ärztin im besonderen dienst Ursula Scholz Eine Famulatur in Australien war die Keimzelle für Daliah Schmidts Leidenschaft für das Haitauchen. Um Haie ging es damals noch gar nicht. „Ich dachte mir, wenn wir schon einmal hier sind – ich war mit einem Kollegen in Australien –, sollten wir auch tauchen gehen.“ Gesagt, getan. Das Meer war unruhig, die Sicht war schlecht, aber die angehende Ärztin fühlte sich in der Unterwasserwelt sofort wohl. Erst Jahre später stieß sie auf der Suche nach einer lohnenden Tauchdestination für ihren Urlaub auf den Zürcher Biologen und Haiforscher Erich Ritter – der mit den Haien schwamm und die Sharkschool® gegründet hat. Schmidt traf Ritter noch vor dessen frühem Tod persönlich und lernte von ihm sein Mensch-Ha i-Interakt ionskonzept. Also den richtigen Umgang mit Haien, ihre Körpersprache zu deuten und das eigene Verhalten so zu kontrollieren, dass man nicht mit einem Beutetier verwechselt wird. Denn eigentlich sind Menschen den Haien ziemlich egal. „Reagiert man im Wasser allerdings so zappelnd wie ein sterbender Fisch, weckt man das Interesse des Hais und dann kann es schon sein, dass er einmal einen Probebiss macht, ob man ihm schmecken würde“, erklärt Schmidt. In die Erinnerung eintauchen In Ruhe beobachten, feine nonverbale Signale deuten und vorsichtig darauf reagieren – was Daliah Schmidt beim Haitauchen praktiziert, sind auch Interaktionsmuster, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie helfen können. Selbst aufgefallen sind ihr diese Parallelen noch nicht, vielmehr nutzt sie die Erinnerung an ihre Erlebnisse unter Wasser zum Runterkommen nach herausfordernden beruflichen Situationen. Dann kehrt sie in ihre Foto- und Videowelt der Unterwasseraufnahmen zurück und taucht im Geist in die Stille unter Wasser ein. Nach dem ersten, mehr zufälligen Tauchgang absolvierte sie ihre erste Tauchprüfung auf den Malediven. Auch im Roten Meer war sie von Fauna und Flora angetan – aber „am spektakulärsten war es auf den Bahamas“. Dorthin fuhr sie mit Dr. Ritters Sharkschool® ganz speziell zum Haitauchen, in Begleitung ihres Vaters, denn sonst konnte niemand ihr Interesse für die verrufenen Riesen nachvollHai über Kopf verliebt Haitauchen zählt zu den Lieblingsbeschäftigungen der Kinder- und Jugendpsychiaterin Daliah Schmidt. Bevor sie ihre erste Face-to-FaceBegegnung erlebt hat, investierte sie viel Zeit, um sich über das Verhalten dieser 400 Millionen Jahre alten Wesen schlau zu machen. ziehen. „Auch ich hatte als Kind der 80er-Jahre den Film ,Der weiße Hai´ gesehen und danach eher Angst vor diesen Tieren.“ Die echten Haie sind allerdings sehr scheu und müssen daher erst angelockt werden, damit sie sich den Menschen überhaupt zeigen. Dann sollte man sie allerdings gut im Auge behalten, um auf ihre Signale adäquat reagieren zu können. Auch die Haie ihrerseits beobachten die Menschen: „Selbst wenn der Kopf über Wasser ist, wissen Haie, wo beim Menschen vorne und hinten ist. Keiner weiß warum.“ So alt wie Krokodile „Angstination“ nannte Ritter jene angstdurchwobene Faszination, die Haie auf manche Menschen ausüben. Daliah Schmidt zählt eindeutig zu ihnen. In natura hat sie bereits Tigerhaie, Riffhaie, Zitronenhaie, Weiß- und Schwarzspitzenhaie und Hammerhaie beobachtet. „Einen Walhai würde ich noch gerne sehen“, sagt sie. Bemerkenswert findet sie, dass die Haie zu den ältesten noch lebenden Spezies gehören – „von der Evolution her sind sie so alt wie die Krokodile“, also seit rund 400 Millionen Jahren auf diesem Planeten. Wichtig ist Daliah Schmidt auch, die Bedeutung der Haie für das Ökosystem Erde hervorzuheben: „Ohne Haie stirbt das Meer. Ohne Meer stirbt der Mensch.“ Der Mensch, so Schmidt, sei aber nur bereit, das zu schützen, was er liebt. Und die Haie kämpfen da mit einem gröberen ImageProblem. Kommt es zu einem der ohnehin seltenen HaiUnfälle – „schuld ist immer der Mensch“ –, verfestigen die Medienberichte darüber diese negative Einstel lung. Haie werden gejagt, gemordet, zu Tierfutter verarbeitet und das Squalen aus Haif ischlebertran sogar Kosmetika beigemengt. „Dabei sterben mehr Menschen durch herabfallende Kokosnüsse oder durch Angriffe von Flusspferden, aber nur das Image der Haie ist so schlecht“, gibt Schmidt zu bedenken. Zum Vergleich: Flusspferde zerfleischen im Schnitt jährlich 500 Menschen, 150 sterben nach Kopfverletzungen durch fallende Kokosnüsse – und laut Global Shark Attack File von 2010 bis 2019 gibt es jährlich weniger als zehn tödliche Haiunfälle – weltweit. 14 Ærzte Steiermark || 11|2022 Haie sind individualistisch, Schmidt ist es auch. Das beweist sie etwa mit einem Rücken-Tatoo. Ärztin und Haitaucherin Daliah Schmidt: … es gibt jährlich weniger als zehn tödliche Haiunfälle – weltweit.
RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=