32 ÆRZTE Steiermark || 09|2022 Foto: NACHFOLGE beigestellt Fliegender Generationenwechsel „Es war eine Mischung aus taktischen Überlegungen und Glück“, umreißt Maria Wendler, seit fünf Monaten Inhaberin der vom Vater gegründeten Hausarztpraxis in der St. Veiter Straße in Graz, ihre Strategie zur innerfamiliären Ordinationsübernahme. Bis 14 Tage vor der Übergabe der Praxis war noch nicht entschieden, ob sie den Zuschlag und die Kassenverträge auch bekommen würde. Vater und Tochter hatten bereits einen Notfallplan ausgearbeitet, der eine Doppel-Wahlarztordination am gewohnten Standort beinhaltet hätte. Nun praktiziert nur der Vater als Wahlarzt. Ein Kassenvertrag ist keine Erbpacht und das finden Vater und Tochter auch in Ordnung. Kritik üben sie lediglich daran, dass spitalsärztliche wie allgemeinmedizinische Vorerfahrungen gleich viele Punkte für die Reihungsliste bringen – und daran, dass es keinen Bonus gibt, wenn jemand in ebendieser Praxis vertreten hat. Die Wendlers wussten die vorangegangenen drei Jahre töchterlicher Vertretungsdienste vor der Ordinationsübernahme zu schätzen: Der Vater konnte etwas leiser treten und die Tochter nach der Karenz flexibler einsteigen. „Eine Einzelpraxis zu übernehmen war für mich nur in der Nähe der Großeltern eine Option“, betont sie. „Eine gesicherte Kinderbetreuung als ,Backup´ zu haben, ist in dieser Art der Praxis Gold wert. Und wenn es wichtig ist, bin ich meine eigene Chefin und kann mir meine freien Tage dann nehmen, wenn ich oder mein Team sie brauchen.“ Ohne bauliche Veränderungen übernahm sie nahtlos von ihrem Vater, um die Versorgung zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen. „Proaktiv angehen“ Trotz ihrer intensiven Vorerfahrungen in der väterlichen Praxis war Maria Wendler auf der Reihungsliste nicht die Erste. „In ein paar anderen Bundesländern hat der übergebende Arzt ein Mitspracherecht, wen von den vorne Gereihten er nehmen möchte, in der Steiermark nicht“, bedauert Michael Wendler. Sobald die Liste einsehbar war, nahm seine Tochter Einsicht. Und hat daraufhin aktiv die beiden noch vor ihr Gelisteten kontaktiert. „Oft bewerben sich ummehrere Stellen dieselben Ärztinnen und Ärzte und landen auf den Spitzenplätzen. Wenn sie sich untereinander austauschen, besteht die Chance auf eine wirklich gute Lösung“, betont Maria Wendler. „Man darf nicht warten, was das Schicksal macht“, lautet die Überzeugung ihres Vaters. „Allen, die eine Praxis übernehmen wollen, rate ich, die Sache proaktiv anzugehen.“ Ihr eigenes Profil Jede Praxis hat auch ihr eigenes Profil – womit nicht jede Stelle für jede/n Bewerber*in gleich attraktiv ist. Die Wendler´sche Ordination klassifiziert der Vater als „sozialmedizinische geriatrische Coronapraxis“ – und Geriatrie müsse man mögen. „Was mich sehr erstaunt hat, war, dass in der Zeit der Ausschreibung kein einziger Bewerber das Gespräch mit mir gesucht hat“, berichtet er. Wozu er übernahmewilligen Kolleginnen und Kollegen jedoch unbedingt raten würde. „Ich würde eine Praxis nie ,blind’ übernehmen, denn aus den Schwerpunkten des Vorgängers ergibt sich auch eine Erwartungshaltung der Patient*innen und des Teams, aber auch die Notwendigkeit von Investitionen“, ergänzt die Tochter. Selbst mit diesem Spezialwissen bleibt es ein Abenteuer, plötzlich nicht nur medizinische Entscheidungen treffen zu müssen, sondern auch die Chefin eines Unternehmens zu sein und vom herabfallenden DachDie Grazer Allgemeinmediziner Michael und Maria Wendler haben heuer im April eine nahtlose Ordinationsübergabe in Pandemiezeiten geschafft. Ohne Versorgungslücke für die Patient*innen, aber nicht ganz ohne Hürden, wie die beiden im Gespräch mit AERZTE Steiermark erzählen. „Man darf nicht warten, was das Schicksal macht.“ Michael Wendler
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