AERZTE Steiermark | Juli August 2022

WIRTSCHAFT&ERFOLG wenn in der Ordination gerade der Bär steppt. Wenn jemand beim Ausfüllen eines Formulars nicht weiterkommt, hilft ihm die Ordinationsassistenz. Schließlich sitzen einander Arzt und Patient, Ärztin und Patientin gegenüber. Nun kann es sein, dass Patient*innen ihre persönlichen Eigenheiten einbringen, vielleicht auch sich als zunehmend schwierig erweisen. Für eher ausschwei fend bzw. theatralisch veranlagte Patient*innen kann die nüchterne Diagnose einer Ärztin bzw. eines Arztes eine ziemlich kalte Dusche darstellen. Konkrete Fragen wie: „Wie war das nach dem Essen im Gasthaus, hatten Sie da Magenschmerzen?“ zeugen von aktivem Interesse und können das Gespräch auf sanfte Art lenken. Manchen tut auch die besonders wertschätzende Anteilnahme des Praxisteams im Nachklang der ärztlichen Konsultation gut, sodass das subjekt iv empfundene große Leid der Patient*innen dennoch auf ein offenes Ohr und einfühlsamen Zuspruch trifft. Ein anderer Typus von Patient*innen wiederum tritt dem Arzt/der Ärzt in anspruchsvoll, rechthaberisch und misstrauisch entgegen. Solche Patient*innen sind mit einer negativen Einstellung geladen und wollen immer die Kontrolle behalten. Ihnen kommt man am besten sprachlich entgegen, etwa mit der Anerkennung: „Oh, Sie haben sich schon selbst Gedanken gemacht, das schätze ich.“ Manche Kranke wirken respektlos bis provokant, ihnen sollte vermittelt werden, dass der Arzt/die Ärztin die Situation kontrolliert – etwa durch die Aussage: „Hier, hier ist Ihr Laborbericht nochmals, diesmal im Original.“ Unsichere Patient*innen interessieren sich nicht groß für ihre Erkrankung und machen Therapien anfangs gut mit. Sie widersprechen nicht – vorerst. Doch nach ein paar Tagen oder Wochen nehmen sie die verordneten Medikamente nicht ein oder schwänzen die Therapie. Kann sein, sie konnten dem Gespräch nicht folgen; kann aber auch sein, sie geraten damit in einen Konflikt mit ihrer sozialen Umwelt. Bei ihnen könnte nachgefragt werden: „Könnte es sein, dass irgendetwas Sie an der Medikamenteneinnahme hindert?“ – und plötzlich tritt die „Expertenmeinung“ des Enkerls, das gerade mit dem Rettungsdienst beginnt, offen an den Tag – und kann widerlegt werden. Nicht nur skeptische, auch sehr bewusste Patient*innen fühlen sich ernst genommen, wenn ihnen die Ärztin/der Arzt ihres Vertrauens zugesteht, dass sie eine Zweitmeinung über ihre Krankheit einholen und man bereit ist, diese durchzugehen. Ein sensibler Punkt ist die Wahrung der Intimsphäre: Die Patient*innen sollten sich in einem blickgeschützten Bereich ent- und ankleiden können, dabei sollte nicht ständig die Tür auf und zu gehen – auch nicht seitens der Ordinationsassistenz; die Wahrung der körperlichen Intimsphäre ist mindest genauso wichtig, wie Diskretion bei intimen Themen, die nur der Arzt/die Ärztin zu hören bekommen soll. Das CALM-Modell Auf die gezielte Deeskalation mit schwierigen oder aggressiven Patient*innen zielt das CALM-Modell von Axel Schweickhardt und Kurt Fritzsche ab. Dabei steht Contact für Kontakt aufnehmen: Aggressionen abebben lassen, auch Fehler zugeben: „Es tut mir leid, da sind die Werte durcheinander gekommen …“ Unter Appoint (Benennen) fällt, wenn der Arzt/die Ärztin die akuten Gefühle der Patient*innen zur Sprache bringt: „Ich verstehe, Sie sind wütend, weil ich dieses Rezept nicht unterschreibe …“ Bei Look ahead (Vorausschauen) geht es darum, gemeinsam zu klären, wie es in der Behandlung weitergehen soll: „Ich schlage Ihnen diese Behandlung vor. Stimmen Sie zu oder haben Sie Bedenken?“ Der Punkt Make a decision impliziert eine Entscheidung herbeizuführen bzw. zu entscheiden: „Nun, da kommen wir jetzt nicht weiter. Schlafen Sie noch eine Nacht über mein Angebot, denken Sie nach …“ 38 ÆRZTE Steiermark || 07_08|2022

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