AERZTE Steiermark Jänner2023

42 Ærzte Steiermark || 01|2023 angestellte Ärztinnen und ärzte Ärzt*innen in Ausbildung GEM/EINSAM geben Einblick in ihren Alltag Kracht wie eine Kaisersemmel Knapp vor einem Jahr gab es einen medial gefeierten politischen Vorstoß, um den steirischen Ärztemangel zu bekämpfen: An der Sigmund Freud Privatuni wurden 60 vollfinanzierte Studienplätze im Austausch gegen 10 Jahre Tätigkeit in der KAGes zur Verfügung gestellt. Was ist daraus geworden? Die SFU hat ihre Akkreditierung für das Masterstudium verloren und kämpft um eine Re-Akkreditierung. Falls sie nicht positiv verläuft, soll eine andere Lösung für die 20 Stipendiat:innen gefunden werden. Das klingt optimistisch, wirft aber auch Fragen auf: Was ist eigentlich mit den weiteren 40 SFU-Studienplätzen passiert? Überschlagsmäßig dauert die Allgemeinmedizin-Ausbildung inkl. Studium in der neuen AO knapp zehn Jahre. Nachdem das Bachelor-Studium an der SFU mit drei Jahren akkreditiert ist, bedeutet das, dass zumindest für 30 % der Ausbildungsdauer eine Lösung gefunden wurde. Mir drängt sich ein medizinischer Vergleich auf: Ein Patient kommt mit einer offenen Unterschenkelfraktur in die Ambulanz – offensichtlich ein Notfall. Zunächst reinigen wir die Wunde und tackern die Haut zu – bringt funktionell nichts, aber es sieht nicht mehr so dramatisch aus. Außerdem organisieren wir einen Rollstuhl, um zumindest noch „etwas“ anbieten zu können. Rein hypothetisch würde diese Behandlung in etwa 30 % die bestmögliche sein. Die (mehr als verständliche Klage) wäre vorprogrammiert. Mittlerweile beschäftigt das Thema auch die ÖGK: Die Bewerbung für ein beträchtliches monatliches Stipendium läuft gerade. Im Austausch verpflichten sich die Jungärzt:innen für eine Ausbildung in definierten Mangel-Fächern und dann zur Übernahme einer Kassenstelle. Seit Studienbeginn frage ich immer wieder Kolleg:innen, wie sie zu „ihren“ Fächern gekommen sind – im Studium, weil mir dieser Input bei meiner Entscheidung hilfreich war, mittlerweile frage ich, weil die Geschichten dahinter oft sehr lustig sind (manche wäre eine eigene Kolumne wert). Ich habe viele befragt und komme zu folgendem Schluss: Der Weg ins Fach ist oft lang und nicht nur vom eigenen Talent geprägt, sondern auch von äußeren Umständen und vom Zufall. Die allerwenigsten landen in dem Fach, das sie sich am Studienbeginn erträumt hatten. So stellt sich die Frage: Was wird aus den ÖÄK-Stipendiat:innen, die sich im Laufe der langen Verpflichtung anders entscheiden? Hoffentlich wird es eine Ausstiegsoption mit einer Rückzahlungsklausel geben. Das würde mich für die Kolleg:innen sehr freuen, allerdings stellt sich auch die Frage: Wie viele Jungärzt:innen werden letztendlich (in vielen Jahren) dann dem System wirklich zur Verfügung stehen? Und: Was machen wir bis dahin mit einem System, das derzeit kracht wie eine frische Kaisersemmel? GEM/EINSAM – schreiben steirische Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung über ihren Alltag im Beruf, im Leben und ihren Weg von „wilden Jungen“ zu „alten Profis“. Illu: Adobe Stock wir, dass die Akzeptanz zu hundert Prozent gegeben ist. Wir bekommen sehr positive Rückmeldungen“, berichtet Alber. Die OP-Warteliste konnte inzwischen auf unter 400 gesenkt werden. Noch im heurigen Frühjahr hofft der Leobener Primar auf eine Erweiterung der Kooperation mit dem Team in Rottenmann. „Erfolgsgeschichte“ Auch in Deutschlandsberg soll die Kapazität von drei auf fünf OPs pro Tag gesteigert werden. „Eine Reduktion um 60 OPs pro Monat entlastet spürbar und man merkt das auch bereits deutlich an der Stimmung im Team“, betont Ahyai. Das „Ventil“ der Verlagerung einfacher Eingriffe bewertet Ahyai eindeutig als Erfolgsgeschichte. Verbesserungspotential sieht er lediglich in einer weiteren Expansion: sowohl in der Steigerung der Eingriffe als auch in der Erweiterung des Spektrums in Richtung anderer niederschwelliger elektiver Eingriffe wie Hydrozelen, Zirkumzisionen und Transurethralen Harnblasen-Resektionen. Auch Alber berichtet vom großen Erfolg des lange und gründlich vorbereiteten Konzepts. „Aber wir brauchen noch mehr Kapazitäten.“ Gemeint sind hier nicht unbedingt die ärztlichen, denn mit 16 Ärzt:innen ist die Abteilung für Urologie in Leoben gut besetzt. „Ein hochmotiviertes Team, das – unter anderem mit einem Da Vinci – Spitzenarbeit leistet.“ In Leoben mangelt es jedoch an Anästhesist:innen und am OP-Personal. Politik am Zug „Die Teams von Graz und Deutschlandsberg haben sehr gut zusammengefunden“, betont Ahyai. „Da der Prozess von beiden Seiten begrüßt wurde, hat sich das Projekt nahezu verselbständigt.“ Auch die Achse Leoben-Rottenmann funktioniert sehr gut. Das Deutschlandsberger Pflegepersonal wurde am Uniklinikum eingeschult und monatlich finden Webex-Meetings der Verantwortlichen statt. Sollte es bei einem Patienten postoperativ zu Komplikationen kommen, steht die Uniklinik für Urologie rund um die Uhr für telefonische Anfragen zur Verfügung. Im Notfall müsste der Patient oder die Patientin nach Graz transferiert werden, was jedoch noch nicht vorgekommen ist. „Jeden Tag wird telefonisch mit dem behandelnden Arzt und der Pf lege Rücksprache gehalten“, erklärt Alber die übliche Kommunikation mit dem Partnerspital. Einig sind sich Ahyai und Alber darin, dass die Arbeitsbedingungen für die Pflege verbessert werden müssen, um die Gesamtsituation zu entschärfen. „Es gibt keine schnellen Lösungen und man wird an mehreren Schrauben drehen müssen, um die Arbeit im Schwerpunktspital wieder attraktiver zu machen, dazu benötigen wir auch die Unterstützung der Politik.“

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