16 Ærzte Steiermark || 12|2022 Richtlinie Richtlinie für Kinderbesuche auf Intensivstationen Schadet ihnen der Anblick eines geliebten Menschen in der Umgebung einer Intensivstation? Schleppen sie Keime ein? Was ist zu tun, wenn sie am Bett der bewusstlosen Mutter zu weinen beginnen? Kinderbesuche auf der Intensivstation werden oft ambivalent betrachtet. Die größte Akzeptanz genießen noch Geschwisterbesuche auf KinderIntensivstationen; sie werden schon seit den späten 1980erJahren regelmäßig praktiziert. Auf den Erwachsenen-ICUs sieht die Situation sehr heterogen aus. Das zeigt auch eine Umfrage in den deutschsprachigen Ländern, die in Vorbereitung der neuen Richtlinie für Kinderbesuche auf Intensivstationen durchgeführt wurde. So bieten beispielsweise 42 Prozent jener ICUs, die sich an der Umfrage beteiligt haben, offene Besuchszeiten an: die Hälfte der deutschen ICUs, aber nur 27 Prozent der österreichischen und 29 Prozent der schweizerischen. „Kinder als Angehörige und Besuchende auf Intensivstationen, pädiatrischen Intensivstationen, IMC-Stationen und in Notaufnahmen“ heißt das Paper im vollen Wortlaut, das zehn Punkte zur bestmöglichen Planung eines Kinderbesuchs im Intensivsetting enthält (siehe Kasten). Betont wird zudem, dass die Entscheidung, ob ein Kinderbesuch auf der Intensivstation stattfindet, letztlich immer eine individuelle bleiben wird. 33 Expert*innen – 3 Jahre 33 Expert*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben ihr Wissen gebündelt und innerhalb von drei Jahren die Richtlinie erstellt; die Hauptautor*innen waren Maria Brauchle, diplomierte Intensivpflegekraft am LKH Feldkirch, die Psychologin Teresa Deffner vom Universitätsklinikum Jena und der Pflegeexperte Peter Nydahl von der Universitätsklinik Schleswig-Holstein. Obwohl die Richtlinie unter dem Dach der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) entstand, ging die Initiative von Österreich aus: Maria Brauchle, die neben ihrer Tätigkeit in der Intensivpflege auch im Bereich Krisenintervention jahrelange Erfahrungen mitbringt, trug sich schon lange mit dem Gedanken, etwas in dieser Richtung auf die Beine zu stellen. „Sowohl bei meiner damaligen Arbeit auf einer traumatologischen Intensivstation als auch im Bereich der Krisenintervention habe ich gesehen, dass professionell begleitete Kinder mit derartigen Situationen gut umgehen können, wenn man sie altersgerecht vorbereitet“, erzählt Brauchle. Vor vier Jahren traf sie auf Magdalena Hoffmann, die sich in ihrer Dissertation an der Med Uni Graz dem Thema familienfreundliche Intensivstation gewidmet hat: „ICU-Families. Angehörigenmanagement auf der Intensivstation“, lautete ihr Thema. Mit gebündelten Kräften entstand die Idee, aus dem Projekt ICU Families & Kids zu machen und schließlich gab es für das Vorhaben im Jahr 2019 den DIVI-Forschungsförderungspreis. Vor wenigen Tagen wurde die fertiggestellte Richtlinie auf dem DIVI-Kongress in Hamburg präsentiert; in Österreich wird sie dann im Februar 2023 im Rahmen der Wiener Intensivmedizinischen Tage erstmals vorgestellt. Fast nur positive Rückmeldungen „Ich glaube, die größte Belastung sind Ad-hoc-Entscheidungen, die ganz rasch getroffen werden müssen“, so Brauchle. Etwa in einer Notaufnahme, wenn das Sterben der Patientin oder des Patienten absehbar sei. Für alle anderen Fälle ist die Vorgehensweise bei einem Kinderbesuch auf der Intensivstation vorab zu klären: Ein multiprofessionelles Team aus den DACH-Ländern hat eine Richtlinie zur bestmöglichen Gestaltung von Kinderbesuchen auf Intensivstationen entwickelt. Nicht nur dem Wohl von Kind und Patient*in, sondern auch jenem des ICU-Teams wird darin Beachtung geschenkt. Die Vorbereitungsseite im Web Aus Magdalena Hoffmanns Dissertation entstand eine Website: Unter www.intensivstation.jetzt findet sich familienfreundliches Informationsmaterial. Sie wird vom „Verein Intensivstation.jetzt“ betrieben, dessen Präsidentin Hoffmann ist. Neben dem Basiswissen für erwachsene Angehörige und Patient*innen über die verschiedenen Arten von Intensivstationen und deren technische Ausrüstung etc. finden sich eine Bildergeschichte für Kinder zur Intensivstation ebenso wie zwei vorbereitende Filme (einer für 0-6-Jährige und einer für 6-14-Jährige; Letzterer gedreht am Uniklinikum Graz) sowie Hintergrundinformationen zu Kindern auf Intensivstationen.
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