüpft er Psychologie bzw. Verhaltensökonomie mit IT. Große Namen, wie Douglas Hofstadter oder Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman, standen dabei Pate. Eine englische Version des Buches erschien 2017 unter dem Titel „Digital Transformation Shaping the Subconscious Minds of Organizations: Innovative Organizations and Hybrid Intelligences“. Sie war aber mehr als eine reine Übersetzung, sondern vielmehr eine überarbeitete und weitergedachte Fassung des deutschsprachigen Werks. Vertrauen als Fundament der Gesellschaft Über ein weiteres – trotz aller Fachlichkeit – sehr persönliches Buch Leodolter hat nicht nur nachgedacht. Es sollte den Titel „Die Illusion Werner Leodolter: ein nachdenklich Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der KAGes, IT-Experte, Universitätsprofessor und Buchautor starb bei einem Unfall im Island-Urlaub. Noch bevor er das offizielle Pensionsalter erreicht hatte. Fotos: KAGes, Springer

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