AERZTE Steiermark Jänner2023

niedergelassene Ärztinnen und ärzte Ærzte Steiermark || 11|2022 45 Der ganz normale Praxiswahnsinn praktisch täglich Von Ulrike Stelzl Wenn der Postmann nicht mehr klingelt Ich bestelle praktisch nie etwas im Internet, aber manchmal komme auch ich nicht drumherum. Liefern lasse ich mir die Sachen schon längst nicht mehr nach Hause. Zwei Tore zum Gebäude und dann noch die Wohnung im letzten Stock! Dahin verirrt sich kein Postbote. Stattdessen muss meine Mama als Postanlaufstelle herhalten. Sie ist viel daheim und hat guten Kontakt zu den Nachbarn. Als ich letztens eine Kiste Süßwein von meinem Lieblings Schloss und Weingut in der Südoststeiermark bestellt hatte, war Mama zufällig einkaufen. Da hat der Postbote das Paket einfach über den Zaun geworfen. Vorsicht Glas! Muss man ja nicht unbedingt lesen können. Aber ich soll froh sein, wurde mir seitens der Post mitgeteilt. Denn ab heuer werden die Postboten gar nicht mehr klingeln. Entweder man vertraut dem Nachbarn und hat eine Abstellgenehmigung oder man darf sich mit zweihundert anderen beim Postpartner anstellen. Dass die Postgebühren natürlich trotzdem teurer werden, versteht sich von selbst. Genauso wie die Kontoführungsgebühren. Dafür werden im Gegenzug immer mehr Bankfilialen geschlossen oder haben lächerliche Öffnungszeiten. Meine zum Beispiel: Mo bis Fr von 9–12. Service is our success! Seit einiger Zeit habe ich beim Arbeiten Probleme mit dem Austria Kodex. Ich bekomme keine Beipackzettel für neue Medikamente. Da ich mittlerweile drei EDV-Firmen habe (eine für Internettelefonie und Firewall, eine für die Ärztesoftware und eine für alles andere bezüglich Soft- und Hardware), sollte das Problem ja rasch gelöst sein. Mitnichten. Eigentlich ist keiner zuständig. Der für „irgendwie alles“ erbarmte sich meiner und installierten den Kodex neu, lud die Updates herunter und kroch durch sämtliche Programmeingeweide, um alles freizuschalten. Es funktioniert beinahe. Für alle Medikamente kriege ich jetzt die Fachinformation. Nur nicht für die von V bis Z. Kein Voltaren, kein Zithromax etc. Nicht wirklich Neuzulassungen. Also wandte ich mich an die mit der Ärztesoftware. Ein gelangweilter Mitarbeiter erklärte mir, dass ich keine Updates gemacht hätte. Sorry, aber das hat die andere Firma erledigt und außerdem ist es unlogisch, dass von A bis U alles funktioniert und von V bis Z nichts mehr. „Sehen Sie, wir stellen nur die Schnittstelle zur Verfügung. Da müssen Sie sich halt selber drum kümmern.“ Fein, dem nächsten Patienten mit ungewöhnlichen Symptomen sag ich statt ewig zu recherchieren oder mit allen möglichen Spezialisten zu telefonieren: „Kümmern Sie sich gefälligst selber darum.“ Na Prosit Neujahr! Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemeinmedizin. Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2 Der ganz normale Praxiswahnsinn“ (erhältlich bei Amazon) Foto: Stelzl, Ärztekammer/Schiffer Die meisten Patientinnen und Patienten sind besonders in Zeiten knapper Arztressourcen froh, wenn sich ein Termin findet. Es gibt aber auch welche, die einfach wegbleiben – ohne zeitgerechte Absage. Ärztin oder Arzt kann die Lücke kurzfristig nicht schließen und bleibt allein im Behandlungszimmer … Das Problem kennen nur Ärztinnen und Ärzte, die eine Terminordination ohne volle Wartezimmer führen. Das werden aber immer mehr, aus zwei Gründen: Für Patientinnen und Patienten reduzieren sich die Wartezeiten und das Ansteckungsrisiko im Wartebereich geht zurück. Es gibt aber einen Haken: Wenn jemand ohne rechtzeitige Absage wegbleibt, gibt es im Wartebereich der Praxis keinen „Nächsten“, der nachrücken könnte. Der ist nämlich noch nicht da. Deshalb haben sich die Ärztekammer Steiermark und die ÖÄK bereits 2021 für eine Stornogebühr ausgesprochen. Einerseits um den Schaden für Ärztinnen und Ärzte zu minimieren, aber auch um Patientinnen und Patienten davon abzuhalten, ohne rechtzeitige Absage wegzubleiben. „Fixierte Arzttermine nicht einzuhalten, bedeutet verlorene Zeit für die betroffene Ärztin bzw. den betroffenen Arzt, ist aber auch äußerst rücksichtlos gegenüber anderen Patientinnen und Patienten, die diesen Termin brauchen würden“, sagt der Obmann der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der Steiermark, Vizepräsident Dietmar Bayer. Sowohl er als auch Ärztekammerpräsident Michael Sacherer hoffen, dass Stornogebühren auch eine erzieherische Wirkung haben. Rechtlich scheint die Stornogebühr als „angemessene Entschädigung“ kein Problem zu sein. Eine entsprechende Judikatur gibt es. Um den Anspruch durchzusetzen, müssen Name, Geburtsdatum und Adresse der Person bekannt sein. Vorab auf die Stornogebühr hinzuweisen, ist nach juristischer Einschätzung nicht nötig, aber sinnvoll. Wie hoch der Betrag sein kann, hängt von der tatsächlich verlorenen Zeit ab. Sinnvoll ist es, einen Anwalt zuzuziehen. Storno nur fair Patientin oder Patient haben einen fixen Termin, kommen aber einfach nicht. Jede Ärztin, jeder Arzt mit Terminordination kennt das. Eine Stornogebühr könnte den Schaden lindern und viele derartige Fälle verhindern.

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